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Georg Streit | News | 04.09.2012

Die Reform der Regelungen über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts

Die Regelungen über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts sollen 200 Jahre nach ihrem In-Kraft-Treten einer Reform unterzogen werden. Mag. Streit gibt in seinem Beitrag einen Kurzüberblick über die geplanten Neuerungen.

Das 27. Hauptstück des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) „von dem Vertrage über eine Gemeinschaft der Güter“ ist seit dem In-Kraft-Treten des ABGB weitgehend unverändert geblieben. Die §§ 1175 ff ABGB regeln die Entstehung einer Gesellschaft, den Gesellschaftsbegriff, einige inhaltliche Fragen des Verhältnisses der Gesellschafter und den Austritt. Diese Regelungen waren lange in Diskussion. Neben der Gesellschaft bürgerlichen Rechts haben sich auch andere Gesellschaftsformen im Bereich der Personengesellschaften (OG, KG, zwischenzeitig auch die eingetragenen Erwerbsgesellschaften OEG und KEG, die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung EWIV) sowie der Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, SE) entwickelt. Die GesbR hat alle diese neuen Gesellschaftsformen überlebt und ist nach wie vor fester Bestandteil der Rechtsordnung. Nun liegt ein Diskussionsentwurf des Justizministeriums über die neue Regelung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts vor.

Der ministerielle Entwurf

Der Entwurf sieht vor, dass der bisherige Text des 27. Hauptstücks des ABGB gänzlich geändert wird. Erhalten bleibt nur der Titel. Das 27. Hauptstück soll in sieben Abschnitte gegliedert werden, jeder Paragraph erhält eine eigene Überschrift (auch bisher sind nahezu alle Paragraphen des 27. Hauptstücks mit einer eigenen Überschrift versehen).

Die Neureglung orientiert sich an den Bestimmungen des UGB, wo es Verweise gibt, sind diese im Gesetzestext explizit genannt. Das neue Recht über Gesellschaften bürgerlichen Rechts orientiert sich maßgeblich an den Vorschriften über die Offene Gesellschaft (OG), sodass es zu einer Harmonisierung der beiden Rechtsformen kommen soll. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts soll aber auch in Zukunft keine eigene Rechtsfähigkeit haben, weshalb nach wie vor Sonderregelungen vor allem im Bereich der Vermögensordnung, der Vertretung, der Rechtsnachfolge und der Umwandlung vorgesehen sind.

Die sieben Abschnitte umfassen allgemeine Bestimmungen, Regelungen über die Rechtsverhältnisse der Gesellschafter untereinander, Rechtsverhältnisse zu Dritten, Gesellschafternachfolge, Umwandlung und Auflösung, sowie die Liquidation der Gesellschaft. Im ersten ministeriellen Entwurf wurde die Anzahl der Paragraphen leicht erweitert (zusätzliche Paragraphen wurden mit Sub-Nummerierungen versehen: § 1218a bis § 1218c).

Zentraler Punkt der Neudefinition des Zwecks und Gegenstandes der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist, dass diese nun jeden erlaubten Zweck verfolgen und jede erlaubte Tätigkeit zum Gegenstand haben kann. Sie steht somit sowohl für unternehmerische, als auch für nichtunternehmerische Zwecke zur Verfügung. Insbesondere auch für ideelle Zwecke, was bisher nicht so klar war.

Auch in Zukunft kommt der Privatautonomie Vorrang zu, gesetzliche Regelungen bleiben – wie bisher – bis auf wenige Ausnahmen dispositiv. Die Gestaltung des Gesellschaftsvertrages ist daher weitgehend frei.

Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts soll auch in Zukunft keine eigene Rechtsfähigkeit besitzen. Ab einer gewissen Mindestgröße (im Diskussionsentwurf war von EUR 400.000,– Jahresumsatzerlös die Rede) soll es verpflichtend sein, eine OG oder KG zu gründen.

Die Regelungen über die Geschäftsverhältnisse der Gesellschafter zueinander orientieren sich an den entsprechenden Bestimmungen des UGB (§§ 108 bis 122). Für außergewöhnliche Geschäfte soll nach dem Diskussionsentwurf in Hinkunft das Einstimmigkeitsprinzip gelten, verbunden mit dem Recht zur Klage auf Zustimmung eines Gesellschafters gegen willkürliche Blockaden anderer Gesellschafter.

Bei der gewinnbringenden Verlustverteilung legt der Entwurf eine von den OG-Regelungen abweichende Vorgangsweise fest. Die Mitwirkung dieser Gesellschafter an der Tätigkeit der Gesellschaft ist nach dem Diskussionsentwurf „angemessen zu berücksichtigen“, wenn die Gesellschafter nicht im gleichen Ausmaß ihr persönliches Engagement einbringen. Die Vertretungsregelung des § 178 UGB für bloße unternehmerische Gesellschaften bürgerlichen Rechts soll nach dem Diskussionsentwurf ganz allgemein gelten, § 178 UGB soll daher gestrichen werden. Die Regelungen über die Auseinandersetzung der verbleibenden Gesellschafter mit dem aussteigenden Gesellschafter, seine Beteiligung an schwebenden Mitgeschäften und über den Gesellschafterausschluss sind an jene des UGB für offene Gesellschaften (OG) angelehnt. Gleiches gilt für die Regelung über Auflösung und Liquidation.

Der Diskussionsentwurf gilt noch nicht als finalisiert, eine Vielzahl von Autoren hat sich mit diesem auseinandergesetzt und kritische Anmerkungen vorgebracht. Die zuvor zitierten Regelungen haben sich aber als Kern der Reform herauskristallisiert.

Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts wird daher einen etwas weiteren Anwendungsbereich bieten als bisher; die Reglungen sind klar und verständlich. Es ist davon auszugehen, dass es zu einer Renaissance der Gesellschaft bürgerlichen Rechts kommen wird, auch in der Beratungspraxis wird diese vielleicht einen höheren Stellenwert erlangen. Wann mit einer Umsetzung durch den Gesetzgeber zu rechnen ist, steht derzeit noch nicht fest, vielleicht erlebt die Gesellschaft bürgerlichen Rechts in ihrer derzeitigen Form also auch noch den einen oder anderen weiteren Geburtstag, bevor die geplante Reform in Kraft tritt. In diesem Newsletter werden Sie jedenfalls alle weiteren Entwicklungen rechtzeitig erfahren.

Autor

Mag. Georg Streit ist seit 2000 Rechtsanwalt und seit 2001 Partner bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Immaterialgüterrecht, Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht, Rundfunkrecht und Vergaberecht. Weiters ist er Lektor an den Universitäten Wien und Salzburg, Vortragender bei Seminaren und Lehrgängen.

Für WEKA ist er Herausgeber des Newsletters für Gesellschaftsrecht Online sowie für das Werk „Personengesellschaften in Fallbeispielen“.

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