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Georg Streit - Sophie Tschöp | News | 29.09.2014

Eine Gewinnausschüttung wurde dem Vorstand zum Verhängnis – jetzt droht ihm das Gefängnis

Die Gastautoren Mag. Georg Streit und Mag. Sophie Tschöp erläutern die Thematik Gewinnausschüttung im Zusammenhang mit der Untreuebestimmung nach § 253 StGB anhand einer richtungsweisenden OGH-Entscheidung, der sog. Libro-Entscheidung.

Die rechtliche Verantwortung und Haftung von Vorstandsmitgliedern, Geschäftsführern sowie Aufsichtsratsmitgliedern von Kapitalgesellschaften ist in letzter Zeit immer öfter Gegenstand in zivilgerichtlichen und strafgerichtlichen Verfahren und wird aufgrund der regen Berichterstattung stets mit großem Interesse wahrgenommen.

Immer wieder haben sich Gerichte, insbesondere auch der Oberste Gerichtshof, im Zusammenhang mit der Organhaftung sowohl mit gesellschaftsrechtlichen als auch strafrechtlichen Bestimmungen auseinanderzusetzen und diese miteinander in Einklang zu bringen. Nicht leicht ist die Grenze zu ziehen, welche gesellschaftsrechtlichen Regelverstöße auch strafrechtlich zu verfolgen sind.

In der so genannten Libro-Entscheidung (OGH 3.1.2014, 12 Os 117/12s [12 Os 118/12p]) setzte sich der OGH mit der Frage nach der strafrechtlichen Verantwortung des Vorstands einer Aktiengesellschaft nach der Untreuebestimmung des § 153 StGB wegen des Verstoßes gegen Kapitalerhaltungsvorschriften (Verbot der Einlagenrückgewähr) auseinander. Dieser Beitrag fasst die wesentlichen Ergebnisse der Entscheidung zusammen und zeigt das Zusammenspiel von Gesellschaftsrecht und Strafrecht auf.

Die Libro-Entscheidung: Ausschüttung einer unzulässigen Sonderdividende an die Alleinaktionärin

Durch Erstellung einer unrichtigen Bilanz und Erstattung eines überhöhten Gewinnverteilungsvorschlags des Vorstands der Libro Handels AG fasste die Alleinaktionärin - aufgrund der im Jahr 1999 geltenden Fassung des § 126 Abs 1 AktG - einen Gewinnausschüttungsbeschluss. Dieser Gewinnausschüttungsbeschluss stellte jedoch einen Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr gemäß § 52 AktG dar und war gemäß § 199 Abs 1 Z 3 AktG nichtig.

Der Oberste Gerichtshof sprach aus, dass die Vorstandsmitglieder als Mittäter einen Befugnismissbrauch begingen, indem sie eine mit den Betriebsergebnissen nicht in Einklang zu bringende und gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßende Ausschüttung einer Sonderdividende an die Alleinaktionärin verfügten und dafür ein Darlehen aufnahmen.

Durch die damit einhergehende Erhöhung der Passiva ist der Libro Handels AG ein Vermögensnachteil entstanden.

Der Oberste Gerichtshof setzte die vom Erstgericht verhängten Freiheitsstrafen herab und sah diese unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nach.

1.1 Die Aktiengesellschaft ist Schutzobjekt des § 153 StGB, nicht die Alleinaktionärin

Der Oberste Gerichtshof verwies auf die ständige Rechtsprechung zur GmbH, wonach bei einer zu Lasten einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung begangenen Untreue nicht der mittelbare Schaden der Gesellschafter, sondern der unmittelbare Nachteil der Gesellschaft maßgebend ist und wendete diesen Rechtssatz auch auf die Aktiengesellschaft an.

Durch die Zustimmung der Alleinaktionärin hätte der Befugnismissbrauch nicht ausgeschlossen werden können. Dazu führte der OGH in seiner Begründung aus, dass die Anerkennung einer strafrechtlich zulässigen Dispositionsbefugnis der Gesellschafter über das Vermögen der Aktiengesellschaft deren körperschaftliche Struktur konterkarieren würde. Aktionäre einer Aktiengesellschaft können weder Angelegenheiten der Geschäftsführung an sich ziehen, noch dem Gesellschaftswohl zuwiderlaufende Weisungen erteilen.

Somit ist auch unter dem Aspekt der Untreue nach § 153 StGB eine Überschreitung von der Hauptversammlung aktienrechtlich vorgegebenen Kompetenzen unzulässig.

1.2 Unterschiedliche Behandlung der Einpersonen-AG und der Einpersonen-GmbH bei nachteiligen Vermögensverfügungen

Nach der Rechtsprechung tritt ein Schaden bei der „Einmann-GmbH“, deren Geschäftsführer zugleich einziger Gesellschafter ist, nicht bei einem „anderen“ ein, wenn der Gesellschaftergeschäftsführer für die Gesellschaft nachteilige Vermögensverschiebungen tätigt. Mit anderen Worten: Der einzige Gesellschafter einer GmbH kommt als Täter einer zu deren Lasten begangenen Untreue nicht in Betracht.

Anders verhält es sich laut OGH bei der Aktiengesellschaft: Der fehlende Einfluss der Aktionäre auf die Geschäftsführung steht einer (wirtschaftlichen) Identifikation von Aktionären und Aktiengesellschaft entgegen.

1.3 Auch Vermögensverschiebungen im Konzern können den Untreuetatbestand erfüllen

Dem Konzern kommt keine eigene Rechtspersönlichkeit zu, sodass auch Vermögensverschiebungen innerhalb von Konzernunternehmen Schädigungen iSd § 153 StGB darstellen können.

2.4 Bei Untreue muss der Vermögensnachteil kein dauernder sein

Die Tat war unmittelbar nach Mittelabfluss vollendet. Die nach diesem Zeitpunkt durch Verschmelzung erfolgte Übertragung von Vermögen der Alleinaktionärin auf die Libro Handels AG ist für die Schuldfrage nicht von Bedeutung.

Zusammenfassung

Das Gesellschaftsrecht und der Untreuetatbestand hängen eng miteinander zusammen. Voraussetzung für das Vorliegen der Untreue nach § 153 StGB ist das Bestehen einer Befugnis und deren Verletzung. Das Gesellschaftsrecht legt fest, welche Befugnisse den Organmitgliedern von Kapitalgesellschaften zukommen und wann ein Missbrauch dieser Befugnisse vorliegt.

In der Libro-Entscheidung zieht der Oberste Gerichtshof mit seinen Rechtsätzen eine Richtschnur, inwiefern der Untreuetatbestand nach § 153 StGB an gesellschaftsrechtliche Befugnismissbräuche anknüpft und wer als „Täter“ und „Geschädigter“ im aktienrechtlichen Konzernunternehmen zu betrachten ist.

Sowohl in den Medien als auch in der fachspezifischen Literatur wurde diese Entscheidung mit großer Spannung erwartet. Kritisiert wurde, dass der OGH mit dieser Entscheidung das Verbot der Einlagenrückgewähr strafrechtlich bewehrt hat und der Vorstand sogar dann den Tatbestand der Untreue nach § 153 StGB verwirklicht, wenn eine Zustimmung der Gesellschafter vorliegt.

Autoren

Mag. Georg Streit

Mag. Georg Streit ist seit 2000 Rechtsanwalt und seit 2001 Partner bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Immaterialgüterrecht, Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht, Rundfunkrecht und Vergaberecht. Weiters ist er Lektor an den Universitäten Wien und Salzburg, Vortragender bei Seminaren und Lehrgängen.

Für WEKA ist er Herausgeber des Newsletters für Gesellschaftsrecht Online sowie für das Werk „Personengesellschaften in Fallbeispielen“.

www.h-i-p.at

Mag. Sophie Tschöp

Mag. Sophie Tschöp M.B.L ist Rechtsanwaltanwärterin bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte.