Dokument-ID: 917831

WEKA (api) | News | 24.05.2017

Kann bei der Geschäftsführerhaftung das Verschulden eines Mitarbeiters als Mitverschulden eingewendet werden?

Kommt es zu einem Schaden, der auf ein sorgfaltswidriges Verhalten eines Geschäftsführers zurückzuführen ist, mindert ein schuldhaftes Verhalten eines ihm untergebenen Mitarbeiters nicht den Schadenersatzanspruch gegen ihn selbst

Geschäftszahl

OGH 30. Jänner 2017, 6 Ob 84/16w

Norm

§§ 896, 1313a ABGB; § 25 GmbHG

Leitsatz

Quintessenz:

Die Geschäftsführer einer GmbH haften der Gesellschaft bei einer Obliegenheitsverletzung zur ungeteilten Hand. Kommt es zu einem Schaden, der auf ein sorgfaltswidriges Verhalten eines Geschäftsführers zurückzuführen ist, mindert ein schuldhaftes Verhalten eines ihm untergebenen Mitarbeiters nicht den Schadenersatzanspruch gegen ihn selbst. Der Geschäftsführer haftet neben dem fahrlässig handelnden Mitarbeiter der Gesellschaft, der dieser Schaden zugefügt hat, solidarisch.

OGH: Gem § 25 Abs 1 GmbHG ist der Geschäftsführer einer GmbH gegenüber der Gesellschaft verpflichtet, bei der Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. In § 25 Abs 2 GmbHG wird festgehalten, dass Geschäftsführer, die eine sie treffende Obliegenheit verletzen, der Gesellschaft zur ungeteilten Hand für den daraus entstandenen Schaden haften. Bei dieser Form der Haftung handelt es sich um eine Verschuldens- und nicht um eine Erfolgshaftung, da das typische Unternehmerrisiko die Gesellschaft zu tragen hat. Wie der OGH schon in früheren Entscheidungen festgehalten hat, sind unter der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes die Fähigkeiten, Kenntnisse und Sorgfalt, die von einem Geschäftsführer in entsprechender Branche und entsprechend der Größe des Unternehmens erwartet werden können, zu verstehen. Es geht dabei um ein branchen-, größen- und situationsgerechtes Bemühen, wobei der Sorgfaltsmaßstab nicht überspannt werden darf. Die Verschuldenshaftung trifft den Geschäftsführer nur bei eigenem Verschulden, wie vor allem bei schuldhafter Verletzung seiner Organisations- und Überwachungspflichten. Arbeitnehmer der Gesellschaft gelten weder als Erfüllungs- noch als Besorgungsgehilfen des Geschäftsführers, sie sind Gehilfen der Gesellschaft.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall ging es um die Haftung des Geschäftsführers einer Tochtergesellschaft, die durch einen Grundlagenvertrag mit der Muttergesellschaft zur Verwertung von ihr nicht mehr benötigter Immobilien beauftragt war. Der Beklagte hatte den durch einen seiner Mitarbeiter erstellten Verkaufsantrag an den Vorstand der Muttergesellschaft gelesen und unterschrieben und dabei außer Acht gelassen, dass die hierbei ermittelte Liegenschaftsbewertung falsch oder zumindest unvollständig war. Diese Tatsache wäre dem Verkaufsantrag bereits bei nur überblicksartiger Durchsicht eindeutig zu entnehmen. Dass der Beklagte die unzureichende Bewertung trotzdem akzeptierte und sich nicht vergewissert hat, ob im konkreten Fall zwecks bestmöglicher Vermarktung tatsächlich ein „objektiviertes Verkaufsverfahren“ stattfand, war ihm als zumindest leicht fahrlässiger Sorgfaltsverstoß anzulasten, selbst wenn er ansonsten streng bemüht gewesen sei, ein funktionierendes Unternehmen zu schaffen. Es könne von ihm verlangt werden, dass er den – zu hohen, nicht marktkonformen – Kapitalisierungszinssatz zumindest hinterfrage und im Zweifel auf ein „objektiviertes Verkaufsverfahren“ dringe, ohne dass sein Sorgfaltsmaßstab – vor allem in Anbetracht von nur 30 bis 40 Liegenschaftstransaktionen dieser Art pro Jahr – überspannt werde. Ihm wird hierbei nicht vorgeworfen, er hätte aufgrund bisheriger Leistungen des Mitarbeiters Anlass gehabt, diesen zu überwachen, sondern, dass er die bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt erkennbaren gravierenden Fehler im Verkaufsantrag nicht erkannte.

Zur Frage, ob sich der Schadensersatzanspruch des Geschäftsführers durch das Mitverschulden eines Mitarbeiters mindert, gibt es unterschiedliche Meinungen. Der OGH ist der Ansicht, dass sich der nach § 25 GmbHG haftende Geschäftsführer nicht auf das Verschulden eines nachgeordneten Mitarbeiters als anspruchsminderndes Mitverschulden der Gesellschaft berufen kann. Er haftet nicht, weil er sich das Verhalten des Mitarbeiters zurechnen lassen müsste, sondern weil ihn eine Eigenhaftung trifft. Sofern sich die Anteile nicht bestimmten lassen, haftet er als Nebentäter mit dem fahrlässig schädigenden Mitarbeiter der Gesellschaft gegenüber solidarisch und hat die Möglichkeit, nach § 896 ABGB Regress zu nehmen. Dass der Geschäftsführer dabei gegenüber Arbeitnehmern den Einschränkungen des DHG unterliegt, ändert an seiner Solidarhaftung nichts.

Der gegenständliche Verkaufsantrag wurde ebenfalls durch einen Mitarbeiter der Muttergesellschaft geprüft. Die Auffassung des Erstgerichts, dass diese dadurch ein Mitverschulden an ihrem eigenen Schaden trifft, teilte schon das Berufungsgericht nicht. Dass dem Vorstand die Falschbewertung der Liegenschaft nicht auffiel, kann nicht als Sorglosigkeit der Muttergesellschaft in eigenen Angelegenheiten gewertet werden, da diese mit der Tochtergesellschaft gerade zum Zweck der Bewertung von Liegenschaften einen Fachmann zugezogen und sich auf deren Expertise verlassen habe dürfen. Auch könnten die Mitglieder des Vorstands der Muttergesellschaft nicht als fachkundig angesehen werden. Eine Zurechnung des Verhaltens des Mitarbeiters wäre nur dann denkbar, wenn dieser Pflichten oder Obliegenheiten verletzt hätte, die aufgrund ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarung oder nach der Verkehrsübung die Muttergesellschaft selbst treffen würde. In casu sah der Grundlagenvertrag zwischen den beiden Gesellschaften keine Überprüfungspflicht der Muttergesellschaft vor, womit eine Zurechnung nach § 1313a ABGB auszuschließen war. Die Prüfung durch den Mitarbeiter der Muttergesellschaft erfolgte ausschließlich in ihrem Interesse und diente nicht dem Zweck, die Tochtergesellschaft zu entlasten.

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