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Stefan Schermaier - Dorian Schmelz | News | 06.06.2012

Der Verschmelzungsplan als rechtsgeschäftliche Grundlage der grenzüberschreitenden Verschmelzung

Die Gastautoren Dr. Schermaier und Mag. Schmelz gehen in ihrem Beitrag auf die Anforderungen an den Verschmelzungsvertrag gemäß des EU-VerschG ein und geben Tipps zur Gestaltung des Verschmelzungsplans.

Einleitung

Das in Umsetzung der der Sicherung von Niederlassungsfreiheit und des freien Kapitalverkehrs dienenden Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten („RL“) ergangene Bundesgesetz über die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften in der Europäischen Union („EU-VerschG“) normiert die nach österreichischem Recht bestehenden Rahmenbedingungen einer grenzüberschreitenden Verschmelzung („gV“).

Kernstück und rechtsgeschäftliche Grundlage einer gV ist die Aufstellung eines Verschmelzungsplans (§ 5 EU-VerschG) durch hierzu fähige Rechtspersonen. Diese werden in § 3 EU‑VerschG abgegrenzt und sind auf österreichischer Seite insb AGs und GmbHs, nicht aber Privatstiftungen oder Genossenschaften (ErläutRV 171 BlgNR 23. GP 4).

Im Folgenden soll auf praxisrelevante Vorgaben österreichischen Rechts für die Aufstellung eines Verschmelzungsvertrags näher eingegangen werden.

Rechtliche Qualifikation des Verschmelzungsplans

Ungeachtet der Parallelen zwischen dem Verschmelzungsplan iSv § 5 EU-VerschG und dem Verschmelzungsvertrag iSv § 220 AktG sieht das EU-VerschG in Übereinstimmung mit Art 5 der RL die Aufstellung eines Plans und nicht eines Vertrags vor; seine Umsetzung ist aufgrund seines rechtlichen Charakters klagsweise nicht durchsetzbar. Den an der gV beteiligten Personen steht es allerdings frei, einen dem Inhalt eines Verschmelzungsplans entsprechenden schuldrechtlichen Vertrag abschließen und diesem bindende Wirkung beizumessen (Hable/Gassner, EU-VerschG 84).

Form des Verschmelzungsplans

§ 5 Abs 1 EU-VerschG bestimmt, dass die Vorstände (Art 5 der RL folgend die „Leitungs- und Verwaltungsorgane“) der sich verschmelzenden Gesellschaften einen gemeinsamen Plan für die grenzüberschreitende Verschmelzung aufzustellen haben. Hierunter ist zu verstehen, dass rechtsgeschäftliche Basis der gV ein von den beteiligten Gesellschaften abzuschließender inhaltlich identer Verschmelzungsplan ist, der jedoch auch in separaten Urkunden abgeschlossen werden kann (Gassner/Hable, GeS 2009, 168).

Der Verschmelzungsplan bedarf der notariellen Beurkundung (§ 5 Abs 3 EU-VerschG), worunter die Form des Notariatsakts zu verstehen ist (ErläutRV 171 BlgNR 23. GP. 11). Zusätzlich haben die Formvorschriften des auch maßgeblichen fremden Rechts, dem der nicht-österreichische Rechtsträger unterliegt, beachtet zu werden. Dies kann dazu führen, dass die österreichische Notariatsaktspflicht auch der anwendbaren ausländischen Formvorschrift genügt, weil diese weniger oder gleich streng ist, wie etwa das reine Schriftformgebot in Spanien oder Rumänien (Inwinkl, ZfRV 2008/11). Im Einzelfall kann aber auch eine doppelte Beurkundung erforderlich sein. Im deutsch-österreichischen Rechtsbereich, in dem die überwiegende Anzahl an gV stattfindet, wird die Beurkundung durch einen deutschen Notar den österreichischen Notariatsakt (Frotz in Frotz/Kaufmann, Grenzüberschreitende Verschmelzungen § 5 öEU-VerschG RN 35) und ein österreichischer Notariatsakt die Beurkundung durch einen deutschen Notar (Mader, RWZ 2011/32, 99 mwN) ersetzen bzw gleichzusetzen sein.

Der Abschluss des Verschmelzungsplans kommt dem Vorstand im Außenverhältnis in vertretungsbefugter Anzahl zu, die Aufstellung im Innenverhältnis ist Aufgabe des Gesamtvorstands (Grünwald in Helbich/Wiesner/Bruckner, HB Umgründungen Art I Verschmelzung-Handelsrecht Rz 17).

Liegt im Übrigen ein Formmangel vor, wird dieser mit Eintragung der gV im Firmenbuch geheilt (§ 3 Abs 2 EU-VerschG iVm § 225 Abs 3 Z 4 AktG).

Sprache des Verschmelzungsplans

Die eine Anwendung des EU-VerschG bedingende Beteiligung von Kapitalgesellschaften mehrere Mitgliedstaaten der EU oder des EWR („MS“) führt regelmäßig dazu, dass die Gerichte der beteiligten MS unterschiedliche Amtssprachen zu beachten haben; hierzu sieht das EU-VerschG keine Regelungen vor.

Möglich ist es, entweder den Verschmelzungsplan samt seiner Beilagen in einer authentischen, allenfalls für alle beteiligten Gesellschaften neutralen, Sprache zu erstellen und anschließend zur Vorlage an die Registergerichte (in Österreich beglaubigt; vgl § 53 Geo, § 62 NO, § 128 AktG) übersetzen zu lassen, oder aber den Plan mehrsprachig aufzustellen. Im letztgenannten Fall ist eine für die Auslegung maßgebliche Sprache zu bestimmen; hier sollte der Amtssprache jenes Landes, in dem die übernehmende Gesellschaft ihren Sitz hat, der Vorzug gegeben werden, weil sich maßgebliche Fragen nach dem Recht dieses Landes bestimmen (Schwab, GesRz 2012, 103).

Inhalt des Verschmelzungsplans

§ 5 Abs 2 EU-VerschG, der bei einer gV § 220 AktG verdrängt, sieht einen zwingenden Mindestinhalt des Verschmelzungsplans vor, der von der an der gV beteiligten österreichischen Gesellschaft zu erfüllen ist. Zusätzlich sind die zwingenden Vorgaben des für die weitere(n) beteiligte(n) Gesellschaft(en) maßgeblichen nationalen Rechts zu beachten, sodass sich – weil unter Berücksichtigung aller anwendbaren verschmelzungsrechtlichen Normen ein inhaltlich gleicher Verschmelzungsplan aufzustellen ist – im Ergebnis der strengste Rechtsstandard durchsetzt (Gassner/Hable, GeS 2009, 168).

Der nach österreichischem Recht vorgesehene Mindestinhalt des Verschmelzungsplans entspricht weitgehend § 220 Abs 2 AktG. Darüber hinausgehend sind außerdem va auch Angaben

  • über die voraussichtlichen Auswirkungen der gV auf die Beschäftigung, insb auf die in den beteiligten Gesellschaften beschäftigten Arbeitnehmer, die Beschäftigungslage und die Beschäftigungsbedingungen (hierbei ist insb auf individual- und kollektivvertragliche Folgen für Arbeitnehmer einzugehen, aber auch auf Pläne über Standort und Arbeitsplätze bei der übernehmenden Gesellschaft);
  • gegebenenfalls (nämlich dann, wenn sich die Mitbestimmung nicht nach dem Recht des MS richtet, dem die übernehmende Gesellschaft unterliegt) zu dem Verfahren, nach dem die Einzelheiten über die Beteiligung von Arbeitnehmern an der Festlegung ihrer Mitbestimmungsrechte in der aus der grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgehenden Gesellschaft geregelt werden;
  • zur Bewertung des Aktiv- und Passivvermögens der übertragenden Gesellschaft (Angabe, ob in Bezug auf das übertragene Vermögen eine Neubewertung oder Buchwertfortführung iSv 202 AktG erfolgt);
  • zum Stichtag der Jahresabschlüsse der an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften, die zur Festlegung der Bedingungen der grenzüberschreitenden Verschmelzung verwendet werden (dies sind nach hM die Stichtage der Jahresabschlüsse, aus denen die für die Unternehmensbewertung relevanten Vergangenheitsergebnisse gewonnen werden; so Eckert in Kalss, Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung2 § 5 EU-VerschG Rz 26); und
  • im Fall der Exportverschmelzung zu den Bedingungen der Barabfindung für den Austritt eines Gesellschafters (vgl § 10 EU-VerschG), außer es liegt eine Ein-Mann-Gesellschaft vor oder die Gesellschafter verzichten in der Niederschrift zur Gesellschafterversammlung auf ihr Recht auf Barabfindung;

zu enthalten (Fida/Rieder, ecolex 2007, 685). Zwingender Inhalt des Verschmelzungsplans ist weiters die Satzung oder der Gesellschaftsvertrag der aus der Verschmelzung hervorgehenden Gesellschaft, allenfalls auch durch Anschluss der Satzung als Beilage zum Plan. Anders als gemäß § 220 Abs 2 AktG nicht erforderlich ist umgekehrt die Vereinbarung der Vermögensübertragung im Weg der Gesamtrechtsnachfolge.

Zulässig ist es, in den Verschmelzungsplan über dessen Mindestinhalt hinausgehend fakultative Regelungen aufzunehmen.

Prüfung des Verschmelzungsplans

Der Verschmelzungsplan ist durch einen vom Aufsichtsrat bestellten Verschmelzungsprüfer zu prüfen, wobei, über § 220b AktG hinausgehend, insb auf die Angemessenheit der Barabfindung für den Austritt eines Gesellschafters sowie im Fall der Exportverschmelzung auf die Höhe des Nennkapitals und der gebundenen Rücklagen der beteiligten Gesellschaften einzugehen ist (§ 7 EU-VerschG). Ferner hat eine Prüfung durch den Aufsichtsrat zu erfolgen, die § 220c AktG entspricht und auf dem Verschmelzungs- und Prüfbericht basiert (Artl, FJ 2008, 85). Ausschließlich die Prüfung durch den Verschmelzungsprüfer ist verzichtbar (§ 7 Abs 1 EU-VerschG).

Über die Autoren

Dr. Stefan Schermaier ist Rechtsanwalt und Partner, Mag. Dorian Schmelz wissenschaftlicher Mitarbeiter bei TONNINGER | SCHERMAIER | MAIERHOFER & PARTNER RECHTSANWÄLTE (http://www.tsm-law.at). Schwerpunkttätigkeiten der Autoren sind Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, M & A, Schadenersatz- und Gewährleistungsrecht sowie Vertragsrecht.