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Dokument-ID: 947628

WEKA (epu) | News | 23.08.2017

Ist der ständige Vertreter einer Gesellschaft iSd § 107 GmbHG auch strafrechtlich für diese verantwortlich?

Ein nach § 107 Abs 1 GmbHG berufener ständiger Vertreter vertritt diese nur rechtsgeschäftlich, nicht aber als ihr Organ. § 9 Abs 1 VStG umfasst ihn daher nicht.

Geschäftszahl

VwGH 26. April 2017, Ra 2017/17/0201

Norm

§ 107 GmbHG, § 9 Abs 1 VStG

Leitsatz

Quintessenz:

Die strafrechtliche Verantwortlichkeit nach § 9 Abs 1 VStG trifft nur die durch die Verfassung der juristischen Person zu ihrer Vertretung berufenen Organe. Ein nach § 107 Abs 1 GmbHG berufener ständiger Vertreter vertritt diese nur rechtsgeschäftlich, nicht aber als ihr Organ. § 9 Abs 1 VStG umfasst ihn daher nicht.

VwGH: § 107 Abs 1 GmbHG normiert die Pflicht der Anmeldung einer GmbH, deren Sitz im Ausland liegt und die über eine inländische Zweigniederlassung verfügt, zur Eintragung ins Firmenbuch durch die Geschäftsführer. Nach Abs 2 leg cit muss, wenn das Personalstatut der Gesellschaft nicht das Recht eines Mitgliedstaates der EU oder des EWR ist, für den gesamten Geschäftsbetrieb der Zweigniederlassung mindestens eine Person bestellt werden, der die ständige gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Gesellschaft zusteht und die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Ihre Vertretungsmacht kann gegenüber Dritten nicht wirksam beschränkt werden.

Im vorliegenden Fall wurde der Mitbeteiligte als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer slowakischen Gesellschaft des Verstoßes gegen § 52 Abs 1 Z 1 iVm § 2 Abs 2 und 4 iVm § 4 GSpG von Anfang April 2015 bis 21. April 2015 für schuldig erkannt. Es stellte sich die Frage, ob er tatsächlich im Tatzeitraum (noch) befugt gewesen war, die verfahrensgegenständliche Gesellschaft zu vertreten. Aus einem in den Verwaltungsakten einliegenden Firmenbuchauszug ergab sich, dass die Löschung seiner Funktion als ständiger Vertreter der slowakischen Gesellschaft im Inland bereits am 9. April 2014 eingetragen worden war.

Ein ständiger Vertreter einer Gesellschaft nach § 107 Abs 2 GmbHG fällt aber jedenfalls trotz seiner Vertretungsmacht nicht unter § 9 Abs 1 VStG, nach welchem für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften grundsätzlich strafrechtlich verantwortlich ist, wer zu ihrer Vertretung nach außen berufen ist. Eine solche strafrechtliche Verantwortlichkeit trifft nur die durch die Verfassung der juristischen Person (Gesetz, Satzung, Gesellschaftsvertrag) zur Vertretung berufenen Organe. Der ständige Vertreter iSd § 107 Abs 2 GmbHG ist nicht als Organ der Gesellschaft anzusehen, sondern nur als deren rechtsgeschäftlicher Vertreter.

Da der Mitbeteiligte nicht auch zum verantwortlichen Beauftragten iSd § 9 Abs 2 VStG bestellt worden war und ihn als ständigen Vertreter iSd § 107 Abs 2 GmbHG keine strafrechtliche Verantwortung iSd § 9 VStG traf, wäre das Straferkenntnis schon deshalb aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen gewesen.

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