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Stefan Schermaier - Marion Demmer | News | 13.07.2016

Erklärung über die Ausübung des Aufgriffsrechts – Anwendbarkeit des Formgebots gemäß § 76 Abs 2 Satz 2 GmbHG?

Die Gastautoren Dr. Schermaier und Mag. Demmer beleuchten in ihrem Beitrag das Formgebot des § 76 Abs 2 GmbHG bei der Übertragung von Geschäftsanteilen unter Berücksichtigung von relevanter Judikatur aus verschiedenen Blickwinkeln.

Einleitung

Ein Großteil der Gesellschaftsverträge regelt für bestimmte Fälle wechselseitige Aufgriffsrechte der Gesellschafter. Nach § 76 Abs 2 GmbHG bedarf es zur Übertragung von Geschäftsanteilen mittels Rechtsgeschäftes unter Lebenden eines Notariatsaktes. Nach § 76 Abs 2 Satz 2 GmbHG umfasst die Notariatsaktpflicht auch Vereinbarungen über die Verpflichtung eines Gesellschafters zur künftigen Abtretung eines Geschäftsanteils (zitiert: „Der gleichen Form bedürfen Vereinbarungen über die Verpflichtung eines Gesellschafters zur künftigen Abtretung eines Geschäftsanteils“). Da Aufgriffsrechte in einem verpflichtend in Notariatsaktform abzuschließenden Gesellschaftsvertrag enthalten sind, wird prima vista den gesetzlichen Regelungen genüge getan. In der Praxis führt jedoch das in § 76 Abs 2 GmbHG normierte Formgebot zur Frage, ob auch die Ausübung des im Gesellschaftsvertrag und damit formgerecht normierten Aufgriffsrechts ebenso der Form eines Notariatsakts bedarf oder nicht. Dies insbesondere deshalb, weil in aller Regel in den jeweiligen Gesellschaftsverträgen selbst festgehalten ist, dass die Erklärung über die Ausübung des Aufgriffsrechts mit eingeschriebem Brief erfolgen soll. Nach Erklärung des Aufgriffsrechts sollen dann beide Vertragsparteien verpflichtet sein, einen Kauf- und Abtretungsvertrag (in Notariatsaktform) abzuschließen.

Im Folgenden soll auf die Anwendbarkeit des Formgebots gemäß § 76 Abs 2 GmbHG auf die Erklärung über die Ausübung des Aufgriffsrechts bei GmbH-Anteilen näher eingegangen werden. Ausdrücklich nicht behandelt soll hier der Fall werden, dass einseitig die Abtretung (ähnlich eines Abtretungsanbots) angeboten und durch einseitige Erklärung angenommen werden kann.

Formgebot gemäß § 76 Abs 2 GmbHG im Allgemeinen

Grundsätzlich gilt das Formgebot gemäß § 76 Abs 2 GmbHG sowohl für das Verpflichtungs- als auch für das Verfügungsgeschäft. Ein Teil der Literatur spricht sich für die Reduzierung des Formgebots auf das Verpflichtungsgeschäft aus und will den Modus ohne Notariatsakt gelten lassen (Schummer, ecolex 1991, 319; Warto, ÖJZ 2012, 437). Eine OGH-Entscheidung aus dem Jahr 1985 (OGH 3 Ob 544/85) hält sogar ausdrücklich fest, dass die Formpflicht nur für das Verfügungsgeschäft gelten solle.

Nach herrschender Lehre und auch nach der aktuellen Rechtsprechung des OGH, umfasst die Formpflicht aber nicht bloß das Verfügungs-, sondern auch das Verpflichtungsgeschäft (OGH 6 Ob 542/90). Auch in Deutschland geht die herrschende Lehre zu dem mit § 76 Abs 2 GmbHG fast wörtlich übereinstimmenden § 15 Abs 3 und 4 deutsches GmbHG von einem Formgebot für das Verpflichtungs- als auch für das Verfügungsgeschäft aus (Schilling-Zutt in Hachenburg, GmbHG7, § 15 Rz 14; Winter in Scholz, GmbHG6, § 15 Rz 36). Die Ansicht von Schummer, dass die Notariatsaktform für die sachenrechtliche Übertragung entbehrlich sei, wenn immerhin das Verpflichtungsgeschäft in dieser Form abgeschlossen wurde, wurde in der Literatur nicht mehr weiter verfolgt (Enzinger, AnwBl 2001, 510.)

Grundsätzlich nennt der OGH meist drei Zwecke der Formvorschrift (OGH 6 Ob 640/91, OGH 6 Ob 63/10y) in seinen Entscheidungen, so genannte „Trias der Schutzzwecke“ (Reich-Rohrwig, ecolex 1990, 546). Dazu zählen (i) die Immobilisierung, (ii) der reifliche Schutz des Erwerbers vor den Gefahren der GmbH und (iii) die Publizität der Gesellschafterstellung. Nach der Rechtsprechung sind der Übereilungsschutz und Publizität der Gesellschafterstellung nachranging gegenüber dem substanziellen Immobilisierungszweck (OGH 8 Ob 259/02 z). Übereilungsschutz und Publizität werden sogar von der Literatur zum Teil angezweifelt (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 76 Rz 17).

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung wird das Formgebot somit sowohl für das Verpflichtungs- als auch für das Verfügungsgeschäft gefordert (OGH 6 Ob 241/99f, 6 Ob 241/98d, 7 Ob 2350/96f, 6 Ob 640/91). Darüber hinaus bedürfen nach § 76 Abs 2 Satz 2 GmbHG auch Vereinbarungen über die Verpflichtung eines Gesellschafters zur künftigen Abtretung eines Geschäftsanteils eines Notariatsakts. Fraglich ist jedoch die Anwendbarkeit der Bestimmung auf die Erklärung über die Ausübung des Aufgriffsrechts, wenn sich bereits eine Übertragungsverpflichtung aus dem gemäß § 4 Abs 3 GmbHG errichteten Gesellschaftsvertrag ergibt und nach Ausübung des Aufgriffsrechts ohnehin nochmals ein Kauf- und Abtretungsvertrag abzuschließen ist. Ein Großteil der Literatur lehnt diese überschießende Formpflicht ab.

Formgebot gemäß § 76 Abs 2 GmbHG – Rechtsprechung

Im Jahr 1990 hat der OGH (6 Ob 542/90) sich scheinbar erstmals substantiell mit der Frage der Formpflicht von Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäft auseinandergesetzt und auch Vereinbarungen über die Verpflichtung eines Gesellschafters zur künftigen Abtretung eines Geschäftsanteils dem Formgebot gemäß § 76 Abs 2 Satz 2 GmbHG unterworfen. Darüber hinaus hat er bekräftigt, dass durch den Gesellschaftsvertrag zwar Erschwerungen bei der Übertragung von Geschäftsanteilen, nicht aber Erleichterungen von der Formvorschrift möglich sind. Diese OGH-Entscheidung wird gerne als Referenz herangezogen, wenn für die Formpflicht der Erklärung über die Ausübung von Aufgriffsrechten argumentiert wird. Hier ist aber zu beachten, dass die Entscheidung ganz spezifischen sachverhaltsbezogenen Vorgaben folgt, die keine Verallgemeinerung zulassen. Vielmehr lag der Entscheidung zugrunde, dass sich zwei Gesellschafter im Rahmen einer Generalversammlung auf Verkauf- und Übertragung eines Geschäftsanteils geeinigt hatten, aber weder der Verkäufer die Abtretungserklärung noch der Käufer die Übernahmeerklärung in Notariatsaktform abgegeben hatten. Hier hat der OGH zurecht festgehalten, dass sowohl die Verpflichtungserklärung bzw das Angebot als auch die Übernahmeerklärung in Notariatsaktform zu erfolgen haben, ansonsten der Formpflicht nach § 76 Abs 2 GmbHG nicht genüge getan ist. Der hier zu behandelnde Sachverhalt ist aber ein anderer. Vielmehr geht es um die Frage, ob die Erklärung, ein gesellschaftsvertragliches und formgerecht normiertes Aufgriffsrecht auszuüben, eines Notariatsakts bedarf, wenngleich weitere wesentliche Bestimmungen von Kauf- und Abtretung (zB der Kaufpreis) noch nicht feststehen und sohin ohnehin noch ein Kauf- und Abtretungsvertrag in Notariatsaktform geschlossen werden muss.

Erklärung über die Ausübung des Aufgriffsrechts – Anwendbarkeit des Formgebots gemäß § 76 Abs 2 Satz 2 GmbHG?

Gemäß § 4 Abs 3 GmbHG muss der Gesellschaftsvertrag einer GmbH in Form eines Notariatsaktes errichtet werden. Wenn sich nun eine Übertragungsverpflichtung eines Geschäftsanteils bereits aus dem in Form eines Notariatsaktes errichteten Gesellschaftsvertrag ergibt, vertraglich festgehalten ist, dass nach Ausübung des Aufgriffsrechts, die Parteien einen Kauf- und Abtretungsvertrag in Notariatsaktform errichten sollen, und die Erklärung über die Ausübung des Aufgriffsrecht ebenfalls notariatsaktpflichtig wäre, dann bestünde folglich eine überschießende Notariatsaktpflicht. Koppensteiner bekräftigt allerdings, dass § 76 Abs 2 Satz 2 GmbHG dann nicht anwendbar ist, wenn sich die Übertragungsverpflichtung aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 76 Rz 21).

Nachdem Aufgriffsrechte in Gesellschaftsverträgen sehr häufig sind, ja fast regelmäßig vorkommen, muss – folgt man den Ausführungen einer Art erweiterten Notariatsaktpflicht, dass bereits die Erklärung über die Ausübung des Aufgriffsrechts der Notariatsaktform bedarf – angenommen werden, dass unzählige gesellschaftsvertragliche Bestimmungen über Aufgriffsrechte nichtig sind. Teile der Literatur (ua Koppensteiner/Rüffler in GmbHG³ § 76 Rz 21) sprechen sich jedoch vehement gegen eine Anwendung der Notariatsaktpflicht auf die Erklärung über die Ausübung des Aufgriffsrechts aus, wenn sich die Übertragungsverpflichtung bereits aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt, und bekräftigen, dass das Formgebot durch die notariatsaktpflichte Errichtung des Kauf- und Abtretungsvertrages eingehalten wird.

Liegt ein Aufgriffsfall vor und wird folglich das Aufgriffsrecht konkret geltend gemacht, so erfolgt der Übergang des Geschäftsanteils nicht eo ipso, sondern es wird hierfür ein Kauf- und Abtretungsvertrag errichtet, für den nach herrschender Meinung die Notariatsaktform zwingend vorgeschrieben ist (Kostner-Umfahrer4, GmbHG Rz 713; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG § 76 Rz 17 und 26; OGH ecolex 1992, 634; JBl 1990, 715). Damit wird auch der „Trias der Schutzzwecke“ ausreichend Rechnung getragen. Zweck der Formpflicht des § 76 Abs 2 GmbHG ist, wie bereits oben erläutert, die Immobilisierung der Geschäftsanteile, die Identifizierbarkeit der Gesellschafter und Gesellschafter vor übereilter Abtretung zu bewahren. Dieser Schutzzweck wird vollständig durch die Errichtung des Kauf- und Abtretungsvertrags in Notariatsaktform erfüllt. Eine zusätzliche Notariatsaktpflicht für die Erklärung über die Ausübung des Aufgriffsrechts wäre kontraproduktiv und würde den Sinn der Vereinbarung von Aufgriffsklauseln in Gesellschaftsverträgen konterkarieren.

Die Aufgriffsklauseln in unzähligen Gesellschaftsverträgen gehen daher richtigerweise davon aus, dass die Geltendmachung von Vorkaufs- und Aufgriffsrechten durch (eingeschriebenen) Brief erfolgen, dann – entsprechend den (gesellschafts-)vertraglich vereinbarten Grundsätzen – eine Einigung über den Kaufpreis erfolgt und im Anschluss ein entsprechender Kauf- und Abtretungsvertrag in Notariatsaktform gemäß § 76 Abs 2 GmbHG zu errichten ist. Eine zusätzliche Notariatsaktpflicht in Bezug auf die Erklärung über die Ausübung des Aufgriffsrechts hätte eine Redundanz der Formpflicht zufolge.

Fazit

Eine Notariatsaktpflicht nach § 76 Abs 2 GmbHG für die Erklärung über die Ausübung des Aufgriffsrechts und den anschließenden Kauf- und Abtretungsvertrag ist abzulehnen, insbesondere weil die zusätzliche Notariatsaktpflicht hinsichtlich der Ausübungserklärung eine überschießende Formpflicht bewirken würde. Koppensteiner/Rüffler ist zu folgen, wenn sie meinen, dass § 76 Abs 2 Satz 2 GmbHG auf die Ausübungserklärung, die noch nicht ipso jure zur Übertragung des Geschäftsanteils führt, nicht anwendbar ist, wenn sich die Übertragungsverpflichtung aus dem bereits gemäß § 4 Abs 3 GmbHG in Form eines Notariatsaktes errichteten Gesellschaftsvertrag ergibt (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 76 Rz 21).

Über die Autoren

Dr. Stefan Schermaier ist Rechtsanwalt und Partner, Mag. Marion Demmer Rechtsanwaltsanwärterin bei Tonninger | Schermaier | Maierhofer & Partner Rechtsanwälte (http://www.tsm-law.at). Schwerpunkttätigkeiten der Autoren sind Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, M & A, Bank- und Kapitalmarktrecht sowie Vertragsrecht.

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