Dokument-ID: 1000044

Michael Zwirchmayr - Georg Streit | News | 25.06.2018

GmbH-Gründung per Videokonferenz: Das Elektronische Notariatsform-Gründungsgesetz

Die Gastautoren Dr. Zwirchmayr und Mag. Streit stellen dieses Gesetzesvorhaben sowie das „Company Law Package“ der Europäischen Kommission näher vor. Soll die elektronische Signatur die notarielle Beglaubigung künftig ersetzen?

Am 25.04.2018 hat das Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz (BMVRDJ) den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das GmbH-Gesetz und die Notariatsordnung geändert werden (Elektronische Notariatsform-Gründungsgesetz, ENG), in Begutachtung geschickt. Das Gesetz soll mit Anfang September in Kraft treten und die Errichtung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung insofern erleichtern, als dass zur Errichtung des dafür notwendigen Notariatsakts (§ 4 Abs 3 GmbHG) nicht mehr alle Parteien zur gleichen Zeit bei einem Notar physisch anwesend sein müssen, wie dies nach derzeit geltender Rechtslage der Fall ist.

Identitätsfeststellung durch den Notar

§ 4 Abs 3 GmbHG idF ENG sieht vor, dass besagter Notariatsakt „auch elektronisch unter Nutzung einer elektronischen Kommunikationsmöglichkeit (§ 69b NO) errichtet werden kann.“ Nach § 69b NO idF ENG hat der Notar bei einer „nicht physisch anwesenden Partei durch Sicherungsmaßnahmen dafür zu sorgen, dass die Prüfung und Feststellung der Identität der Partei unter Verwendung eines elektronischen Verfahrens auf sichere und zweifelsfreie Weise erfolgen.“ Das Gesetzt sieht vor, dass die Parteien im Wege einer Videokonferenz dem Notar zugeschalten werden und dieser die Identität anhand eines amtlichen Lichtbildausweises im Rahmen der Videoübertragung feststellt. Alternativ kann die Identitätsfeststellung durch elektronischen Ausweis erfolgen, allerdings ist die Weiterentwicklung der Bürgerkarte zu einem vollwertigen elektronischen Ausweis noch nicht umgesetzt.

Wie erfolgt die Beglaubigung der Unterschrift?

Damit die elektronische Gründung nicht auf halbem Wege stehen bleibt (schließlich bedürften etwa die Firmenbucheingabe oder die Musterzeichnung des Geschäftsführers der beglaubigten Form), sieht der Entwurf zudem vor (§ 79 Abs 9 NO), dass die notwendige Beglaubigung einer eigenhändigen Unterschrift auch im Falle einer nicht anwesenden Person erfolgen kann. Der Notar muss dabei mit der Partei solange per „optischer und akustischer Zweiweg-Verbindung“ ununterbrochen verbunden sein, dass von ihm der Unterschriftsvorgang eindeutig und lückenlos mitverfolgt werden kann. Die per Scan zu übermittelnde Urkunde muss zudem mit einer elektronischen Signatur des Unterzeichners versehen werden.

Die geplante Änderung des GmbHG geht damit deutlich über die im Zuge des Deregulierungsgesetzes 2017 geschaffene Möglichkeit einer vereinfachten Gründung nach § 9a GmbHG hinaus, weil letztere nur mittels Standard-Errichtungserklärung durch Alleingesellschafter-Geschäftsführer unter Mitwirkung eines Kreditinstituts, das die Identitätsfeststellung vorzunehmen hat und auch für die Übermittlung der Musterzeichnung zuständig ist, erfolgen kann.

„Company Law Package“: Soll die elektronische Signatur die notarielle Beglaubigung ersetzen?

Zugleich bleibt abzuwarten, ob sich die geplante Novelle tatsächlich bewähren wird: Das ebenso am 25.04.2018 von der Europäischen Kommission veröffentlichte „Company Law Package“ geht nämlich über die vom Gesetzgeber im ENG angedachten Neuerungen deutlich hinaus: Der Entwurf zur Weiterentwicklung des Gesellschaftsrechts in der Europäischen Union sieht für den Rechtsanwender die Möglichkeit vor, GmbHs (und vergleichbare Rechtsformen anderer Mitgliedsstaaten) ausschließlich durch Online-Registrierung zu gründen. Binnen fünf Tagen soll die Eintragung künftig erfolgen, sobald alle Dokumente vorliegen und die im Zusammenhang mit der Gründung erforderlichen Zahlungen vollständig geleistet wurden.

Den Mitgliedsstaaten soll es nicht gestattet sein, anlässlich der Gesellschaftsgründung auf dem (physischen) Erscheinen der Gründer vor einer Behörde oder etwa einem Notar zu bestehen. Auch sonstige die Gesellschaft betreffende Eingaben, wie etwa die Änderung des Stammkapitals, die Abberufung und Bestellung von Geschäftsführern, oder aber die Änderung im Stand der Gesellschafter, sollen rein elektronisch erfolgen können. Diese Änderungen liefen letztlich darauf hinaus, dass die elektronische Signatur die notarielle Beglaubigung ersetzt. Auch von einer Videokonferenz mit dem Notar, wie dies im Entwurf zum ENG vorgesehen ist, ist im Papier der Kommission nichts zu lesen. Freilich handelt es sich im jetzigen Stadium erst um einen Entwurf zur Richtlinie 2017/1132, der keineswegs bereits in Stein gemeißelt ist.

Teil 2 des „Company Law Package“: Grenzüberscheitende Umwandlungen

Nicht unerwähnt bleiben soll schließlich der zweite Teil des Company Law Package, der sich dem Themenkreis grenzüberschreitende Verschmelzung, Spaltung und Umwandlung widmet: Der Entwurf sieht bei Umgründungen Berichtspflichten gegenüber Anteilseignern und Arbeitnehmern, ein Recht auf Sicherstellung für Gläubiger sowie ein Recht auf Barabfindung für widersprechende Gesellschafter vor. Zudem ist der Umgründungsvorgang durch externe Experten zu prüfen. Im Ergebnis näherte sich das Regelungsregime für grenzüberscheitende Umwandlungen damit jenem für grenzüberschreitende Verschmelzungen an, das in Österreich im EU-VerschmG Umsetzung gefunden hat. Wiederum gilt: Ein Vorschlag, der erst diskutiert und beschlossen werden muss.

Autoren

Dr. Michael Zwirchmayr

Partner bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte, Wien

michael.zwirchmayr@h-i-p.at

Mag. Georg Streit

Mag. Georg Streit ist seit 2000 Rechtsanwalt und seit 2001 Partner bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Immaterialgüterrecht, Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht, Rundfunkrecht und Vergaberecht. Weiters ist er Lektor an den Universitäten Wien und Salzburg, Vortragender bei Seminaren und Lehrgängen.

Für WEKA ist er Herausgeber des Newsletters für Gesellschaftsrecht Online sowie für das Werk „Personengesellschaften in Fallbeispielen“.

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