Dokument-ID: 322799

Lisa Korninger | News | 07.11.2011

Erwerb eigener Anteile und Verbot der Einlagenrückgewähr bei Put-Option

Der Erwerb von Put-Optionen, bei denen die AG Stillhalterin ist und keine Kontrolle über den Aktienerwerb mehr hat, fällt grundsätzlich in den Anwendungsbereich des § 65 AktG.

Geschäftszahl

OGH 18.07.2011, 6 Ob 33/11p

Norm

§§ 52, 65 Abs 1 und Abs 2 AktG; § 225 Abs 5 HGB

Leitsatz

Quintessenz:

Der Erwerb von Put-Optionen, bei denen die AG Stillhalterin ist und keine Kontrolle über den Aktienerwerb mehr hat, fällt grundsätzlich in den Anwendungsbereich des § 65 AktG. § 65 AktG fungiert als Verbotsausnahme gegenüber § 52 AktG und ist nicht auf typische Gefährdungslagen zu reduzieren. Auch die Konstruktion einer Put-Option samt Recht zum Cash Settlement ist vom Verbot der Einlagenrückgewähr erfasst.

OGH: Gemäß § 52 AktG dürfen den Aktionären einer Aktiengesellschaft die Einlagen nicht zurückgewährt werden. Der Erwerb eigener Aktien stellt wirtschaftlich betrachtet einen Fall von Einlagenrückgewähr dar und ist daher grundsätzlich verboten. Der Erwerb eigener Anteile ist nach dem Aktiengesetz nur unter besonders eingeschränkten Bedingungen möglich. Wenn jedoch ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, ist jedenfalls eine verbotene Leistung anzunehmen. Dies liegt unter anderem beim Erwerb eigener Aktien durch die Aktiengesellschaft zu einem überhöhten Erwerbspreis vor.

Die Zulässigkeit einer Put-Option ist anhand des § 65 Abs 1 Z 8 AktG (in der Fassung BGBl I Nr 42/2001) zu prüfen. Danach darf eine Aktiengesellschaft eigene Aktien nur mit einer höchstens 18 Monate geltenden Ermächtigung der Hauptversammlung erwerben, wenn die Aktien an einem anerkannten, für das Publikum offenen, ordnungsgemäß funktionierenden Wertpapiermarkt in einem Vollmitgliedstaat der OECD zugelassen waren. Nach § 65 Abs 2 Satz 2 AktG ist der Erwerb nur zulässig, wenn die Gesellschaft die gemäß § 225 Abs 5 HGB vorgeschriebene Rücklage für eigene Anteile bilden konnte, ohne dass das Nettoaktivvermögen das Grundkapital und eine nach Gesetz oder Satzung gebundene Rücklage unterschreitet. Ein Erwerb, der gegen die Bestimmung des § 65 Abs 2 AktG verstößt, ist nichtig.

Nach herrschender Auffassung fällt der Erwerb von Put-Optionen, bei denen die Gesellschaft Stillhalterin ist und daher über den Aktienerwerb nicht mehr die Kontrolle hat, grundsätzlich in den Anwendungsbereich des § 65 AktG. Eine Ausgabe von Put-Optionen auf eigene Aktien der Gesellschaft ist jedenfalls nur zulässig, sofern die Voraussetzungen des § 65 AktG bereits im Zeitpunkt der Ausgabe der Optionen durch die Gesellschaft erfüllt waren. Ein Verstoß gegen das Einlagenrückgewährgebot ist anzunehmen, wenn der Kaufpreis über dem Börsenkurs der Aktie liegt und nicht durch andere Vorteile für die Gesellschaft gerechtfertigt wird.

Für eine teleologische Reduktion des § 65 AktG besteht kein Anlass, da bei der Auslegung der Eintritt einer abstrakten Gefährdung durch Überschreiten der Erlaubnistatbestände beziehungsweise Nichteinhaltung der Beschränkungen genügt.

Auch die Konstruktion einer Put-Option samt Recht zum Cash Settlement (= Put-Option, die die Gesellschaft bei Ausübung nach ihrer Wahl auch durch Zahlung in Geld erfüllen kann [Barausgleich]) ist vom Verbot der Einlagenrückgewähr erfasst, da den Aktionären im Fall des Cash Settlements wirtschaftlich dieselbe Beeinträchtigung wie im Fall des effektiven Erwerbs eigener Aktien droht.

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