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Lukas Schenk - Florian Linder | News | 19.04.2016

Grunderwerbsteuer NEU: Ausweitung des Tatbestands der Anteilsvereinigung

Die Gastautoren Dr. Lukas Schenk/Dr. Florian Linder stellen in ihrem Beitrag ausgewählte für die Praxis relevante Aspekte der neuen Rechtlage durch die Änderungen des GrEStG dar, wie zb den neuen Tatbestand der Anteilsvereinigung bzw. -übertragung.

Seit 1.1.2016 gelten zahlreiche Neuerungen im Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG). Auch der Tatbestand der Anteilsvereinigung bzw -übertragung hat umfangreiche Änderungen erfahren, die bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen zu berücksichtigen sind, wenn eine Gesellschaft Grundbesitz in Österreich hat. Im Folgenden werden praxisrelevante ausgewählte Aspekte der neuen Rechtslage dargestellt.

1. Rechtslage bis 31.12.2015

Bisher lag eine Anteilsvereinigung nur dann vor, wenn die Anteile entweder zu 100 % in einer Hand oder in der Hand einer Organschaft (iSd § 2 Abs 2 UstG) vereinigt wurden (sei es, dass beispielsweise sämtliche Anteile uno actu übertragen wurden oder eine bereits bestehende Beteiligung auf 100 % aufgestockt wurde). Dies hat in der Praxis dazu geführt, dass bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen oftmals ein Zwerganteil zurückbehalten bzw von einem Treuhänder gehalten wurde, um eine Vereinigung (und die sich daraus ergebende Grunderwerbsteuer) zu vermeiden.

Die Berechnung erfolgte auf Basis des dreifachen Einheitswertes (maximal jedoch 30 % des Verkehrswertes) mit einem Steuersatz von 3,5 %.

2. Die Neuerungen in § 1 Abs 3 GrEStG

§ 1 Abs 3 GrEStG wurde vor allem in zwei Punkten abgeändert:

1. Die maßgebliche Beteiligungsgrenze an einer Gesellschaft mit österreichischem Grundbesitz wurde von 100 % auf 95 % der Gesellschaftsanteile herabgesetzt und die Organschaft durch die Unternehmensgruppe (iSd § 9 KStG) ersetzt, sodass nunmehr auch die Anteilsvereinigung in der Hand einer Unternehmensgruppe die Grunderwerbsteuer auslöst.

Beispiel:

An einer GmbH mit österreichischem Grundbesitz sind A mit 55 %, B mit 40 % und C mit 5 % beteiligt. X übernimmt sowohl die Anteile von A als auch B und vereint folglich 95 % der Anteile in seiner Hand. Der Vorgang ist grunderwerbsteuerpflichtig.

Dabei ist zu beachten, dass im Gesetz der Fall nicht ausdrücklich geregelt ist, dass zunächst 95 % der Anteile in einer Hand vereint werden, Grunderwerbsteuer bezahlt wird und in Folge durch einen zweiten Erwerbsvorgang weitere Anteile zugekauft werden (zB: Aufstockung der Beteiligung von 95 % auf 100 %). In der Literatur wird dazu die Auffassung vertreten, dass Sinn und Zweck gegen eine erneute Steuerpflicht sprechen, weil die wirtschaftliche Verfügungsmacht in diesem Fall unverändert bleibt. Einschlägige Rechtsprechung zu dieser Frage besteht aber – soweit ersichtlich – noch nicht.

2. Zurechnung treuhändig gehaltener Anteile

Als weitere große Neuerung nimmt das GrEStG auch eine Zurechnungsbestimmung für treuhändig gehaltene Gesellschaftsanteile auf. Bisher verfolgte das GrEStG den Grundsatz der formalen Anknüpfung an das Zivilrecht, womit treuhändig gehaltene Gesellschaftsanteile dem Treuhänder zuzurechnen waren. Nun ist aber für ab dem 1.1.2016 treuhändig übertragende Gesellschaftsanteile ausdrücklich eine Zurechnung an den Treugeber vorgesehen.

Beispiel:

A erwirbt 90 %, B 10 % einer Gesellschaft mit österreichischem Grundbesitz. B erwirbt die Anteile als Treuhänder für A. Bereits mit dem Erwerb wird Grunderwerbsteuer fällig, weil eine Zurechnung der 10 % an A stattfindet. Überträgt B in Folge die 10 % Anteile an A, womit dieser 100 % hält, so ist nicht noch einmal Grunderwerbsteuer fällig, weil bereits mit dem ersten Erwerb alle Anteile bei A als Treugeber vereinigt waren.

Dabei ist zu beachten, dass für Anteile, die bereits vor 1.1.2016 treuhändig gehalten wurden die Zurechnungsregel nicht anwendbar ist, weshalb auch eine Übertragung von Treuhänder auf Treugeber grunderwerbsteuerpflichtig ist und zwar auch dann, wenn der Treugeber bereits mindestens 95 % der Anteile hält. Andererseits wird nicht bereits durch das Inkrafttreten eine Zurechnung und damit ein Erwerbsvorgang verwirklicht.

Beispiel:

A hält zum 31.12.2015 97 %, B 3 % einer Gesellschaft mit österreichischem Grundbesitz. Überträgt B in Folge die 3 % Anteile an A, fällt Grunderwerbsteuer an, obwohl A bereits 97 % der Anteile hält.

Variante:

B hält die 3 % Anteile zum 31.12.2015 als Treuhänder für A. Durch das Inkrafttreten am 1.1.2016 wird kein Erwerbsvorgang verwirklicht. Überträgt B in Folge die 3 % Anteile an A, ist dies grunderwerbsteuerpflichtig.

3. Neuer Tatbestand in § 1 Abs 2a GrEStG

Neu eingefügt hat der Gesetzgeber den Tatbestand des § 1 Abs 2a GrEStG für die Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften mit österreichischem Grundbesitz. Tatbestandsmäßig ist eine Änderung des Gesellschafterbestandes dergestalt, dass innerhalb von 5 Jahren mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen. § 1 Abs 2a GrEStG gilt als lex specialis zu § 1 Abs 3 GrEStG, der ansonsten weiterhin auf Personengesellschaften anwendbar ist. Für die 95- %-Schwelle sind Kapitalanteile maßgeblich. Anteile von reinen Arbeitsgesellschaftern bleiben sohin außer Betracht.

Mit dem neuen Tatbestand des § 1 Abs 2a GrEStG sollen künftig auch die Übertragung an mehrere neue Gesellschafter (ohne Vereinigung in einer Hand) Grunderwerbsteuer auslösen. Auch hier gibt es eine Zurechnung der vom Treuhänder gehaltenen Anteile an den Treugeber. Soll Grunderwerbsteuer vermieden werden, müssen daher innerhalb des maßgeblichen Zeitraums Gesellschafter im Ausmaß von mehr als 5 % in der Personengesellschaft verbleiben.

Die Vereinigung von 100 % der Anteile in der Hand eines einzelnen Gesellschafters führt bei Personengesellschaften zur Anwachsung gemäß § 142 UGB und wird schon vom Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 2 GrEStG erfasst.

Beispiel:

An einer OG sind A mit 55 %, B mit 25 %, C mit 15 %, und D mit 5 % beteiligt. Folgende Übertragungen finden statt:

Am 1.3.2016 verkauft A seinen 55 % Anteil an X.
Am 2.5.2018 verkauft B seinen 25 % Anteil an Y.
Am 3.7.2020 verkauft C seinen 15 % Anteil an Z.

Es wurden innerhalb von fünf Jahren insgesamt 95 % der Anteile an der Personengesellschaft an neue Gesellschafter übertragen, womit Grunderwerbsteuer ausgelöst wird.

Zu beachten ist, dass Übertragungen vor dem 1.1.2016 nicht für die Fünfjahresfrist zu berücksichtigen sind. Nach dem Gesetzeswortlaut „Änderung des Gesellschafterbestandes“ könnten wohl auch wiederholte Übertragungen ein und desselben Anteils zur Verwirklichung des Tatbestands und einer Grunderwerbsteuerpflicht führen. Der Tatbestand des § 1 Abs 2a GrEStG wird aber nicht verwirklicht, wenn die Anteile auf einen Altgesellschafter übertragen werden (bei qualifizierter Anteilsvereinigung aber § 1 Abs 3 GrEStG).

4. Mittelbarer Anteilserwerb

Sobwohl der Tatbestand des § 1 Abs 3 als auch der Tatbestand des § 1 Abs 2a GrEStG umfassen nur die Übertragung bzw Vereinigung von Anteilen, die unmittelbar an Gesellschaften mit Grundbesitz in Österreich gehalten werden. Mittelbare Anteilsübertragung und -vereinigungen sind nicht tatbestandsmäßig.

5. Steuersatz

Der bisherige Steuersatz wird durch einen neuen Steuersatz iHv 0,5 % vom Grundstückswert ersetzt. (Ausnahme: Bei bestimmten land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken bleibt es bei 3,5 % des einfachen Einheitswertes).

Autoren

Dr. Lukas Schenk:

Dr. Lukas Schenk ist Partner bei Viehböck Breiter Schenk & Nau Rechtsanwälte, Wien/Mödling. Er war als Universitätsassistent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien sowie bei der Europäischen Kommission in Brüssel tätig. Dr. Lukas Schenk ist ständiger Vortragender an der Akademie der Wirtschaftstreuhänder. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Umstrukturierungen-Umgründungen, Gesellschaftsrecht einschließlich Gesellschafterkonflikt und Geschäftsführerberatung, Gewerberecht sowie Arbeitsrecht.

Lukas.schenk@vbsn.at

MMag. Dr. Florian Linder:

MMag. Dr. Florian Linder ist Partner bei Viehböck Breiter Schenk & Nau Rechtsanwälte, Wien/Mödling. Er war Universitätsassistent am Institut für Zivil- und Unternehmensrecht der Wirtschaftsuniversität Wien und ist ständiges Redaktionsmitglied der Zeitschrift für Finanzmarktrecht. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Gesellschafts- und Unternehmensrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht und Liegenschafts-, Miet- und Wohnrecht.

Florian.linder@vbsn.at

Link zur Kanzlei:

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