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Florian Linder - Lukas Schenk | News | 08.03.2012

Die Gefahren einer Limited – Untreue des „Director“

Die Gastautoren Dr. Linder und Dr. Schenk gehen in ihrem Gastbeitrag anhand der Rechtsprechung des deutschen BGH näher auf die möglichen Gefahren, die beim Führen einer Limited auftreten können, ein.

Nach den EuGH-Entscheidungen „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“ ist die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft unabhängig von ihrem Verwaltungssitz nach dem Recht zu beurteilen, nach dem sie gegründet wurde (sogenannte Gründungstheorie). Seither ist es möglich, mit einer britischen Limited in Deutschland oder Österreich wirtschaftlich tätig zu werden. Dies birgt jedoch auch Gefahren. So sind die Rechte und Pflichten eines „Director“ einer Limited nach dem Recht des Herkunftsstaats zu beurteilen. Der deutsche BGH hat dies zuletzt auch für die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Directors wegen Untreue bejaht.

In dem vom BGH (13.04.2010, 5 StR 428/09) entschiedenen Sachverhalt gründeten zwei Personen mit dem Wohnsitz in Deutschland eine Limited nach dem Recht der British Virgin Islands, um hochwertige Unterhaltungselektronik des dänischen Herstellers Bang & Olufsen aus Deutschland nach Russland unter Umgehung dortiger Einfuhrsteuern zu exportieren. In der Folge kam es zu Malversationen durch einen Director, insbesondere überwies sich dieser einen Betrag von EUR 1,8 Mio von den Konten der Limited auf seine privaten Konten in Österreich.

Der BGH führte zunächst aus, dass die bloße Absicht der Gründer, mit Hilfe der Limited russische Einfuhrabgaben zu verkürzen, nicht zu einer Nichtigkeit der Gesellschaft führt. Nach den Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“ ist vielmehr von der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft mit dem Verwaltungssitz in Deutschland auszugehen.

Allgemein ist anerkannt, dass innergesellschaftliche Rechtsfragen der Limited, beispielsweise solche der Kapitalausstattung oder der Rechte und Pflichten ihrer Organe dem Recht des Herkunftsstaats unterliegen, unabhängig davon, wo der Verwaltungssitz der Gesellschaft liegt (siehe Heinz, Die englische Limited § 2 Rz 1). Im vorliegenden Fall hat der BGH nun darüber hinaus ausgeführt, dass auch für die Beurteilung der Pflichten des Director im Rahmen des deutschen Untreuetatbestands gemäß § 266 Abs 1 dStGB auf das ausländische Gesellschaftsrecht zurückzugreifen sei. Während das deutsche StGB den tatbestandsmäßigen Erfolg und die ihn herbeiführende Handlung festlegt, ist das normative Tatbestandsmerkmal der Pflichtwidrigkeit nach dem ausländischen Gesellschaftsrecht zu konkretisieren. Die von Teilen der Literatur erhobenen Bedenken mit Blick auf das Demokratieprinzip hat der BGH verworfen (vgl Rönnau, ZGR 2005, 832, 836; Altenhain/Wietz, NZG 2008, 569, 572). Die Zuständigkeit deutscher Strafgerichte ergab sich daraus, dass die Tathandlung (Durchführung der Überweisung) in Deutschland vorgenommen wurde.

Die Ausführung des BGH sind auch auf die österreichische Rechtslage übertragbar (siehe Juhász/Schmoller, ZFR 2011, 265). Gemäß § 153 Abs 1 StGB begeht eine Untreue, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht. Auch österreichische Strafgerichte müssten die maßgeblichen Vorschriften des ausländischen Rechts sowie die Satzung der Limited und gegebenenfalls weitere Abreden berücksichtigen, die die Verhaltenspflichten des Director festlegen, um das Vorliegen des Tatbestands gemäß § 153 Abs 1 StGB beurteilen zu können. Der Tatbestand der Untreue ist dabei insofern ein Sonderfall, weil zur Beurteilung der Vermögensverwaltungsbefugnis und dessen Missbrauchs auf die Rechte und Pflichten im Innenverhält-nis zwischen Director und Limited abzustellen ist. Bei anderen Tatbeständen ist eine Berücksichtigung des Innenverhältnisses von vornherein nicht erforderlich, beispielsweise bei Begehung eines Betrugs. Sofern beispielsweise ein Betrug im Inland begangen wird, ergibt sich die Strafbarkeit des Director genuin aus § 146 iVm § 62 StGB, ohne dass das Recht des Herkunftsstaats zu berücksichtigen wäre.

Ein weiterer Aspekt verdient Beachtung. Nach dem BGH ist zu prüfen, ob nach dem Gesellschaftsrecht des Herkunftsstaats ein „Durchgriffsanspruch“ eines Gesellschafters einer Limited gegen die Gesellschaft besteht. Darunter soll ein Anspruch des Gesellschafters auf Leistung aus dem Gesellschaftsvermögen außerhalb einer formellen Gewinnausschüttung zu verstehen sein. Nach österreichischem Recht ist ein solcher Anspruch grundsätzlich ausgeschlossen (vgl § 82 GmbHG). Sollte sich ein solcher Anspruch jedoch aus dem ausländischen Gesellschaftsrecht ergeben, so könnte allenfalls schon der Tatbestand der Veruntreuung nicht verwirklicht sein. Jedenfalls könnte es an der subjektiven Tatseite fehlen, die auf den wissentlichen Missbrauch der Vermögensverwaltungsbefugnis abstellt, wenn der Director gutgläubig davon ausging, Anspruch auf das Gesellschaftsvermögen zu haben. Allerdings kennt auch das Recht der Limited Vorschriften zum Kapitalschutz, die verdeckte Vermögensverlagerungen verhindern sollen (vgl. Bachner, Die Limited in der Insolvenz 41 ff). Das eigenmächtige Abziehen von Gesellschaftsvermögen ist aus strafrechtlicher Sicht daher jedenfalls kritisch.

Darüber hinaus sind zivilrechtliche Rechtsfolgen denkbar, beispielsweise eine Schadenersatzhaftung des Director wegen Verletzung der fiduciary duty oder der duty of care and skill (Heinz, Die englische limited § 5 Rz 10). Nach englischem Recht kommt zudem der Ausspruch einer disqualification (eine Art Berufsverbot für bis zu 15 Jahre) durch das Gericht in Betracht. Es ist allerdings völlig ungeklärt, ob die Vorschriften über die disqualification auch von einem österreichischen Gericht anzuwenden wären (vgl. Bachner, Die Limited in der Insolvenz 94 ff).

Für die Praxis zeigt das Urteil des BGH, dass die Verletzung der organschaftlichen Pflichten des Director, die nach dem Herkunftsstaat zu beurteilen sind, auch vor österreichischen Gerichten strafrechtliche Folgen haben kann. Die Übernahme einer Funktion als „Director“ Limited kann ein nicht unbeachtliches Risiko darstellen. Die genaue Kenntnis der Verhaltensanforderungen, die das ausländische Gesellschaftsrecht an den Director stellt, ist daher von wesentlicher Bedeutung.

Neben den Vorschriften des ausländischen Gesellschaftsrechts, deren Verletzung insbesondere straf- sowie haftungsrechtliche Folgen haben kann, haftet ein Director im Übrigen auch für die Einhaltung aller Tatbestände des österreichischen Rechts, die nicht an das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis anknüpfen. Beispielsweise ist der Director für die ordnungsgemäße Abführung von Steuern und Sozialversicherungsabgaben in Österreich verantwortlich und haftet bei einer schuldhaften Verletzung dieser Pflichten persönlich nach Maßgabe der §§ 9 BAO, 67 Abs 10 ASVG.

Autoren

Dr. Lukas Schenk:

Dr. Lukas Schenk ist Partner bei Viehböck Breiter Schenk & Nau Rechtsanwälte, Wien/Mödling. Er war als Universitätsassistent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien sowie bei der Europäischen Kommission in Brüssel tätig. Dr. Lukas Schenk ist ständiger Vortragender an der Akademie der Wirtschaftstreuhänder. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Unternehmenstransaktionen, Gesellschaftsrecht und Gesellschafterausschluss, Umstrukturierungen, Vergabe- sowie Arbeitsrecht.
Lukas.schenk@vbsn.at

MMag. Dr. Florian Linder:

MMag. Dr. Florian Linder ist Rechtsanwalt bei Viehböck Breiter Schenk & Nau Rechtsanwälte, Wien/Mödling. Er ist als Lektor an der Wirtschaftsuniversität Wien tätig sowie ständiges Redaktionsmitglied der Zeitschrift für Finanzmarktrecht. Dr. Florian Linder war Universitätsassistent am Institut für Zivil- und Unternehmensrecht der Wirtschaftsuniversität Wien. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Unternehmensrecht, Kapitalmarktrecht, Insolvenzrecht, allgemeines Zivil- und Vertragsrecht sowie Litigation.
Florian.linder@vbsn.at