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WEKA (epu) | News | 21.11.2016

Direkte Haftung eines Geschäftsführers der Komplementär-GmbH gegenüber der Kommanditgesellschaft

Ein Durchgriff auf den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH durch die KG kann zulässig sein, wenn die GmbH ausschließlich zur Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgaben für die KG tätig ist und rein formal als Zwischenglied „vorgeschoben“ wird.

Geschäftszahl

6 Ob 198/15h; OGH; 30. August 2016

Norm

§ 25 GmbHG analog; § 84, 99 AktG analog

Leitsatz

Quintessenz:

Ein Durchgriff auf den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH durch die KG kann zulässig sein, wenn die GmbH ausschließlich zur Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgaben für die KG tätig ist und insofern rein formal als Zwischenglied „vorgeschoben“ wird. Der Geschäftsführer wird dadurch organschaftlich mittelbar bzw faktisch für die KG tätig und haftet analog § 25 GmbHG für die Verletzung der Pflicht zur sorgfältigen Geschäftsführung direkt gegenüber der KG.

OGH: Wie bereits aus den Entscheidungen 6 Ob 171/15p sowie 1 Ob 192/08d ersichtlich ist, sind sowohl das Vorliegen der Personenidentität von Kommanditisten, GmbH-Gesellschaftern und Geschäftsführern als auch eine ausschließliche Tätigkeit der GmbH zur Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgaben für die KG besondere Umstände, aufgrund welcher der Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH gegenüber der KG analog § 25 GmbHG haften kann. Für die Begründung eines solchen Durchgriffs ist wesentlich, dass die Komplementär-GmbH – bei Fehlen weiterer Aufgaben abseits der Geschäftsführung für die KG – rein formal als Zwischenglied „vorgeschoben“ wird und der GmbH-Geschäftsführer daher organschaftlich mittelbar bzw faktisch für die KG tätig wird und sich seine wesentliche Tätigkeit direkt bei dieser auswirkt. Liegt eine solche Situation vor, so haftet der Geschäftsführer analog § 25 GmbHG gegenüber der KG, unabhängig vom Vorliegen einer Personenidentität von Kommanditisten, GmbH-Gesellschaftern und Geschäftsführern oder enger gesellschaftsrechtlicher Verflechtung. Dies deshalb, weil in einer solchen Konstellation der Person, die als Organ der juristischen Person die Geschäftsführung der KG übernimmt – dieser gegenüber jedoch nicht unmittelbar verantwortlich ist –, massive Einwirkungsmöglichkeiten auf die Rechtsgüter der KG eröffnet werden, ihr idR wirtschaftliche Vorteile aus der (mittelbaren) Organstellung zukommen und daher die Erfüllung der Pflicht zur sorgfältigen Geschäftsführung gegenüber der KG zumutbar ist. Durch Rechtsanalogie aus Bestimmungen wie insbesondere § 15 Abs 1 GmbHG und § 75 Abs 2 AktG wird dabei der Grundsatz gewonnen, dass jene natürliche Person, die für eine Gesellschaft geschäftsführend tätig ist, dieser gegenüber auch unmittelbar verantwortlich sein soll.

Diese Prinzipien sind sowohl auf die Mitglieder geschäftsführender Organe einer GmbH als auch auf solche einer AG anwendbar. Zwar erlegt § 25 Abs 1 GmbHG den Geschäftsführern die Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes auf und § 84 Abs 1 AktG fordert von den Vorstandsmitgliedern die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, beide Vorschriften beschreiben jedoch substanziell dieselbe Anforderung: sich nicht wie beliebige Unternehmer, sondern wie ordentliche Geschäftsleute in verantwortlich leitender Position bei selbstständiger treuhändiger Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen zu verhalten. Da § 99 für die von Aufsichtsratsmitgliedern einer AG bestehende Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit auf § 84 AktG verweist, gilt für diese dasselbe.

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