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Georg Streit - Sophie Tschöp | News | 23.10.2015

Ein Blick über die Grenze: Wie geht Crowdinvesting in Deutschland?

Die Gastautoren RAA Mag. Sophie Tschöp, MBL und RA Mag. Georg Streit stellen in ihrem Beitrag einen Vergleich zwischen dem österreichischem AltFG und dem deutschen KASG dar.

Am 7.7.2015 hat der Nationalrat das Bundesgesetz über alternative Finanzierungsformen (Alternativfinanzierungsgesetz, AltFG), mit dem auch das Kapitalmarktgesetz geändert wurde, beschlossen. Seit 1.9.2015 ist das Alternativfinanzierungsgesetz (Bundesgesetz über alternative Finanzierungsformen, BGBl I Nr 114/2015.) in Kraft. Mit diesem Gesetz werden klare rechtliche Rahmenbedingungen für Crowdfunding, genauer gesagt Crowdinvesting geschaffen, die diese moderne Finanzierungsform erleichtern, aber auch ein angemessenes Anlegerschutzniveau gewährleisten und Missbrauch verhindern sollen.

In unserem Gastbeitrag im Juni 2015 haben wir bereits die am 19.5.2015 vorgelegte Regierungsvorlage zum Alternativfinanzierungsgesetz vorgestellt. Dieser Beitrag soll noch einmal einen Überblick über die Neuerungen, die dieses Gesetz mit sich bringt, geben. Darüber hinaus blicken wir über die Grenzen und vergleichen die rechtlichen Rahmenbedingungen für Crowdinvesting in Deutschland.

Eines vorweg: Die Meinungen in der Branche gehen dahin, dass Deutschland wegen der niedrigen Betragsgrenzen und der Anwendbarkeit der Finanzierungserleichterungen auf nur einen Teil der zahlreichen Veranlagungsformen (zum Beispiel nur Nachrangdarlehen, nicht aber Genussrechte und stille Beteiligungen) im internationalen Vergleich (auch hinter Österreich) zurückfällt.

1. Die rechtlichen Rahmenbedingungen in Österreich im Überblick:

In unserem letzten Beitrag haben wir die verschiedenen Arten von Crowdfunding (reward-based und donation-based) bzw Crowdinvesting (equity-based und lending-based) vorgestellt und festgehalten, dass das neue Alternativfinanzierungsgesetz nur Rahmenbedingungen für das Crowdinvesting (Lending-Based und Equity-Based) schafft. Beim Reward-Based-Crowdfunding und Donation-Based-Crowdfunding sieht der Gesetzgeber aufgrund des Spendencharakters keinen Regelungsbedarf zum Schutz der Anleger.

Zentrale Frage beim Crowdinvesting ist, ab welcher Betragsgrenze Prospektpflicht, deren Erfüllung mit erheblichem Zeit- und Kostenaufwand verbunden ist und somit auf Jungunternehmer erschwerend wirkt, herrscht.

Die Pflicht zum Erstellen eines vollen Kapitalmarktprospekts gilt nach dem im Zuge des Inkrafttretens des AltFG geänderten KMG erst ab einem Emissionsvolumen von 5 Mio Euro statt bis dahin 250.000 Euro. Bei einem Emissionsvolumen zwischen 1,5 Mio Euro und 5 Mio Euro ist künftig lediglich ein vereinfachter Prospekt zu erstellen. Innerhalb von sieben Jahren dürfen Emittenten jedoch nicht mehr als 5 Mio Euro – abzüglich der bereits an die Anleger/Investoren zurückgezahlten Beträge – über Crowdinvesting erhalten. Wird diese Höchstgrenze überschritten ist ein voller Kapitalmarktprospekt zu erstellen.

Um das Risiko der Investoren zu streuen, sieht das AltFG vor, dass ein Investor pro Projekt nur bis zu 5.000 Euro im Jahr investieren darf, sofern er nicht professioneller Anleger gemäß AIFMG oder eine juristische Person ist, die nicht als Verbraucher im Sinne des Konsumentenschutzgesetzes gilt. Wenn der Investor allerdings erklärt, dass er durchschnittlich mehr als 2.500 Euro (netto) ins Verdienen bringt oder dass er maximal zehn Prozent seines Finanzanlagevermögens investiert, kann er das Zweifache seines Monatsnettoeinkommens pro Projekt investieren. Ein weiteres Schutzinstrument ist die zweiwöchige Rücktrittsfrist für Investoren, die Verbraucher im Sinne des KSchG sind. Darüber hinaus gelten die Rücktrittsrechte gemäß § 3 KSchG (Haustürgeschäfte), § 3a KSchG (Nichteintritt maßgeblicher Umstände) und nach § 8 FernFinG.

Für die Betreiber der Crowdfunding-Plattformen legt das AltFG regulatorische Mindeststandards fest. So wird klargestellt, dass die Plattformen entweder eine Zulassung als gewerberechtlicher Vermögensberater oder eine Konzessionierung als Wertpapierdienstleistungsunternehmen aufzuweisen haben. Zudem treffen die Betreiber der Plattformen gewissen Informationspflichten insbesondere über die Betreiber, Auswahlkriterien und Entgelte.

Zur Missbrauchsprävention und Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung besteht die Pflicht zur Feststellung der Identität der Anleger bzw der Emittenten („know your customer-Prinzip“).

2. Crowdinvesting in Deutschland: Das deutsche Kleinanlegerschutzgesetz (KASG)

Das Kleinanlegerschutzgesetz vom 3.7.2015 ist – im Vergleich zum österreichischen AltFG – kein eigenständiges Crowdinvesting Gesetz. Mit diesem Gesetz sind unter anderem das deutsche Vermögensanlagegesetz und das Wertpapierhandelsgesetz geändert worden, um zum einen Erleichterungen für die Finanzierung von Projekten über Crowdinvesting zu schaffen und zum anderen Anlegern mehr Informationen zu den angebotenen Finanzprodukten zu gewähren. Darüber hinaus sollen mit dem Gesetz Sanktionsmöglichkeiten gegen Anbieter und Vermittler von Vermögensanlagen verschärft werden.

Die mit dem KASG einhergehenden Ausnahmen von der Prospektpflicht und Erleichterungen für Finanzierungen der Projekte über Crowdinvesting beziehen sich – im Gegensatz zum österreichischen AltFG – ausschließlich auf partiarische Nachrangdarlehen. Genussrechte oder stille Beteiligungen sind nicht erfasst. Diese Differenzierung ist in der deutschen Praxis auf Kritik gestoßen, da es den Crowdinvesting Markt, in dem Genussrechte und stille Beteiligungen sehr wohl gängige Finanzinstrumente sind, verzerre.

Investitionsgrenzen für Privatpersonen:

Das KASG hat die Investitionsobergrenze für Privatpersonen mit 10.000 Euro festgesetzt. Ab einem Anlegerbetrag (pro Projekt) von 1.000 Euro muss ein Anleger zusätzlich eine Selbstauskunft gegenüber den Betreibern der Crowdinvesting-Plattform abgeben, in der er bestätigt, dass er über ein frei verfügbares Vermögen in Form von Bankguthaben und Finanzinstrumenten von mindestens 100.000 Euro verfügt oder nicht mehr als das zweifache seines monatlichen Nettoeinkommens investiert.

Zum Vergleich mit der österreichischen Rechtslage: Nach dem ös. AltFG besteht die Pflicht zur (ähnlich geregelten) Selbstauskunft erst ab einem Betrag in der Höhe von 5.000 Euro (pro Projekt).

Einkommenssteuernachweise müssen die Anleger weder in Österreich noch in Deutschland erbringen. Die Gesetze sprechen nur von Selbstauskünften. Die Offenlegungspflicht der Einkommensverhältnisse der Anleger wird in der Crowdinvesting-Branche in beiden Staaten kritisch gesehen, da es Anleger abschrecken und von Investitionen abhalten könnte. Grundgedanke dieser Vorschriften war hier ganz offensichtlich den Spagat zwischen Erleichterungen für diese neue Art der Finanzierungs- bzw Veranlagungsform und dem Anlegerschutz zu schaffen.

Professionelle Investoren sind von der Anlagegrenze des KASG in der Höhe von 10.000 Euro ausgenommen, sofern es sich um Kapitalgesellschaften handelt. Warum dies für Einzelunternehmer und Personengesellschaften nicht gelten soll, ist unverständlich und stößt auch in der deutschen Praxis durchaus auf Kritik.

Prospektpflicht für Crowdinvesting ab 2,5 Mio Euro:

Der erste Entwurf des KASG sah noch vor, dass für jede Crowdfunding-Kampagne schon ab 1 Mio Euro ein ausführlicher Verkaufsprospekt zu erstellen gewesen wäre. Das Gesetz trat letztlich jedoch mit einer angehobenen Grenze in der Höhe von 2,5 Mio Euro in Kraft.

Da mit dem niedrigen Betrag ein Wettbewerbsnachteil zum europäischen Ausland bestanden hätte, wo deutlich höhere Grenzen gelten - nach dem ös. AltFG liegt diese Grenze bei 5 Mio Euro - wird die Anhebung der Betragsgrenze in der deutschen Praxis begrüßt.

Für soziale und gemeinnützige Projekte gibt es im KASG eine wesentliche und über die genannten Grenzen hinausgehende Erleichterung: Wenn für den Vertrieb der Vermögensanlagen keine Vergütung gezahlt wird und der Zinssatz 1,5 % nicht übersteigt, können sogar bis zu 10 Mio Euro ohne Pflicht zur Erstellung eines Prospekts finanziert werden.

Verpflichtendes Vermögensanlagen-Informationsblatt:

Sobald ein Anleger mehr als 250 Euro veranlagen möchte, ist die Übersendung eines Vermögensanlageinformationsblatts verpflichtend. Dieses Informationsblatt hat einen Überblick über die Kernpunkte des Projekts und die mit der Veranlagung verbundenen Risiken zu enthalten.

Der Anleger muss den Empfang dieses Informationsblatts bestätigen. Nach dem KASG muss die Bestätigung nicht – wie im ursprünglichen Gesetzesentwurf vorgesehen – mit Originalunterschrift per Post, sondern kann per Klick auf der Website der Plattform durch den Anleger erfolgen. Voraussetzung für diese Vorgehensweise ist, dass die Identität des Anlegers zweifelsfrei erkennbar ist.

Kein Werbeverbot, aber vorgeschriebener Warnhinweis und Widerrufsrecht:

Der erste Entwurf des KASG sah ein Werbeverbot für Projekte im Internet und in den sozialen Medien (wie Facebook, Twitter, etc.) vor, was auf großen Widerstand der Crowdinvesting-Plattformen gestoßen ist. Das letztlich verabschiedete Gesetz sieht kein Werbeverbot mehr vor. Allerdings besteht die Pflicht der Betreiber der Crowdinvesting-Plattformen (Anbieter), deutlich die Risiken durch Warnhinweis hervorzuheben, in dem sie auf die Möglichkeit des Totalverlusts der Kapitalanlage aufmerksam machen.

3. Der Rechtsvergleich auf einen Blick

Einzelanlagenbeschränkung

Österreich:

  • Bis 5.000 Euro gibt es keine Beschränkung;
  • Gegen einseitige Erklärung, professioneller Anleger gemäß § 2 Abs 1 Z 33 AIFMG oder eine juristische Person, die nicht als Verbraucher im Sinne des § 1 Abs 1 Z 2 des Konsumentenschutzgesetzes – KSchG, BGBl Nr 140/1979 gilt, zu sein;
  • Gegen einseitige Erklärung des Anlegers, dass das geplante Investment das globale und zweifache Monatsnettoeinkommen im Jahresschnitt oder 10 % des Finanzvermögens nicht übersteigt, kann ein Anleger unbeschränkt in Crowdinvesting Projekte investieren.

Deutschland:

  • Ab 250 Euro ist vom Anleger ein unterschriebenes Informationsblatt an Emittenten zu schicken;
  • Ab 1.000 Euro Erklärung, dass der Anleger mehr als 100.000 Euro Finanzvermögen hat, oder das das zweifache Monatsnettoeinkommen höher ist als das geplante Investment.
  • Absolute Investitionsgrenze sind 10.000 Euro für Privatanleger

Prospektpflicht

Österreich:

  • Informationsblatt ab 100.000 Euro vom Emittent veröffentlicht;
  • Vereinfachter Prospekt (Prospekt „light“) ab 1,5 Mio Euro;
  • Vollständiger Prospekt ab 5 Mio Euro.

Deutschland:

  • Informationsblatt ab 250 Euro durch Anleger gegengezeichnet;
  • Volle Prospektpflicht ab 2,5 Mio Euro.

Autoren

Mag. Georg Streit

Mag. Georg Streit ist seit 2000 Rechtsanwalt und seit 2001 Partner bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte OG. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Immaterialgüterrecht, Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht, Rundfunkrecht und Vergaberecht. Weiters ist er Lektor an den Universitäten Wien und Salzburg, Vortragender bei Seminaren und Lehrgängen.

Für WEKA ist er Herausgeber des Newsletters für Gesellschaftsrecht Online sowie für das Werk „Personengesellschaften in Fallbeispielen“.

www.h-i-p.at

Mag. Sophie Tschöp, MBL

Mag. Sophie Tschöp, MBL ist Rechtsanwaltanwärterin bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte OG.