Dokument-ID: 974759

WEKA (epu) | News | 24.01.2018

Eigenkapitalcharakter der Einlage eines atypisch stillen Gesellschafters

Rsp, nach welcher Einlagen des stillen Gesellschafters Eigenkapital darstellen, wenn eine Beteiligung an den stillen Reserven bzw dem Firmenwert oder aber eine Annäherung an die Stellung eines Kommanditisten vorliegt, ist nicht mehr zu folgen.

Geschäftszahl

OGH 26. September 2017, 6 Ob 204/16t

Norm

§ 82 GmbHG; § 10 EKEG

Leitsatz

Quintessenz:

Seit Inkrafttreten des EKEG ist der Rsp, nach welcher Einlagen des stillen Gesellschafters Eigenkapital darstellen, wenn eine Beteiligung an den stillen Reserven bzw dem Firmenwert oder aber eine Annäherung an die Stellung eines Kommanditisten vorliegt, nicht mehr zu folgen. In diesen Fällen kann bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 10 EKEG nur Eigenkapitalersatz angenommen werden.

OGH: Der vorliegende Fall betraf eine beklagte KG, als deren Komplementäre eine GmbH sowie eine Holding-GmbH dienten. Es bestanden zahlreiche Gesellschaftsverträge mit atypisch stillen Gesellschaftern (darunter die Klägerin), die am Vermögen der KG beteiligt waren. Während der Geschäftstätigkeit der KG wurde von ihr nie ein Bilanzgewinn erzielt, nur in drei Jahren ein „Bilanzgewinn vor Vorwegbezug stiller Gesellschafter“. Schließlich teilte die KG der Klägerin mit, aufgrund einer OGH-Entscheidung werden nunmehr Ausschüttungen an atypisch stille Gesellschafter nur mehr im Falle ihrer Abdeckung vom Reingewinn der Gesellschaft vorgenommen, woraufhin die Klägerin ihre Anteile an der Beklagten kündigte und Auszahlung ihres Guthabens (Vorwegbezüge und Zinsen) forderte. Die KG vertrat die Meinung, gewinnunabhängige Vorwegbezüge durch eine GmbH & Co KG wie sie, verstießen aufgrund der OGH-Rechtsprechung nunmehr gegen das (analog anzuwendende) Verbot der Einlagenrückgewähr und seien somit unzulässig. Dabei stünde der atypisch stille Gesellschafter dem Kommanditisten gleich und die atypisch stille Beteiligung sei Eigenkapital.

Eine so genannte atypisch stille Gesellschaft liegt vor, wenn eine besondere, vom Gesetz abweichende vertragliche Regelung des Innenverhältnisses getroffen wird, wodurch der stille Gesellschafter am „Gesellschaftsvermögen“ und/oder an der Geschäftsführung des Handelsgewerbes beteiligt wird.

Es existiert oberstgerichtliche Rechtsprechung dazu, dass atypisch stille Gesellschaften, bei denen der Stille schuldrechtlich wie ein Kommanditist am Gesellschaftsvermögen und/oder an der Geschäftsführung des Handelsgewerbes beteiligt wird, grundsätzlich zulässig sind. Bei Beteiligung an den stillen Reserven und am Firmenwert liege „stille Mitunternehmerschaft“ vor, die Beteiligung sei Eigenkapital und der atypisch stille Gesellschafter insofern wie ein Kommanditist zu behandeln. Weiters wurde in einer Entscheidung ausgeführt, atypisch stille Gesellschafter, deren Stellung der eines Kommanditisten angenähert sei, seien Kommanditisten gleichgestellt und die Grundsätze über eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen auch auf diese anzuwenden.
 Des Weiteren gilt nach der OGH-Judikatur das Verbot der Einlagenrückgewähr gem § 82 Abs 1 und § 83 Abs 1 GmbHG analog auch für die Kommanditgesellschaft im Verhältnis zu ihren Kommanditisten, wenn bei der Kommanditgesellschaft kein unbeschränkt haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.
 Zur analogen Anwendung des Verbots der Einlagenrückgewähr auf atypisch stille Gesellschafter einer Kommanditgesellschafter, bei der kein unbeschränkt haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, bestand trotz dieser Vielfalt an Entscheidungen noch keine Rechtsprechung.

Nach ausführlicher Befassung mit Judikatur und Lehre sowohl in Deutschland als auch in Österreich kommt der OGH zu folgendem Schluss: Das Bestehen des Anspruchs der Klägerin ist dann zu verneinen, wenn entweder das Verbot der Einlagenrückgewähr des § 82 GmbHG oder die Regeln des Eigenkapitalrechts dies verhindern. Zu beachten ist bei Beteiligungserwerb nach dem 1. Jänner 2004 auch das EKEG. Gemäß dessen § 10 Abs 2 steht ein stiller Gesellschafter einem erfassten Gesellschafter gleich, wenn der Inhaber des Handelsgewerbes eine Gesellschaft iSd § 4 leg cit ist und der stille Gesellschafter mit mindestens 25 % schuldrechtlich am Unternehmen beteiligt ist sowie er über zumindest einem Kommanditisten vergleichbare Mitbestimmungsrechte verfügt oder einen beherrschenden Einfluss ausübt. In diesem Fall ist die Einlage des stillen Gesellschafters Eigenkapital ersetzend.

Sind die Voraussetzungen des § 10 Abs 2 EKEG erfüllt und wurde die Einlage in einer Krise gewährt, so ist die Einlage ungeachtet ihrer Qualifikation als (formelles) Fremdkapital eigenkapitalersetzend. Der Tatbestand des § 20 Abs 2 EKEG liegt im konkreten Fall nicht vor; aus der Bestimmung ist aber in einer jeden Zweifel ausschließenden Deutlichkeit die Annahme des Gesetzgebers ersichtlich, dass unter den dort beschriebenen Voraussetzungen kein Eigenkapital vorliegt, sondern eine nur unter bestimmten Voraussetzungen erfasste eigenkapitalersetzende Leistung. Diese Wertung ist auch außerhalb der vom EKEG geregelten Rückzahlungsbeschränkungen in der Krise zu berücksichtigen: Außerhalb der Krise sind nicht weitergehende Rückzahlungsbeschränkungen anzunehmen als in der Krise selbst. Seit Inkrafttreten des EKEG ist jedenfalls nicht die Einlage jedes atypischen Gesellschafters als Eigenkapital zu werten. Aus § 10 Abs 2 Z 1 EKEG ist ersichtlich, dass bloße Mitbestimmungsrechte nicht automatisch eine Qualifikation als Eigenkapitalersatz bedeuten; eine solche liegt erst dann vor, wenn der Stille außerdem über eine mindestens 25 %-ige Beteiligung am Unternehmenswert verfügt. Die letztere Voraussetzung fällt nur bei beherrschendem Einfluss des stillen Gesellschafters weg. Jedenfalls liegt jedoch in allen erfassten Fallkonstellationen bloß Eigenkapitalersatz, nicht Eigenkapital, vor.

Seit Inkrafttreten des EKEG kann somit entgegen der bisherigen Judikatur, wonach Einlagen des Stillen Eigenkapital darstellten, wenn dieser an den stillen Reserven bzw dem Firmenwert beteiligt oder seine Stellung der eines Kommanditisten angenähert ist, sodass eine „Mitunternehmerschaft“ vorliegt, in diesen Fällen bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen von § 10 EKEG nur Eigenkapitalersatz gegeben sein.

Rückzahlungsbeschränkungen der Einlagen der stillen Gesellschafter konnten sich im nunmehr vorliegenden Fall nicht aus den in § 10 EKEG angesprochenen Mitbestimmungsrechten bzw der Beteiligung am Unternehmenswert ergeben, sondern müssten abseits davon vorliegen.
 Der Klagsanspruch wäre unberechtigt gewesen, wenn das Verbot der Einlagenrückgewähr nach § 82 GmbHG der getroffenen Zinsvereinbarung entgegenstünde. Dieses betrifft nur Gesellschafter, deren Einlage als „Eigenkapital“ einzuordnen ist.
 Neben § 10 EKEG spricht auch § 187 Abs 1 UGB gegen eine ohne Weiteres zu treffende Einordnung der Einlage eines atypisch stillen Gesellschafters als Eigenkapital. Nach dieser Bestimmung kann der stille Gesellschafter – im Gegensatz zum Kommanditisten in der Insolvenz der Kommanditgesellschaft – „wegen der Einlage, soweit sie den Betrag des auf ihn fallenden Anteils am Verlust übersteigt, seine Forderung als Insolvenzgläubiger geltend machen“. Damit wird seine Einlage seitens des Gesetzgebers grundsätzlich als Fremdkapital angesehen. § 188 UGB erlaubt unter Umständen im Falle der gänzlichen oder teilweisen Rückgewähr der Einlage an den stillen Gesellschafter oder des gänzlichen oder teilweisen Erlasses des Anteils des stillen Gesellschafters am entstandenen Verlust die Anfechtung durch den Masse- oder Sanierungsverwalter.

Die Einlage eines stillen Gesellschafters kann, soweit § 10 EKEG nicht erfüllt ist, nur bei entsprechender Vereinbarung zwischen den Parteien des stillen Gesellschaftsvertrags (materiell) Eigenkapital sein. Diese können beliebig Rückzahlungsbeschränkungen vereinbaren. Eine Vereinbarung von Rückzahlungsbeschränkungen, wie sie im Kapitalgesellschaftsrecht für Eigenkapital vorgesehen sind, für die Einlage des stillen Gesellschafters, lag hier nicht vor. Auch ein Verzicht der stillen Gesellschafterin auf den Charakter ihrer Einlage als Fremdkapital iSd § 187 Abs 1 UGB war nicht anzunehmen.

Letztendlich war das kapitalgesellschaftliche Verbot der Einlagenrückgewähr nicht analog anzuwenden, da die Einlage der stillen Gesellschafterin keinen Eigenkapitalcharakter aufwies.

Sämtliche Leitsätze zu aktuellen OGH- und VwGH-Entscheidungen sowie Entscheidungen im Volltext rund um das Thema Gesellschaftsrecht finden Sie auf www.weka.at/gesellschaftsrecht/Judikatur.