Dokument-ID: 790420

WEKA (vpa) | News | 22.10.2015

Folgen des Vermögenzuwachses einer vom Unterhaltsschuldner errichteten Privatstiftung für den Unterhalt

Errichtet der Unterhaltspflichtige zum Zweck der Wahrnehmung von Geschäftsgelegenheiten eine Stiftung, deren alleiniger Begünstigter er ist, so ist er unterhaltsrechtlich so zu behandeln, als hätte er sie selbst wahrgenommen.

Geschäftszahl 

OGH 15.07.2015, 3 Ob 96/15m

Norm 

§ 94 Abs 1 ABGB

Leitsatz

Quintessenz:

Errichtet der Unterhaltspflichtige in Kenntnis seiner Unterhaltspflicht zum Zweck der Wahrnehmung von Geschäftsgelegenheiten eine Privatstiftung, deren alleiniger Begünstigter er ist, so ist er in Bezug auf die Erlöse aus diesen Geschäftsgelegenheiten aufgrund des Anspannungsgrundsatzes unterhaltsrechtlich so zu behandeln, als hätte er sie selbst wahrgenommen.

OGH: Indem der Unterhaltsverpflichtete in Kenntnis seiner Unterhaltspflicht eine Privatstiftung zum Zweck des Erwerbs von Unternehmensbeteiligungen errichtet, deren einziger Begünstigter er ist, nimmt er schuldhaft die Gelegenheit nicht wahr, dass ihm die aus den Unternehmensbeteiligungen erzielten Veräußerungsgewinne zufließen. Daher ist der Unterhaltspflichtige nach dem Anspannungsgrundsatz so zu behandeln, als hätte er selbst die Beteiligungen erworben und die Veräußerungsgewinne lukriert.

Grundlage für den Anspannungsgrundsatz ist die in § 94 Abs 1 normierte Obliegenheit der Ehegatten, einer ihren Fähigkeiten entsprechenden zumutbaren Erwerbstätigkeit nachzugehen. Zur Anwendung kommt er, wenn der Unterhaltsverpflichtete schuldhaft keine Einkünfte in zumutbarer Weise erzielt. Maßstab ist der ordentliche, familien- und pflichtbewusste Ehegatte. Bezieht der Unterhaltsverpflichtete ein Einkommen, so ist er nur anzuspannen, wenn seine tatsächlich bezogenen Einkünfte deutlich hinter den berechtigterweise erwartbaren Einkünften zurückbleiben.

Der OGH sieht zwar keine Verpflichtung des Unterhaltspflichtigen, die Geschäftsgelegenheit zu ergreifen, wenn er bereits über ein ohnehin hohes Einkommen verfügt. Ein pflichtgemäß handelnder Unterhaltsschuldner hätte Unternehmensbeteiligungen selbst erworben und in weiterer Folge die Unterhaltsberechtigten am erzielten Gewinn teilhaben lassen.

Teil der Unterhaltsbemessungsgrundlage sind nur Erträge des Vermögens, nicht aber der Stamm. Ein Verkaufserlös stellt keinen Ertrag dar sondern den Gegenwert der verkauften Sache in Geld und ist daher nicht als Einkommen zu betrachten. Deshalb ist nicht der Verkaufserlös selbst in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, sondern der Unterhaltsverpflichtete auf jene fiktiven Erträge anzuspannen, die einzunehmen er versäumt hat, weil er nicht nur die Beteiligung nicht selbst erworben hat sondern auch den Verkaufserlös ertragslos in einer Privatstiftung belässt, deren einziger Begünstigter er ist.

Daher ist der Unterhaltsverpflichtete so zu behandeln, als hätte er den Verkaufserlös selbst lukriert (dh ohne Rückgriff auf eine Privatstiftung) und ihn im Anschluss nach Abzug der Steuern gewinnbringend unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses von Risiko und Ertrag auf dem Kapitalmarkt angelegt. Die hypothetischen Erträge sind als fiktives Einkommen des Unterhaltspflichtigen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen.

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