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Stefan Schermaier - Dorian Schmelz | News | 31.01.2013

Die Vermögensverteilung bei der Abwicklung von Vereinen

Die Gastautoren befassen sich ua damit, wie mit einer unzulässigen Vermögensverteilung nach Abwicklung eines Vereins umgegangen werden kann. Können Lehrmeinungen oder RSpr zu Kapitalgesellschaften (wie jüngst in 6 Ob 110/12p) hier Anwendung finden?

Die Auflösung und Abwicklung von Vereinen

Die Rechtspersönlichkeit eines Vereins („Ver“) iSd Vereinsgesetzes 2002 („VerG“) endet mit der Eintragung der Auflösung, bei Notwendigkeit einer Abwicklung mit Eintragung von deren Beendigung im Vereinsregister (§ 27 VerG). Hierbei unterscheidet der Gesetzgeber die in der Praxis den Regelfall darstellende freiwillige (§ 28 VerG) von der nur in engen Grenzen möglichen behördlichen (§ 2 Abs 3, § 29 VerG) Auflösung.

Verfügt ein aufgelöster Verein über Vermögen, ist eine Abwicklung (Liquidation) erforderlich. Sie erfasst sämtliche Maßnahmen, die der Beendigung der Rechtsbeziehungen des Vereins und der Verwaltung und Verwertung seines Vermögens dienen. Ist kein Vereinsvermögen vorhanden, hat eine Abwicklung zu unterbleiben (Elhenický, Vereinsrecht [2011] Zu § 30 Abs 1 und 2).

Der in Abwicklung befindliche Verein wird durch den Abwickler vertreten. Ihm kommen in Erfüllung seiner Aufgabe alle nach den Statuten des aufgelösten Vereins den Vereinsorganen zukommenden Geschäftsführung- und Vertretungsrechte zu, wobei sich die in § 30 Abs 1 und 2 VerG normierte Vertretungsmacht des Abwicklers an den entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Regeln orientiert (VwGH 24.4.2007, 2006/05/0246). Ein behördlich bestellter Abwickler ist prinzipiell an Weisungen der Vereinsbehörde gebunden (§ 30 Abs 1 VerG). Die Abwicklung eines Vereins hat unter Wahrung der Interessen des Vereins zu erfolgen, wobei der Abwickler zur Einhaltung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Organwalters verpflichtet ist (ErlRV).

Der Abwickler hat das Vereinsvermögen zu verwalten und zu verwerten, noch laufende Geschäfte zu beenden, Forderungen einzuziehen und Gläubiger des Vereins zu befriedigen. Soweit zur Abwicklung erforderlich, darf der Verein auch neue Geschäfte abschließen. Vereinsvermögen ist grundsätzlich zu versilbern, sofern keine unentgeltliche Vermögensübertragung an dritte Personen zur Erfüllung des Vereinszwecks zulässig ist. Stellt sich im Zug der Vereinsabwicklung heraus, dass das Vereinsvermögen nicht zur Befriedigung sämtlicher Verbindlichkeiten ausreicht, hat ein Insolvenzantrag gestellt zu werden, wobei das Abwicklungsverfahren während der Dauer des Insolvenzverfahrens unterbrochen und nach dessen Beendigung erforderlichen Falls fortgesetzt wird; die Verwertung des Vereinsvermögens richtet sich im Insolvenzfall nach den Bestimmungen der IO.

Das nach Abwicklung des Verein verbleibende Vermögen ist, soweit möglich und erlaubt, dem statutarischen Zweck oder verwandten Zwecken, subsidiär Zwecken der Sozialhilfe zuzuführen (§ 30 Abs 2 VerG). An Vereinsmitglieder darf im Fall einer freiwilligen Vereinsauflösung das nach Befriedigung der Forderungen von Vereinsgläubigern verbleibende Vermögen aufgrund einer entsprechenden Bestimmung in den Statuten soweit verteilt werden, als es den Wert der von den Mitgliedern geleisteten Einlagen nicht übersteigt; dies kann etwa die Verteilung übrig gebliebener Mitgliedsbeiträge ermöglichen. Da der Verein selbst Träger des Vereinsvermögens ist, haben hingegen Vereinsmitglieder grundsätzlich keinen Anteil am Vereinsvermögen und sind auch nicht am Verein beteiligt, sodass ihnen kein über die geleisteten Einlagen hinausgehender Anspruch auf Rückzahlung eines Anteils am Sondervermögen des Vereins zukommt (OGH 20.1.2004, 4 Ob 239/09f; OGH 10.6.1999, 2 Ob 127/99m).

Nach Beendigung der Abwicklung des Vereins verliert dieser mit der dann konstitutiv wirkenden Eintragung seiner Auflösung im Vereinsregister seine Rechtspersönlichkeit.

Die Nachabwicklung von Vereinen

Stellt sich nach Beendigung des Vereins heraus, dass noch weitere Abwicklungsmaßnahmen erforderlich sind, lebt er für die Zeit der Nachabwicklung vorübergehend wieder auf. Die entsprechenden Eintragungen im Vereinsregister sind vorzunehmen. Es kommen die Bestimmungen über die Sicherung des Vereinsvermögens (§ 29 Abs 3 VerG) und die Abwicklung des Vereinsvermögens durch die Behörde oder einen von dieser bestellten Abwickler (§ 29 Abs 4 VerG), im Übrigen die allgemeinen Vorgaben über die Vereinsabwicklung (§ 30 Abs 1 bis Abs 5 VerG), sinngemäß zur Anwendung (§ 30 Abs 6 VerG). Hieraus folgt, dass eine Nachabwicklung nur dann durchzuführen ist, wenn (auch) neue Vermögenswerte des Vereins hervorkommen. Reichen diese nicht zur vollständigen Befriedigung neu hervorgekommener Verbindlichkeiten des Vereins aus, ist ein Insolvenzverfahren einzuleiten.

Rechtswidrige Vermögensverteilung

Gesetzlich nur kursorisch geregelt und – soweit ersichtlich – von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht geklärt ist die Verantwortlichkeit von Vereinsorganen, -mitgliedern und -begünstigten im Fall einer unzulässigen Vermögensverteilung. Dies kann etwa dann relevant sein, wenn sich nach Beendigung der Abwicklung eines Vereins Forderungen von Gläubigern herausstellen, zu deren Befriedigung kein (hinreichendes) Vereinsvermögen mehr besteht, zumal das VerG keinen § 208 AktG bzw § 91 Abs 1 GmbHG vergleichbaren Gläubigeraufruf kennt. Unserer Ansicht nach haben diesfalls die nachstehenden Prinzipien zu gelten.

Aufgrund des Trennungsprinzips besteht eine Verantwortlichkeit von Organwaltern und Mitgliedern eines Verein prinzipiell nur diesem gegenüber, geschädigten Dritten gegenüber hingegen „nur dann, wenn sich dies aus anderen gesetzlichen Vorschriften oder aufgrund persönlicher rechtsgeschäftlicher Verpflichtung ergibt“ (§ 23 VerG).

Organwalter haften dem Verein gegenüber für Verstöße gegen die sie treffende Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Organwalters (§ 24 Abs 1 VerG); diese Verantwortlichkeiten orientieren sich an den im Recht der Kapitalgesellschaften entwickelten Grundsätzen (Krejci/Bydlinsi/Weber-Schallauer, VerG 20022 § 23 Rz 5f), jedoch ist eine etwaige Unentgeltlichkeit der Tätigkeit des Organwalters eines Vereins zu berücksichtigen. Rechtswidrige Zuwendungen an Vereinsmitglieder begründen als Sorgfaltswidrigkeit im Fall eines schuldhaften Handelns eines Organwalters dessen Verantwortlichkeit gegenüber dem Verein (ähnlich Krejci/Bydlinsi/Weber-Schallauer, aaO,§ 30 Rz 12).

Rechtswidrig kann insb eine § 1 Abs 2 VerG widerstreitende Vermögenszuwendung sein; leg cit gebietet es, Vereinsvermögen nur im Sinn des Vereinszwecks zu verwenden und verbietet umgekehrt jede nicht in Erfüllung des Vereinszwecks erfolgende Ausschüttung von Vereinsvermögen. Diesem Ziel dient auch § 30 Abs 2 VerG, der strenge Voraussetzungen für eine Verteilung von Vereinsvermögen an Vereinsmitglieder setzt. Rechtswidrig können weiters Rechtsgeschäfte sein, die mangels eines zur vollumfänglichen Befriedigung sämtlicher Ansprüche von Gläubigern hinreichenden Vereinsvermögens zur Bevorzugung eines von mehreren Gläubigern führen. Sie durchführende Organwalter können schadenersatzpflichtig, entsprechende Geschäfte angefochten werden (Höhne/Jöchl/Lummerstorfer, Das Recht der Vereine3 S 319).

Ein Haftungsdurchgriff auf Organwalter kann außerdem bei deliktischen wie va strafrechtlich relevanten (zB §§ 158f StGB) Verhaltensweisen erfolgen.

Von Krejci (in JBl 2003, 713) wird weiters eine analoge Anwendung des § 17 Abs 2 PSG zu entnehmenden Grundgedankens eines Befriedigungsvorrangs von Stiftungsgläubigern vertreten. Ihm folgend dürfen Organwalter eines Verein Leistungen an Begünstigte zur Erfüllung des Vereinszwecks nur insoweit vornehmen, als Ansprüche von Vereinsgläubigern nicht geschmälert werden, andernfalls eine Haftung der Vereinsvermögen (insoweit rechtswidrig) verteilenden Organwalter gegenüber dem Verein eingreifen kann.

Eine Durchgriffshaftung von Vereinsmitgliedern ist in den – primär zum Recht der Kapitalgesellschaften entwickelten, auf Verein aber unter Umständen ebenso anwendbaren – Fällen einer faktischen Geschäftsführung eines Vereinsmitglieds und einer qualifizierten Unterkapitalisierung eines Verein denkbar (vgl Krejci/Bydlinsi/Weber-Schallauer, aaO,§ 23 Rz 18ff, 28ff).

Geht man ähnlich dem Privatstiftungsrecht von einem Befriedigungsvorrang von Vereinsgläubigern aus, steht zu Bedenken, dass § 17 Abs 2 PSG widerstreitende Leistung an den Begünstigten einer Privatstiftung in der Literatur dann als vom Begünstigten zu erstatten angesehen werden, wenn der Letztgenannte den Verstoß gegen die gesetzliche Zuwendungssperre kannte oder kennen musste (Arnold, Privatstiftungsgesetz2 § 17 Rz 68). Zwar findet § 17 Abs 2 PSG auf die aufgelöste Privatstiftung keine unmittelbare Anwendung, jedoch sind rechtswidrige Verteilungsvorgänge bei der Abwicklung einer Privatstiftung analog § 17 Abs 2 PSG zu behandeln und es kann den Letztbegünstigten daher eine Verpflichtung zur Rückzahlung treffen, wenn er vor Erhalt der Zuwendung Kenntnis von der Verletzung von Gläubigerschutzbestimmungen hatte (Arnold, aaO,§ 17 Rz 66, § 37 Rz 13). Insb systematische und teleologische Gründe sprechen für eine sinngemäße Geltung dieser Prinzipien für Vermögenszuwendungen durch Ver.

Ebenso sind bereicherungs- oder vindikationsrechtlichen Ansprüche des Verein gegenüber rechtswidrig Vermögen erhaltenden Personen überlegenswert. Dies wird für Aktiengesellschaften (Geist/Jabornegg in Jabornegg/Strasser, AktG II5 § 53 Rz 2, § 212 Rz 7) ebenso vertreten wie es jüngst höchstgerichtlich für Gesellschaften mit beschränkter Haftung bestätigt wurde (OGH 13.9.2012, 6 Ob 110/12p). § 56 Abs 1 AktG und § 83 Abs 1 GmbHG vergleichbare Regelungen kennt das VerG hingegen nicht.

Schließlich ist an eine Anfechtung von Rechtsgeschäften nach §§ 2ff AnfO und §§ 27ff IO zu denken.

Über die Autoren

Dr. Stefan Schermaier ist Rechtsanwalt und Partner, Mag. Dorian Schmelz Rechtsanwaltsanwärter bei TONNINGER I SCHERMAIER I MAIERHOFER & PARTNER RECHTSANWÄLTE (http://www.tsm-law.at). Schwerpunkttätigkeiten der Autoren sind Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, Mergers & Acquisitions, Schadenersatz- und Gewährleistungsrecht sowie Vertragsrecht.

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