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Dokument-ID: 270387

Lukas Schenk - Florian Linder | News | 09.02.2010

Dr. Lukas Schenk / Dr. Florian Linder: Praxisfragen der Gewinnausschüttung

Folgender Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Bilanzgewinn einer AG oder GmbH ausgeschüttet werden muss und wann die Gesellschafter/Aktionäre die Thesaurierung des Gewinns rechtswirksam beschließen können.

In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass in Gesellschaftsverträgen einer GmbH die Gewinnausschüttung nur unzureichend geregelt ist. Gerade dieser Aspekt ist jedoch für die finanziellen Interessen der Gesellschafter von entscheidender Bedeutung und oftmals Streitpunkt. Virulent wird die Frage der Gewinnverwendung immer dann, wenn aufgrund widerstreitender Gesellschafterinteressen kein einstimmiger Gesellschafterbeschluss zustande kommt. Von besonderer Brisanz sind Konstellationen, in denen einige Gesellschafter auf (regelmäßige) Gewinnausschüttungen angewiesen sind, andere Gesellschafter (beispielweise aufgrund ihrer Geschäftsführer-Bezüge) hingegen nicht. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der AG.

Grundsätzlich sieht das Gesetz ein Vollausschüttungsgebot hinsichtlich des Bilanzgewinns vor (§ 82 Abs 1 GmbHG; § 104 Abs 4 AktG idF AktRÄG 2009 [Entspricht weitgehend § 126 Abs 3 AktG vor der Novelle.]).

Die HV ist bei der Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns an den vom Vorstand mit Billigung des Aufsichtsrats festgestellten Jahresabschlusses gebunden. Dies bedeutet, dass der Vorstand und Aufsichtsrat der AG zunächst bei Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses über die Bildung von Rücklagen entscheiden. Der nach Rücklagenbildung verbleibende Bilanzgewinn ist grundsätzlich an die Aktionäre auszuschütten. Die HV kann den Bilanzgewinn nur dann ganz oder teilweise von der Verteilung ausschließen, soweit sie aufgrund der Satzung hierzu ermächtigt ist (§ 104 Abs 4 AktG).

Im Gegensatz zur AG fällt die Bildung von Rücklagen bei der GmbH in die Kompetenz der Gesellschafter. Der Bilanzgewinn ist wie bei der AG zur Gänze an die Gesellschafter auszuschütten. Der Bilanzgewinn darf nur dann thesauriert werden, wenn der Gesellschaftsvertrag eine entsprechende Ermächtigung enthält (§ 82 Abs 1 GmbHG).

Für die Vertragsgestaltung ist es daher von entscheidender Bedeutung, wie eine solche Ermächtigung formuliert sein muss, um eine Einbehaltung des Gewinns (auch im Wege des Gewinnvortrags auf neue Rechnung) zu ermöglichen.

In der Literatur wurde bisher vertreten, dass eine Bestimmung über die „Gewinnverteilungnicht ausreicht – eine Formulierung, die sich in einer Vielzahl von Gesellschaftsverträgen standardisiert findet. Nur wenn der Gesellschaftsvertrag einen Beschluss über die „Gewinnverwendung“ zulässt, können die Gesellschafter die Einbehaltung des Gewinns beschließen (Reich-Rohrwig, GmbH-Recht I 2 Rz 3/199).

Für die AG hat der OGH in einer aktuellen Entscheidung (OGH 3 Ob 59/07h) die Rechtswirkungen einer Satzungsklausel mit folgendem Wortlaut beurteilt: „Die Hauptversammlung beschließt alljährlich in den ersten 8 Monaten des Geschäftsjahres über die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats, über die Verwendung des im Vorjahr erzielten Reingewinns, über die Wahl des Abschlussprüfers und in den im Gesetz vorgesehenen Fällen über die Feststellung des Jahresabschlusses (ordentliche Hauptversammlung).“

Das Höchstgericht erachtete die gewählte Formulierung als nicht ausreichend für die Einbehaltung des Bilanzgewinns, da lediglich der Wortlaut der gesetzlichen Regelung (§ 126 Abs 1 AktG aF) wiedergegeben werde. Sie könne daher nicht im Sinne einer Ermächtigung nach § 104 Abs 4 AktG ausgelegt werden.

Soll eine Bestimmung im Gesellschaftsvertrag einer GmbH oder AG die Einbehaltung des Gewinns ermöglichen, ist an ihre Formulierung ein strenger Maßstab anzulegen. Aus dem Text der Klausel muss ausdrücklich und zweifelsfrei hervorgehen, dass die GV/HV ermächtigt ist, den Bilanzgewinn ganz oder teilweise von der Verteilung auszuschließen.

Ist dies nicht der Fall, kann der Bilanzgewinn nur mit einstimmigem Gesellschafterbeschluss von der Verteilung ausgenommen werden (OGH 3 Ob 59/07h).

Selbst wenn die Satzung die Einbehaltung des Gewinns vorsieht, dürfen die Gesellschafter den Gewinn nicht willkürlich in der Gesellschaft zurückbehalten. Es ist anerkannt, dass die Gesellschafter einer GmbH im Rahmen der Treuepflicht Rücklagen nur insoweit bilden dürfen, als es das Interesse der Gesellschaft erfordert und Minderheitsgesellschafter nicht „ausgehungert“ werden. Auch bei der nicht-börsenotierten AG ist anerkannt, dass eine langanhaltende Thesaurierung des Gewinns nicht dazu führen darf, dass dadurch die Aktien faktisch unveräußerlich werden (Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, GesR Rz 3/704).

Autoren:

Dr. Lukas Schenk:

Dr. Lukas Schenk ist Partner bei Viehböck Breiter Schenk & Nau Rechtsanwälte, Wien/Mödling. Er war als Universitätsassistent am Institut für Staats- und Verwal-tungsrecht der Universität Wien sowie bei der Europäischen Kommission in Brüs-sel tätig. Dr. Lukas Schenk ist ständiger Vortragender an der Akademie der Wirtschaftstreuhänder. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Unternehmenstransaktionen, Gesellschaftsrecht und Gesellschafterausschluss, Umstrukturierungen, Vergabe- sowie Arbeitsrecht.

Lukas.schenk@vbsn.at

MMag. Dr. Florian Linder:

MMag. Dr. Florian Linder ist Rechtsanwaltsanwärter bei Viehböck Breiter Schenk & Nau Rechtsanwälte, Wien/Mödling. Er ist als Lektor an der Wirtschaftsuniversi-tät Wien tätig sowie ständiges Redaktionsmitglied der Zeitschrift für Finanzmarkt-recht. Dr. Florian Linder war Universitätsassistent am Institut für Zivil- und Unternehmensrecht der Wirtschaftsuniversität Wien. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Unternehmensrecht, Kapitalmarktrecht, Insolvenzrecht, allgemeines Zivil- und Vertragsrecht sowie Litigation.

Florian.linder@vbsn.at

(09.02.2010)