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Georg Streit - Livia Fleischer | News | 24.10.2016

Gesellschaftsvertrag, Gewinnverteilung und Gewinnausschüttung bei der GmbH – Aktuelles vom OGH!

Die Gastautoren Mag. Georg Streit und Mag. Livia Fleischer erläutern anhand einer aktuellen OGH-Entscheidung, ob eine allgemeine Bestimmung zur abweichenden Regelung der Gewinnverteilung im Gesellschaftsvertrag ausreichend ist.

Eine aktuelle OGH-Entscheidung (30.08.2016, 6 Ob 143/16x) gibt neuen Aufschluss über die Zulässigkeit der Vereinbarung einer von der Regelung des § 82 Abs 2 GmbHG abweichenden Gewinnverteilung durch Gesellschafterbeschluss. Dieser Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die Möglichkeit der Vereinbarung einer abweichenden Gewinnverteilung und die OGH-Entscheidung zur Frage der asymmetrischen Gewinnausschüttung.

1. Einleitung und allgemeiner Überblick 

Der Bilanzgewinn einer GmbH ist grundsätzlich an die Gesellschafter auszuschütten. Der Gesellschafter hat daher einen Rechtsanspruch auf Ausschüttung des Bilanzgewinns. Fraglich ist, wie der auszuschüttende Bilanzgewinn zu verteilen ist.

In einer Vielzahl von Gesellschaftsverträgen befindet sich keine Klausel, die die Gewinnverteilung zwischen den Gesellschaftern regeln würde. Vermutlich weil sich viele Gründer keine Gedanken dazu machen, wie ein Gewinn verteilt werden soll, oder weil rechtlich keine Notwendigkeit besteht, die Gewinnverteilung im Gesellschaftsvertrag gesondert zu regeln. Der Grund dafür ist die Gewinnverteilungsregel des § 82 Abs 2 GmbHG. Diese lautet: „Die Verteilung des Bilanzgewinns erfolgt in Ermangelung besonderer Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages nach Verhältnis der eingezahlten Stammeinlagen.“

Es gilt somit der Grundsatz der Vollausschüttung, solange sich keine abweichende Bestimmung im Gesellschaftsvertrag findet. Eine solche ist – wie dargestellt – Voraussetzung für die Vornahme einer abweichenden Gewinnverteilung. Der Gesellschaftsvertrag kann somit eine abweichende Gewinnverteilung vorsehen und die Gewinnverteilung auch von einem Gesellschafterbeschluss abhängig machen. Das lässt sich auch § 35 Abs 1 Z 1 GmbHG entnehmen, wonach die Gesellschafter zwar nach der Feststellung des Jahresabschlusses über die Bilanzgewinnverteilung beschließen, dies jedoch nur wenn der Gesellschaftsvertrag die Verteilung einer „besonderen Beschlussfassung von Jahr zur Jahr“ vorbehält.

Daraus lässt sich ableiten, dass es nicht ausreichend ist, eine allgemeine Bestimmung zur abweichenden Regelung der Gewinnverteilung in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen, wenn man regeln möchte, dass die Gesellschafter über die Frage, in welchem Verhältnis der Gewinn verteilt werden soll, jährlich neu beschließen können sollen. Eine solche Regelung muss auch inhaltlich besondere Voraussetzungen erfüllen. Das wird häufig beim Verfassen von Gesellschaftsverträgen nicht berücksichtigt, sodass oft nur der Gesetzeswortlaut „Der Beschlussfassung der Gesellschafter unterliegen … die Verteilung des Bilanzgewinns ….“ übernommen wird. Mit einer diesem Gesetzeswortlaut entsprechenden Wendung ist jedoch meistens (nur) die Frage der möglichen Einschränkung des Vollausschüttungsgebots gemeint und nicht auch eine Änderung des Verteilungsschlüssels. Möchte man daher nicht nur eine Einschränkung der Verteilung des Bilanzgewinns der besonderen Beschlussfassung von Jahr zu Jahr vorbehalten, sondern auch eine von der Verteilung im Verhältnis der Stammeinlagen abweichende Gewinnverteilung durch Gesellschafterbeschluss ermöglichen, empfiehlt es sich, dies explizit in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen. Nur dann haben die Gesellschafter zweifellos auch die Kompetenz über einen vom § 82 Abs 2 GmbHG abweichenden Verteilungsschlüssel zu beschließen.

Über die Aufnahme einer solchen Klausel hat der OGH nunmehr zu entscheiden gehabt.

2. Sachverhalt und Vorgeschichte

Die beiden einzigen Gesellschafter einer GmbH, die zu jeweils 50 % an dieser beteiligt waren, beantragten die Eintragung der Änderung des Gesellschaftsvertrags in Punkt 10., sodass dieser unter anderem die folgende Regelung enthalten sollte:

„d) Die Gewinnverteilung erfolgt im Verhältnis der geleisteten Stammeinlagen, es sei denn, die Generalversammlung beschließt einstimmig etwas anderes (zB eine alineare Gewinnverteilung).“

Der Gesellschaftsvertrag hatte bis dahin keine Regelung über die Form der Verteilung enthalten und somit auch nicht die Möglichkeit der abweichenden Regelung der Verteilungsquoten vorgesehen.

Das Erstgericht wies die Eintragung dieser Änderung im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass § 50 Abs 4 GmbHG – unabhängig von der Teilnahme an der Beschlussfassung – die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter für eine Beschlussfassung wie die vorliegende fordere, das sei aber der oben angeführten Regelung nicht zu entnehmen. § 50 Abs 4 GmbHG sieht vor, dass eine Vermehrung der den Gesellschaftern nach dem Vertrage obliegenden Leistungen oder eine Verkürzung der einzelnen Gesellschaftern durch den Vertrag eingeräumten Rechte (Sonderrechte) nur unter Zustimmung sämtlicher von der Vermehrung oder Verkürzung betroffenen Gesellschafter beschlossen werden kann.

Das Rekursgericht gab dem dagegen von der Gesellschaft und den Geschäftsführern erhobenen Rekurs nicht Folge, weil der zur Eintragung begehrte geänderte Punkt 10. d) für sich allein betrachtet nicht eindeutig regle, wie sich im konkreten Fall eine alineare Gewinnverteilung darstellen solle. Sofern jedoch – aus welchen Gründen auch immer – nur eine einzige Gesellschafterstimmabgabe vorliegen sollte, könnte nach Ansicht des Rekursgerichts im konkreten Fall der einzelne Gesellschafter zum Nachteil des anderen Gesellschafters eine alineare Gewinnverteilung beschließen, ohne dass dieser andere seine Zustimmung erteilt hätte und ohne dass dieser wisse, wie diese alineare Gewinnverteilung ausgestaltet sei und welche Konsequenzen für ihn damit verbunden wären. Dies erachtete das Rekursgericht als mit § 50 Abs 4 GmbHG unvereinbar.

Gegen diese Rekursentscheidung erhoben die Gesellschafter außerordentlichen Revisionsrekurs an den OGH.

3. Die Entscheidung des OGH

Wie bereits ausgeführt, muss – soll eine Beschlussfassung der Gesellschafter über eine alineare Gewinnverteilung zulässig sein – dies eindeutig im Gesellschaftsvertrag vorgesehen sein.

Der OGH schließt sich in seiner Entscheidung den Lehrmeinungen an, nach denen eine in den Gesellschaftsvertrag aufgenommene gesetzliche Regel ebenfalls ein Sonderrecht im Sinn des § 50 Abs 4 GmbHG sein kann. Ob dies der Fall ist, sei jedoch im Einzelfall im Wege der Auslegung zu entscheiden.

Da im vorliegenden Fall die Verteilungsregelung des § 82 Abs 2 GmbHG nicht im bisherigen Gesellschaftsvertrag enthalten war, stellt diese Verteilungsregel auch kein Sonderrecht der Gesellschafter im Sinn des § 50 Abs 4 GmbHG dar, in das durch die zur Eintragung angemeldete Änderung des Punktes 10. eingegriffen wurde.

Hinsichtlich der Verteilung des Bilanzgewinns kann der Gesellschaftsvertrag jede von § 82 Abs 2 GmbHG abweichende Regelung treffen, soweit sie nicht sittenwidrig ist. Daher ist auch eine Bestimmung des Gesellschaftsvertrags für einen einstimmigen Gesellschafterbeschluss über eine asymmetrische Gewinnausschüttung möglich. Eine Rechtswidrigkeit dieser Bestimmung war für den OGH nicht ersichtlich, wobei eine solche Gewinnverteilung ohnehin jeder Gesellschafter durch entsprechende Stimmabgabe oder – unter den Voraussetzungen des § 41 GmbHG – durch Klage verhindern kann.

Der OGH hat daher dem Erstgericht die Firmenbucheintragung aufgetragen.

4. Schlussbemerkung

Die Entscheidung des OGH zeigt, dass zwar auch eine gesetzliche Regelung durch Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag die Stellung als Sonderrecht erlangen kann, dies jedoch in der Regel nicht ohne entsprechenden Passus im Gesellschaftsvertrag möglich ist. Ob daher letztlich durch die Vereinbarung einer alinearen Verteilung in ein Sonderrecht eingegriffen wird, bleibt der Vertragsauslegung im Einzelfall vorbehalten.

Es ist auch sinnvoll, die Beschlussfassung über eine asymmetrische Verteilung im Gesellschaftsvertrag – jedenfalls wenn ein solcher Beschluss einstimmig zu fassen ist – ohne detaillierte Ausformulierung der asymmetrischen Verteilung zuzulassen. Andernfalls forderte man, dass bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme einer solchen Bestimmung in den Gesellschaftsvertrag die Art (das Ausmaß) der alinearen Verteilung festzulegen wäre – dies zur Folge hätte, dass die Gesellschafter – sofern sie eine andere asymmetrische Verteilung (sei es auch einstimmig) beschließen möchten – erst wiederum eine Gesellschaftsvertragsänderung beschließen müssten.

Für die Praxis gilt es daher zu überlegen, ob die gesetzlich vorgesehene oder andere Verteilungsquoten gewünscht sind bzw ob künftig die Möglichkeit bestehen soll, dass die Gesellschafter eine alineare Verteilung beschließen.

Sollte die Änderung des Verteilungsschlüssels durch künftigen Gesellschafterbeschluss gewünscht sein, muss dies ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag genannt sein. Fehlt eine entsprechende Klausel, müsste man – wenn der Verteilungsschlüssel geändert werden soll – eine Änderung des Gesellschaftsvertrags beschließen.

Haben Sie bereits gegründet und möchten nun die Möglichkeit der alinearen Verteilung durch Gesellschafterbeschluss einführen, sollten Sie – vor Änderung des Gesellschaftsvertrags – prüfen, ob Sie damit in Sonderrechte eingreifen.

Autoren

Mag. Georg Streit

Mag. Georg Streit ist seit 2000 Rechtsanwalt und seit 2001 Partner bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Immaterialgüterrecht, Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht, Rundfunkrecht und Vergaberecht. Weiters ist er Lektor an den Universitäten Wien und Salzburg, Vortragender bei Seminaren und Lehrgängen.

Für WEKA ist er Herausgeber des Newsletters für Gesellschaftsrecht Online sowie für das Werk „Personengesellschaften in Fallbeispielen“.

Mag. Livia Fleischer, LL.M.

Mag. Livia Fleischer, LL.M., ist Rechtsanwaltsanwärterin bei Höhne, In der Maur & Partner, Wien.

www.h-i-p.at