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Stefan Schermaier - Dorian Schmelz | News | 06.05.2011

Grenzen der Internationalität im Recht der Kapitalgesellschaften

Die Gastautoren Dr. Schermaier und Mag. Schmelz erläutern in ihrem Beitrag die Möglichkeit der Wahl nicht-deutscher Sprache für Gesellschaftsvertrag, Satzung und Beschlüsse von AGs und GmbHs.

Problemstellung

Im Rahmen der zunehmenden Globalisierung unternehmerischer Tätigkeiten wird das österreichische Gesellschaftsrecht mit Problemstellungen konfrontiert, die gesetzlich tw nur rudimentär geregelt sind. Eine derartige, insb bei international tätigen Kapitalgesellschaften auftretende Frage ist jene der Zulässigkeit der Verwendung einer anderen als der deutschen Sprache für Gesellschaftsvertrag bzw Satzung („Satzung“), die Abhaltung von General- bzw Hauptversammlung („GV“ bzw „HV“) und dem Fassen von Gesellschafterbeschlüssen. Nachstehend werden die rechtlichen Grundlagen, die bei Beantwortung der vorgenannten Frage zu beachten sind, dargelegt.

Gesetzliche Vorgaben des AktG und GmbHG

Bis vor Kurzem enthielt das AktG mit Ausnahme von § 254 AktG (Anmeldung einer AG mit dem Sitz im Ausland, wenn sie eine inländische Zweigniederlassung hat) keine expliziten Vorgaben über die Zulässigkeit der Verwendung von Fremdsprachen zur Vornahme gesellschaftsrechtlich relevanter Akte. Erst durch das AktRÄG 2009 wurden einige für die Beschlussfassung der Aktionäre relevante Normen eingeführt, insb Vorgaben zur Einberufung der HV (§ 105 Abs 2 AktG), Anmeldung zur HV (§ 111 iVm § 10a Abs 4 AktG) und Beschlussfassung in der HV (§ 128 Abs 5 AktG) sowie zum Nachweis der Aktionärseigenschaft bei Inhaberaktien (§ 10a Abs 4 AktG). Nicht in das AktG übernommen wurde die in § 13 des MinEntw zum AktRÄG 2009 enthaltene Regelung über zulässige Sprachen für Mitteilungen der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft (Reich-Rohrwig/Moser, MinEntw zum Aktienrechts-Änderungsgesetz 2009, ecolex 2009, 38).

Die einzige dem GmbHG zu entnehmende Sprachregelung sieht § 107 GmbHG vor, das aktienrechtliche Pendant zu § 254 AktG. Im Übrigen enthält das GmbHG keinerlei Sprachvorgaben, insb auch keine Regelung, die mit den durch das AktRÄG 2009 eingeführten vergleichbar sind.

Grundsatz und Grenzen der Privatautonomie

Weite Teile des Zivil- und Gesellschaftsrechts werden vom Grundsatz der Privatautonomie und der Vertragsfreiheit (insb der Gestaltungs-, Inhalts- und Formfreiheit) beherrscht. Diese Prinzipien sind auch bei Beurteilung der Zulässigkeit fremdsprachiger Akte im Gesellschaftsverhältnis bedeutsam. Die Privatautonomie findet in den Vorgaben zwingenden Rechts ihre Grenzen, wobei in Bezug auf die gegenständliche Fragestellung insb folgende Regelungen einschlägig sind:

  • die bereits genannten §§ 10a, 105, 111, 128 und 254 AktG und § 107 GmbHG;
  • spezifische Sprachregelungen des allgemeinen Unternehmensrechts, die etwa in Bezug auf die Erstellung des Jahresabschlusses (§ 193 UGB) und des Konzernabschlusses (§ 280 UGB), die Rechnungslegung von Zweigniederlassungen ausländischer Kapitalgesellschaften (§ 280a UGB), die Buchführung (§ 190 UGB) und die Anmeldung inländischer Zweigniederlassungen ausländischer Rechtsträger (§ 12 UGB) bestehen und überwiegend einen mit dem Informationsbedürfnis von Gesellschaftern, Gesellschaftsgläubigern und der Öffentlichkeit zu begründenden Vorrang der deutschen Sprache vorsehen (vgl ErlRV EU-GesRÄG [GP XX] RV 32 zu § 280a);
  • die Grundsätze des Rechts der Kapitalgesellschaften, etwa das Recht der Gesellschafter auf effektive Wahrnehmung ihrer Gesellschafterrechte und Teilnahme an der Willensbildung (§ 34 GmbHG, § 102 AktG), die Schranken einer Vermehrung der den Gesellschaftern obliegenden Leistungen und des Auferlegens von Nebenleistungspflichten (§ 147 AktG, §§ 8, 50 GmbHG), und die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (§ 61 GmbHG, vgl OGH-Justiz RS0026106);
  • zwingende Regelungen des allgemeinen Zivilrechts, insb die Sittenwidrigkeitsgrenze;
  • im Verkehr mit Behörden und Gerichten die verfassungsrechtlichen Vorgaben über die deutsche Staatssprache (Art 8 B-VG);
  • soweit gesetzlich eine Mitwirkung von Notaren vorgesehen ist (zB §§ 4, 9, 44, 51ff GmbHG, §§16, 120 AktG), die Schranken einer Aufnahme von Notariatsakten und von Beurkundungen in einer Fremdsprache (§ 62 iVm § 90 NO).

Fremdsprachige Satzungen

Eine Ausgestaltung von Satzungen ist, abgesehen vom gesetzlich vorgegebenen Mindestinhalt (§ 17 AktG, § 4 GmbHG), den Grundprinzipien des AG- und GmbH-Rechts und den sonstigen Grenzen zwingenden Rechts der Privatautonomie überlassen. Weder das GmbHG, noch das AktG regelt darüber, in welcher Sprache Satzungen abzufassen sind. Das Abfassen einer Satzung als schuldrechtlicher Vereinbarung in (auch) einer anderen als der deutschen Sprache ist daher als prinzipiell zulässig zu erachten.

Dabei ist aber insb eine Verhinderung der Beeinträchtigung berechtigter Interessen der Aktionäre, va in Form einer Zustimmung zu einer (auch) fremdsprachigen Fassung der Satzung, sicherzustellen, aber auch eine Verhinderung der Beeinträchtigung berechtigter Interessen der Allgemeinheit, etwa der Interessen (potenzieller) Geschäftspartner und Gesellschaftsgläubiger. Dies kann sichergestellt werden, indem die Satzung zweisprachig abgefasst oder ihr eine (beglaubigte) Übersetzung beigefügt wird und im Fall von Widersprüchen die deutsche Sprachfassung vorgeht. Hierdurch wird auch den Vorgaben der § 12 Abs 2 FBG, Art 8 B-VG sowie der analog angewandten § 107 GmbHG und § 254 AktG entsprochen und ein Einschreiten von Notaren im Licht von § 62 iVm § 90 NO ermöglicht.

In diesem Zusammenhang wurde in der deutschen Judikatur die Abfassung eines GmbH-Gesellschaftsvertrags in englischer Sprache als zulässig erachtet, wenn der Handelsregisteranmeldung eine Übersetzung beigefügt wird (OLG Düsseldorf GmbHR 1999, 609, 610).

Fremdsprachige Gesellschafterbeschlüsse

Wie dargestellt, geben §§ 10a, 105, 111, 128 AktG gewisse Rahmenbedingungen über die Einberufung und Beschlussfassung der HV einer AG vor. Dies gilt va für § 128 AG, demzufolge dann, wenn Aktionären in der HV ein zu fassender Beschluss in einer anderen als der deutschen Sprache vorgelegt wird, jedenfalls auch eine (authentische) deutsche Sprachfassung des Beschlusses vorzulegen ist. Hieraus lässt sich eine prinzipielle Zulässigkeit fremdsprachiger Beschlussfassung ableiten.

UE ist (über § 128 AktG hinausgehende) Voraussetzung einer Vorlage fremdsprachiger Beschlussvorschläge und einer Beschlussfassung hierüber entweder eine satzungsgemäße Grundlage oder, weil Aktionäre einer österreichischen AG mangels abweichender satzungsgemäßer Vorgabe davon ausgehen können, dass die HV in deutscher Sprache abgehalten wird, eine Zustimmung aller betroffenen Aktionäre im Einzelfall. Jedenfalls ist Aktionären eine effektive Wahrnehmung der Gesellschafterrechte zu ermöglichen, indem etwa die Beiziehung eines Dolmetschers zugelassen wird, soweit ein Aktionär nicht hinreichende Fremdsprachenkenntnisse aufweist. Weitere Grenzen einer fremdsprachigen Beschlussfassung bilden, soweit ein Beschluss dem Firmenbuchgericht vorzulegen ist, Art 8 B-VG, sowie diverse Mitwirkungspflichten von Notaren, weil letztgenannte, wie gezeigt, nur beschränkt Niederschriften und Notariatsakte in Fremdsprachen aufnehmen dürfen.

Die aufgezeigten Grundsätze gelten uE sinngemäß (insb mit der Einschränkung, dass das GmbHG keine §§ 120, 128 AktG vergleichbare Regelung enthält) für die GmbH, zumal auch das GmbHG kein grundsätzliches Verbot einer Abhaltung der GV oder des Fassens von Beschlüssen in einer anderen als der deutschen Sprache enthält.

Über die Autoren

Dr. Stefan Schermaier ist Rechtsanwalt und Partner bei TONNINGER | SCHERMAIER | RIEGLER | MAIERHOFER Rechtsanwälte (http://www.tsrm.at), Mag. Dorian Schmelz ist Rechtsanwaltsanwärter bei LANSKY, GANZGER + partner Rechtsanwälte GmbH (http://www.lansky.at). Schwerpunkttätigkeiten der Autoren sind Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, M & A, Schadenersatz- und Gewährleistungsrecht sowie Vertragsrecht.

(06.05.2011)