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Michael Zwirchmayr - Georg Streit | News | 19.04.2019

Ein Königreich und der Strudelteig: Brexit – aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Gastautor Dr. Michael Zwirchmayr und Mag. Georg Streit erläutern, welche gesellschaftsrechtlichen Konsequenzen der Brexit wohl nach sich ziehen wird. Was können betroffene Gesellschaften tun und wozu dient das „Brexit-Begleitgesetz 2019“?

Das Vereinigte Königreich tritt nach den jüngsten Entwicklungen in Westminster und Brüssel spätestens am 31.10.2019 aus der Europäischen Union aus. Oder auch nicht, was weiß man schon – weil, anything goes. Darum wissen wir auch nicht, ob der Austritt der Briten mit oder ohne Austrittsabkommen samt Übergangsfristen erfolgen wird. Für letzteren Fall hat der österreichische Gesetzgeber aber mit dem „Brexit-Begleitgesetz 2019“ (BreBeG 2019) vorgesorgt.

„Brexit-Begleitgesetz 2019“ – was ist der Inhalt?

So wie die Verwendung eines wenig eleganten Doppelworts im Kurztitel eines österreichischen Gesetzes nicht verwundert, scheint auch der Inhalt der vom Gesetzgeber getroffenen Vorsorge für den ungeregelten Briten-Austritt in Bezug auf im Vereinigten Königreich registrierte Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Österreich nicht untypisch: Artikel 14 des BreBeG 2019 stellt nämlich die Fiktion auf, dass für die kollisionsrechtliche Beurteilung von besagten Gesellschaften das Vereinigte Königreich bis 31.12.2020 weiterhin als Mitgliedstaat der Europäischen Union gilt. Hard Brexit means somit no Brexit für Limiteds und LLPs mit Verwaltungssitz in Österreich, jedenfalls für die nächsten Monate noch–, temporarily also.

Wann tritt es in Kraft?

Das Gesetz tritt aber erst mit Wirksamwerden des Austritts Großbritanniens und Nordirlands aus der Europäischen Union und unter der Bedingung in Kraft, dass der Austritt eben ohne Austrittsabkommen erfolgt. Vielleicht also nie, was weiß man schon. Vorgesorgt ist aber, weil anything goes dann doch wieder nicht geht. In diesem Sinn ist auch im Fall eines Austrittsabkommens auf europäischer Ebene vorgesehen, dass in einer Übergangsphase ein Nachfolgeabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich verhandelt werden soll, es also zu keinem abrupten Cut der anzuwendenden Rechtsvorschriften kommt.

Brexit – Welche gesellschaftsrechtlichen Probleme können auftreten?

Warum bedarf es aber überhaupt einer kollisionsrechtlichen Regelung, wie sie nunmehr im BreBeG 2019 vorgesehen ist? Ohne Austrittsabkommen würde Gesellschaften, die ihren Verwaltungssitz in Österreich, ihren Satzungssitz aber in Großbritannien haben, ihre rechtliche Grundlage entzogen werden, weil die Niederlassungsfreiheit nach dem AEUV von in London oder anderen Städten des Vereinigten Königreichs registrierten Gesellschaften in Österreich nicht mehr in Anspruch genommen werden kann – ist doch das EU-Recht auf Großbritannien (und vermutlich auch Nordirland) dann nicht mehr anwendbar.

Das österreichische Gesellschaftskollisionsrecht folgt der Sitztheorie, wonach die Rechts- und Handlungsfähigkeit einer Gesellschaft nach dem Recht jenes Staates zu beurteilen ist, in dem sich der tatsächliche Sitz der Hauptverwaltung befindet. Der Zuzug einer Gesellschaft in einen Sitztheoriestaat – also etwa Österreich – führt daher zur Nichtanerkennung der zugezogenen Gesellschaft, weil das österreichische Gesellschaftsrecht bspw die Rechtsform der Limited nicht kennt. Das bedeutet, dass solchen Gesellschaften die Rechtsfähigkeit aberkannt würde.

Demgegenüber folgt aus der Anwendbarkeit der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit die Anwendung der sog Gründungstheorie, wonach jenes Recht maßgeblich ist, nach dem die Gesellschaft gegründet worden ist. Die ausländischen Gesellschaften sind in Österreich als Zweigniederlassung im Firmenbuch einzutragen. Für Gesellschaften britischen Rechts mit Verwaltungssitz in Österreich besteht daher Handlungsbedarf, dem solange nachgekommen werden kann, als die unionsrechtlichen Übergangsfristen (Soft Brexit) bzw das BreBeG 2019 (Hard Brexit) anwendbar sind. Nicht ausgeschlossen werden kann, dass der österreichische Gesetzgeber dem unfreiwilligen Drehbuch aus Brüssel insofern folgt, als dass die im BreBeG 2019 genannte Frist noch nach hinten geschoben wird.

Was können betroffene Gesellschaften tun?

Als Exit kommt unter ökonomischen Gesichtspunkten für betroffene Gesellschaften im Wesentlichen die Einbringung des gesamten Vermögens einer in Österreich registrierten Zweigniederlassung unter Beachtung der hierfür maßgeblichen umgründungssteuerrechtlichen Vorschriften infrage. Bei dem einzubringenden Vermögen muss es sich um einen (Teil-)Betrieb oder um Anteile an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft handeln, wobei ein positiver Verkehrswert zu bescheinigen ist. Zudem muss natürlich eine übernehmende Kapitalgesellschaft gegründet werden. Durch Inanspruchnahme der Gründungsprivilegierung (Bargründung iHv EUR 5.000,00) kann der Kapitalaufwand überschaubar gehalten werden.

Schon weniger überschaubar, weil mit einigem Dokumentationsaufwand verbunden, wäre der Aufwand bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung der britischen Gesellschaft auf eine österreichische Kapitalgesellschaft, die eine weitere Handlungsoption darstellt. Diese Möglichkeit hat der deutsche Gesetzgeber vor Augen gehabt, der nicht etwa einen drohenden Hard Brexit qua Fiktion nach hinten schob, sondern die anstehende Trennung von Großbritannien und der Europäischen Union zum Anlass nahm, das Umgründungsrecht zu novellieren: Das dUmwG erlaubt nunmehr – anders als in Österreich – auch eine Verschmelzung auf Personengesellschaften. Daher ist auch eine Verschmelzung auf eine GmbH & CO KG zulässig, wobei die Komplementär-GmbH auch eine UG (haftungsbeschränkt) sein kann, die sich mit nur einem Euro Stammkapital gründen lässt.

Autor

zwirchmayr

Dr. Michael Zwirchmayr

Dr. Michael Zwirchmayr ist Rechtsanwalt und Partner bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG. Zuvor war er unter anderem mehrere Jahre Universitätsassistent am Institut für Zivil- und Unternehmensrecht der Wirtschaftsuniversität Wien.

michael.zwirchmayr@h-i-p.at

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