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Dokument-ID: 845793

WEKA (ffa) | News | 13.07.2016

Gesellschaftsvertragliche Regelung von Aufgriffsrechten (Bestätigung 6 Ob 142/05h)

Die Klausel, wonach bei Insolvenz eines Gesellschafters ein Aufgriffsrecht besteht, das Gläubiger – durch Reduzierung des Anspruchs des Gesellschafters auf 50% des Verkehrswertes – schlechter stellt, als außerhalb der Insolvenz, ist sittenwidrig.

Geschäftszahl

OGH vom 30.03.2016, 6 Ob 35/16i

Norm

§ 76 Abs 4 GmbHG

Leitsatz

Quintessenz:

Die Klausel im Gesellschaftsvertrag einer GmbH, wonach im Falle der Insolvenz eines Gesellschafters ein Aufgriffsrecht besteht, das die Gläubiger – durch Reduzierung des Entgeltanspruchs des Gesellschafters auf die Hälfte des Verkehrswertes – schlechter stellt, als außerhalb der Insolvenz, ist sittenwidrig. Die Befriedigung der Gläubiger geht den Interessen der Gesellschaft vor, sie sollen bei Insolvenz des Gesellschafters zumindest den Schätzwert der Anteile erhalten.

OGH: Aufgriffsrechte erlauben es Gesellschaftern, unter bestimmten Bedingungen von einem anderen Gesellschafter die Übertragung seines Geschäftsanteiles zu verlangen. In casu wurde ein solches für den Fall der Insolvenz eines Gesellschafters im Gesellschaftsvertrag festgehalten und an eine Buchwertklausel gebunden. Der Gesellschafter hätte seine Anteile damit zur Hälfte des Verkehrswertes an einen anderen Gesellschafter abtreten müssen.

Aus den folgenden Gründen ist diese Klausel wegen Sittenwidrigkeit unzulässig:

Die Rechtsprechung vertrat in der Entscheidung 6 Ob 142/05h die Ansicht, dass es sittenwidrig sei, die Abfindung eines Gesellschafters im Falle seines Konkurses, nicht aber in einem vergleichbaren Fall, auf weniger als den Verkehrswert zu beschränken. Um Gläubiger nicht zu benachteiligen sollen diese in so einem Fall trotz Vinkulierung die Möglichkeit haben, den Geschäftsanteil zu pfänden und zum Schätzwert verkaufen zu lassen.

Die Literatur spricht sich teils für die Zulässigkeit der Reduktion der Abfindung aus, wenn diese auch im Falle der Kündigung der Gesellschaft vorgesehen ist (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ Anh § 71 Rz 18), teils für die Gleichbehandlung der Abfindungsbestimmungen bei freiwilligem und unfreiwilligem Ausscheiden der Gesellschafter mit einer Grenze von mindestens der Hälfte des Verkehrswertes (Umfahrer, Aufgriffsrechte, Abfindungsregelungen und Vinkulierungsbestimmungen als Gestaltungsinstrumente im GmbH‑Gesellschaftsvertrag, in 100 Jahre GmbH, 30). Kalss/Eckert (Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht, in Kodek/Konecny, Insolvenz‑Forum 2007, 65 [95]) sehen die Koppelung der Abfindung an eine Buchwertklausel als zulässig an, wenn der niedrigere Preis auch für die Anteilsübertragung gilt. Umlauft (GesRz 2009, 4 [8ff]) und Kletečka (Aufgriffsrechte, Optionsrechte und Anbote im Konkurs, GesRZ 2009, 82 [87]) betonen die Notwendigkeit der Prüfung von Aufgriffsrechten im Lichte des § 76 Abs 4 GmbHG.

Von der bisherigen Rechtsansicht der Rsp wird nicht abgewichen.

§ 76 Abs 4 GmbHG ergibt eine Wertung, wonach die Gläubigerbefriedigung den Gesellschaftsinteressen vorgeht. Weiters bestimmt die Norm, dass ein Gesellschaftsanteil im Exekutionsverfahren bei Vinkulierung zu seinem Schätzwert verkauft werden soll, wenn keine andere Einigung erzielt wird. Dies ist auch in Ausübung eines Aufgriffsrechts einzuhalten.

Die genannte Klausel würde entgegen dieser Wertung eine Benachteiligung der Gläubiger bewirken, der kein schutzwürdiges Interesse der Gesellschaft gegenübersteht. Weder brächte die Buchwertklausel in diesem Fall eine Vereinfachung, da der Verkehrswert berechnet werden muss, noch besteht durch sie mehr Rechtssicherheit.

Ob Aufgriffsrechte im Falle der Insolvenz eines Gesellschafters per se sittenwidrig sind, muss hier nicht beantwortet werden.

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