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Georg Streit | News | 21.01.2014

Die Reform der Reform: wie ein paar Zahlen große Folgen haben könn(t)en …

Die kurze Geschichte einer österreichischen Panne: Mag. Georg Streit erläutert kritisch die geplante GmbH-Reform, wodurch die GmbH light wieder abgeschafft und das Stammkapital angehoben werden soll. Welche möglichen Folgen hat das für die Praxis?

Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ist seit vielen Jahrzehnten aus dem Wirtschaftsleben nicht wegzudenken. Sie zählt zu den beliebtesten und praktischsten Gesellschaftsformen für österreichische Wirtschaftstreibende. Gesellschaften mit beschränkter Haftung gibt es mittlerweile auch in der Ausformung der gemeinnützigen GmbH, was ihren Einsatzbereich nochmals erweiterte. Im Firmenbuch sind weit über 100.000 GmbHs registriert. Dennoch blieben die auch in den vergangenen Jahren zulaufend reduzierten Formalvoraussetzungen für die Gründung einer GmbH in der Kritik. Zu hoch sei die Kapitalhürde, um in Österreich Gesellschafter ohne persönliche Haftung zu werden. Der Gesetzgeber reagierte vor rund einem halben Jahr darauf und versuchte, das Erfolgsmodell noch attraktiver zu machen. Nun aber dürfte auch die Regierung/der Gesetzgeber unter dem Druck eines „Budgetlochs“ (oder wie auch immer die Politiker verschiedener Parteien den Überschuss an Ausgaben gegenüber den Einnahmen des Staates bezeichnen mögen) die vorhersehbaren Folgen erkannt zu haben und versuchen das Rad der Zeit zurückzudrehen.

Wie alles begann

Mit dem Gesellschaftsrecht-Änderungsgesetz 2013 (BGBl I Nr 109/2013 vom 2.7.2013) wurde mit Wirkung ab dem 1.7.2013 in § 6 Abs 1 GmbHG der Betrag „35.000“ durch den Betrag „10.000“ ersetzt. Konsequenterweise wurde § 10 Abs 1 2. Satz der Betrag „17.500“ durch den Betrag „5.000“ ersetzt. Damit wurde bekanntlich die Hürde der Aufbringung eines Betrags von mindestens EUR 17.500,00 bei der Gründung einer GmbH durch die gründungswilligen Gesellschafter auf weniger als ein Drittel dieses Betrages gesenkt, somit auch unter den für eine GmbH-Gründung in Deutschland aufzubringenden Betrag von EUR 25.000.

Erklärter Wille des Gesetzgebers war es, die Anzahl der GmbH-Gründungen zu steigern. Die Regierungsvorlage sprach von zumindest 9.000 jährlichen GmbH-Gründungen (gegenüber 8.000 davor). Die Regierung hatte es sich zum Ziel gesetzt, dass jenen Unternehmern, die ihre unternehmerische Tätigkeit nur mit einer geringen Kapitalausstattung beginnen können, auch die Rechtsform der GmbH zugänglich gemacht werden soll. Den radikalen Schritt der Absenkung des für die GmbH-Gründung aufzubringenden Stammkapitals auf deutlich weniger als ein Drittel erklärte die Regierungsvorlage (2356 der Beilagen XIVGP) allerdings nicht näher. „Die Seriosität der österreichischen GmbH ist uns wichtig und bleibt auch weiterhin erhalten“ erklärte die damalige Justizministerin im März 2013. Als Beitrag zur Erleichterung von Unternehmensgründungen, der die wirtschaftliche Dynamik des Standortes Österreich, gerade in wirtschaftlich volatilen Zeiten erhöhen könnte, wurde das Vorhaben gelobt. Kritiker hingegen sahen ein „falsches Signal“, dass man fast ohne Eigenkapital ein Unternehmen gründen könne oder den „Ausverkauf der österreichischen GmbH", die nun ein „Diskont-Label“ erhalte und erklärten den Tag der Veröffentlichung des Begutachtungsentwurfs als „schwarzen Tag für die österreichische GmbH."

Immerhin erkannten die Autoren der Regierungsvorlage schon, dass durch das Absenken des GmbH-Mindeststammkapitals eine Reduktion der Einnahmen aus der Körperschaftsteuer zu erwarten ist. Dieser Erwartung und der Sorge um den zusätzlichen Arbeitsaufwand für die Firmenbuchrechtspfleger begegnete die Regierungsvorlage aber mit der Prognose des entsprechenden Anstiegs der Einnahmen aus Gerichtsgebühren. In Kauf genommen wurde, dass „es zu geringfügigen Abweichungen zwischen Ergebnis- und Finanzierungshaushalt kommen“ kann. Auch der „Aufkommensentfall an Kapitalertragssteuer“ aufgrund der mit der Reform verbundenen Möglichkeit der Herabsetzung des Mindeststammkapitals wurde in der Regierungsvorlage bereits berücksichtigt. Die Regierungsvorlage ging davon aus, dass ca 25.000 bestehende GmbHs zwischen 2014 und 2017 die Möglichkeit, das Stammkapital auf EUR 10.000 herabzusetzen, nutzen würden. Die Ausfälle für das Budget würden erst ab 2014 wirken und bis 2017 kumuliert EUR 180 Millionen betragen - für 2014 und 2015 je EUR 50 Millionen und in den beiden Folgejahren je EUR 40 Millionen Euro. Letztlich sollte mittelfristig die Steigerung der Attraktivität der GmbH durch die geplante Maßnahme all diese Nachteile aufwiegen. Eine Evaluierung war für 2017 angekündigt.

Vom Erfolg überrascht

Die „Reform“ zeigte rasch Wirkung: Laut Angaben der Regierung wurden bereits im Juli 2013 um 14 %, im August um 72 % mehr GmbHs gegründet als im Vergleichsmonat 2012, also deutlich über Plan. Der Trend setzte sich fort, insgesamt wurden im Jahr 2013 über 9.400 GmbHs gegründet. Offenbar war das aber zu viel des Guten. Denn wie nun bekannt wurde, will man dem zarten Pflänzchen GmbH-Reform nicht mehr bis 2017 Zeit geben, um sich zu vollends zu entfalten und Blüten zu zeigen. Offenbar wurde die Regierung nun davon überrascht, dass ihre Pläne aufgingen und sie beim Wort genommen wurde.

Denn nur gut ein halbes Jahr nach der Einführung der „10.000-Euro-GmbH“ wurde diese zum ungeliebten Kind der Regierung und soll dem Ziel der Erreichung eines strukturellen Nulldefizits des österreichischen Bundesbudgets bis 2016 geopfert werden oder anders ausgedrückt: beitragen dem Auseinanderdriften von Einnahmen und Ausgaben des Staates entgegenzuwirken.

Unverblümt offenbart der Ministerialentwurf für ein „Abgabenänderungsgesetz 2014 – AbgÄG“ (2014 3/ME XXV. GP) das Bedürfnis nach „Rückgängigmachung“ des Kapitalertragsteuerausfalls und des Körperschaftsteuerausfalls aus der GmbH-Reform des Sommers 2013. Das soll bis 2018 in Summe EUR 340 Millionen einbringen.

Zurück zum Start

Die Rückgängigmachung besteht darin, dass wieder die „alten“ Beträge von EUR 35.000 bzw EUR 17.500 als Mindesterfordernisse für GmbH-Gründungen eingeführt werden. Der Ministerialentwurf ist aber optimistisch, dass sich durch die Maßnahmen im Zusammenhang mit dem GmbH-Mindeststammkapital „nichts an der mit dem GesRÄG 2013 bewirkten Attraktivität der GmbH auch für Gründer mit geringen finanziellen Mitteln ändern“ sollte.

Wie kann das gelingen? Die Regierung stellt sich das wieder ganz einfach vor, nachdem sie einen Blick über die Grenze geworfen hat: Vorbild für die Neuregelung des GmbH-Gründungsrechts war offenbar die 2008 eingeführte deutsche Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), kurz UG (haftungsbeschränkt). Es soll nach dem Ministerialentwurf weiterhin möglich sein, eine GmbH mit finanziellen Mitteln von nur EUR 5.000 zu gründen. In den ersten zehn Jahren müssen die Gesellschafter „nur“ eine persönliche Haftung für weitere EUR 5.000 in Kauf nehmen. Die Anzahl der jährlichen GmbH-Gründungen soll damit auch ab dem Jahr 2014 weiterhin dauerhaft zumindest 9.000 betragen, so der Gesetzesentwurf.

Die Regierung hat es eilig. Das In-Kraft-Treten des AbGÄG 2014 ist schon für den 1.3.2014 vorgesehen. Kurz gefasst soll es nach dem 6 Absätze umfassenden § 10b GmbHG in einer auf maximal zehn Jahre befristeten Anfangsphase der unternehmerischen Tätigkeit möglich sein, durch Regelungen im Gesellschaftsvertrag Erleichterungen hinsichtlich des auf die Stammeinlagen mindestens einzuzahlenden Betrags und der Verpflichtung zur Zahlung weiterer Beträge auf die Stammeinlagen in Anspruch zu nehmen. Es soll ausreichen, dass zunächst nur ein Betrag von EUR 5.000 in bar aufgebracht wird, die Verpflichtung zur Leistung zusätzlicher Beträge auf die übernommenen Stammeinlagen kann auf weitere EUR 5.000 beschränkt werden. Allerdings müssen diese Bestimmungen schon in der ursprünglichen Fassung des Gesellschaftsvertrags enthalten sein, die nachträgliche Aufnahme ist nicht mehr möglich. Darauf wird vor allem von Beratern potentieller Gesellschaftsgründer, also in erster Linie Rechtsanwälten und Notaren, zu achten sein.

Innerhalb von zehn Jahren ab der Gründung müssen die Gesellschafter die von ihnen geleisteten Einlagen auf das gesetzliche Mindestmaß, also zumindest EUR 17.500 erhöhen. Um das zu ermöglichen müssen sie ein Viertel ihres Jahresgewinns einer besonderen gesetzlichen Rücklage – Gründungsrücklage genannt – zuführen. Die Gründungsrücklage kann erst aufgelöst werden, wenn das Kapital EUR 17 500 erreicht.

Sobald dieser Mindesteinzahlungsgrad erreicht wurde, kann die Gründungsprivilegierung durch eine Änderung des Gesellschaftsvertrags auch vorzeitig beendet werden; ansonsten endet sie jedenfalls zehn Jahre nach der Eintragung der GmbH im Firmenbuch. Die Gründungsrücklage darf allerdings trotz Ablaufs der Zehnjahresfrist nicht aufgelöst werden, solange die reguläre Mindesteinzahlung nicht tatsächlich erfolgt ist bzw durch die Auflösung erfolgen kann.

Einen Namenszusatz bekommt eine solche GmbH bis dahin auch, sie muss solange als „(gründungsprivilegiert)“ gekennzeichnet werden, bis das eingezahlte Stammkapital EUR 17.500 beträgt.

GmbHs, die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des AbgÄG 2014 schon bestehen und ein geringes Stammkapital als EUR 35.000 und ein geringeres eingezahltes Stammkapital als EUR 17.500 aufweisen, müssen spätestens in 10 Jahren eine Kapitalerhöhung durchführen. Bis dahin müssen auch sie ein Viertel ihres jährlichen Bilanzgewinns in eine besondere gesetzliche Rücklage einstellen. Eine weitere Einnahmequelle nutzt die Regierung (noch?) nicht: Gesellschaften, deren Stammkapital weniger als EUR 35.000 beträgt, sollen bei der Anmeldung der obligatorisch durchzuführenden Kapitalerhöhung zum Firmenbuch von der Eintragungsgebühr befreit sein (§ 127 Abs 14 und 15 GmbHG idF AbgÄG).

Offen bleiben einige Fragen, etwa was geschieht, wenn die Kapitalerhöhung innerhalb von zehn Jahren nicht erfolgt. Die Löschung aus dem Firmenbuch von Amts wegen wäre eine Variante, auch die Verpflichtung der Gesellschafter zur Auffüllung des Stammkapitals. Aber wer hätte diese einzufordern? Und könnten Gläubiger der Gesellschaft (indirekt) auf die Gesellschafter zugreifen, wenn diese das Stammkapital nicht auffüllen? Da die Gründungsrücklage bzw die besondere Rücklage zur Auffüllung des Stammkapitals ja aus dem jährlichen Gewinn gespeist wird, stellt sich die Frage, welche Folgen die Gründung einer privilegierten Gesellschaft hat, die schlicht keinen Gewinn erzielt? Kommt hier eine Haftung auf den Geschäftsführer zu? Wie sich die Verpflichtung zur Verwendung des Jahresgewinns zur Dotierung der besonderen Rücklage auf die Bonität der Gesellschaft auswirkt, wird wohl auch ein harter Praxistest werden.

Man muss wahrlich kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass das GmbHG schon in kurzer Zeit weitere Reformen erfahren wird. Für ausreichend Unklarheiten, die die von der Rechtsprechung zu beseitigen sein werden, hat der Gesetzgeber jetzt schon gesorgt.

Autor

Mag. Georg Streit ist seit 2000 Rechtsanwalt und seit 2001 Partner bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Immaterialgüterrecht, Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht, Rundfunkrecht und Vergaberecht. Weiters ist er Lektor an den Universitäten Wien und Salzburg, Vortragender bei Seminaren und Lehrgängen.

Für WEKA ist er Herausgeber des Newsletters für Gesellschaftsrecht Online sowie für das Werk „Personengesellschaften in Fallbeispielen“.

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