Dokument-ID: 1048884

Georg Streit - Michael Zwirchmayr | News | 16.12.2019

(Kein) Aufgriffsrecht bei Insolvenz eines GmbH-Gesellschafters? – oder: Das OLG Linz schert aus

Gesellschaftsvertraglich vereinbarte Vorkaufs- und Aufgriffsrechte sind zentraler Bestandteil von GmbH-Gesellschaftsverträgen. Wie weit reichen diese und gibt es Grenzen für deren Geltung? Mehr dazu im Gastbeitrag von Dr. Zwirchmayr und Mag. Streit.

Aufgriffsrecht

Ein Aufgriffsrecht in Bezug auf einen Anteil an einer GmbH gibt dem Berechtigten die Möglichkeit, einseitig durch Erklärung den Anteil aufzugreifen (OGH 25.10.2017, 6 Ob 180/17i). Inhalt der Aufgriffsklausel ist die Verpflichtung, in diesem Fall den Anteil abtreten zu müssen. Damit kann etwa verhindert werden, dass im Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters den verbleibenden Gesellschaftern unliebsame externe Dritte dessen Stellung als Gesellschafter übernehmen.

Vinkulierung

Regelmäßig sind Geschäftsanteile zudem vinkuliert, das heißt, eine Übertragung ist nur mit Zustimmung der Generalversammlung oder der Gesellschaft zulässig. Ein im GmbH-Gesellschaftsvertrag den Gesellschaftern eingeräumtes Aufgriffsrecht ist nämlich einem Zustimmungsrecht zur Veräußerung des Geschäftsanteils noch nicht gleich zu halten (OGH 22.02.2012 3 Ob 223/11g). Ist die Abtretung von Geschäftsanteilen im Gesellschaftsvertrag gemäß § 76 Abs 2 GmbHG an weitere Voraussetzungen gebunden, so führt deren Fehlen, solange sie noch erfüllt werden können, zur schwebenden Unwirksamkeit und, wenn ihr Nichteintreten feststeht, zur endgültigen Unwirksamkeit einer dennoch vorgenommenen Abtretung (OGH 23.08.2000, 13 Os 29/00).

Tod

Auch für den Todesfall eines Gesellschafters wird den übrigen Gesellschaftern oftmals das Recht eingeräumt, den in den Nachlass gefallenen Geschäftsanteil aufzugreifen oder aber es werden die Erben verpflichtet, den Gesellschaftern ihren geerbten Anteil zum Erwerb anzubieten. Obwohl Geschäftsanteile übertragbar und vererblich sind (§ 76 Abs 1 GmbHG), können nach der Rechtsprechung Aufgriffsrechte auch für den Todesfall, im Gesellschaftsvertrag vorgesehen werden (OGH 17.12.2010, 6 Ob 63/10y).

Insolvenz

Und schließlich sehen Gesellschaftsverträge von GmbHs auch für den Fall, dass auf den Geschäftsanteil eines Gesellschaftes Exekution geführt und der Anteil somit gepfändet wird, oder aber für den Fall der Insolvenz eines Gesellschafters, regelmäßig ein Aufgriffsrecht der übrigen Gesellschafter vor.

Zulässig?

Maßgeblich für die Zulässigkeit eines solcherart vereinbarten Rechts war bisher nur, dass der Aufgriff zum Verkehrswert erfolgen muss (OGH 16.03.2007, 6 Ob 142/05h; OGH 30.03.2016, 6 Ob 35/16i). Das erscheint auch logisch, handelte es sich doch bei einer Regelung, die für den Insolvenz- oder Exekutionsfall zum Beispiel nur den halben Verkehrswert als von den übrigen Gesellschaftern zu leistenden Aufgriffspreis vorsieht, um eine sittenwidrige Gläubigerbenachteiligung. Aus § 76 Abs 4 GmbHG, der die exekutive Verwertung eines vinkulierten Geschäftsanteils regelt, lässt sich zudem die Wertung entnehmen, dass die Gläubiger den Schätzwert des Anteils erhalten sollen.

Nicht in Linz

Ob Aufgriffsrechte für den Fall der Insolvenz eines Gesellschafters überhaupt vereinbart werden können oder ob einer solchen Regelung § 26 Abs 3 IO („An Anträge des Schuldners, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht angenommen worden sind, ist der Insolvenzverwalter nicht gebunden“) entgegensteht, hat der OGH bisher noch nicht entschieden (OGH 30.03.2016, 6 Ob35/16i). In einer kürzlich ergangenen (rechtskräftigen) Entscheidung hat nun das OLG Linz (27.08.2019, 6 R 95/19m) ausgeführt, dass ein Aufgriffsrecht der Mitgesellschafter für den Fall, dass über das Vermögen eines Gesellschafters ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, in einem Gesellschaftsvertrag nicht zulässig sei – und zwar unabhängig vom Aufgriffspreis („Eine Immunisierung des GmbH-Geschäftsanteils gegenüber dem Zugriff der Gläubiger gibt es in der Insolvenz des Gesellschafters nicht“). Es stützt sich dabei auch auf einige Meinungen in der rechtswissenschaftlichen Literatur, ohne die ebenso zahlreichen gegenteiligen Meinungen zu zitieren: Bei Insolvenz eines Gesellschafters fällt der Geschäftsanteil in die Insolvenzmasse; die mit dem Anteil verbundene Rechtsausübung steht dann dem Insolvenzverwalter zu.

Dies spricht prima vista für die Zulässigkeit eines Aufgriffsrechts im Insolvenzfall: Der Insolvenzverwalter übt das Recht des Gesellschafters aus - und das kann eben vorsehen, dass der Geschäftsanteil mit einem Aufgriffsrecht der übrigen Gesellschafter für den Insolvenzfall behaftet ist. Für die Gläubiger ergibt sich hieraus auch kein sichtbarer Nachteil, solange nur als Aufgriffspreis der Verkehrswert vereinbart wurde und dieser in die Masse fließt. Diesen Umstand lässt das OLG Linz jedoch außer Betracht: Es beruft sich eben auf den oben zitierten § 26 Abs 3 IO. Dabei versteht das OLG Linz das gesellschaftsvertragliche Aufgriffsrecht für den Insolvenzfall als Angebot des ausscheidenden Gesellschafters („Antrag“), seinen Geschäftsanteil an die übrigen Gesellschafter zu übertragen, sodass der Geschäftsanteil in die Insolvenzmasse fällt und vom Insolvenzverwalter nach seinen Vorstellungen – und somit theoretisch auch günstiger als zum Verkehrswert – an einen Dritten (und somit etwa an einen direkten Konkurrenten der betroffen Gesellschaft) übertragen kann.

Diese Entscheidung des OLG Linz steht allerdings in einem Spannungsverhältnis zur Judikatur des OGH, wonach einer im Gesellschaftsvertrag verankerten Beschränkung der Übertragung von Geschäftsanteilen (somit die eingangs angesprochene Vinkulierung) quasi-dingliche Wirkung zukommt (OGH 14.09.2011, 6 Ob 81/11x) und somit eine Übertragung ohne Zustimmung der hierzu im Vertrag Berechtigten schwebend unwirksam ist (OGH 21.02.2008, 6 Ob 7/08k). Zutreffend wird in der Literatur auch argumentiert, dass eine solche gesellschaftsvertragliche Vinkulierung von Geschäftsanteilen auch den Insolvenzverwalter bindet und gerade nicht als „Antrag“ im Sinn von § 26 Abs 3 IO zu werten ist.

Dass dieser Umstand die Landesgerichte in Oberösterreich zumindest vorerst nicht daran hindert, ein Aufgriffsrecht im Insolvenzfall als nicht eintragungsfähig zu beanstanden, mussten die Verfasser anlässlich eines Eintragungsverfahrens hinsichtlich einer GmbH im Firmenbuch beim Landesgericht Linz selbst feststellen – und zwar trotz der soeben angesprochenen Vinkulierungsklausel, im Gesellschafsvertrag. Umgekehrt haben aber bislang etwa das Handelsgericht Wien oder das LG für ZRS Graz ein solches Aufgriffsrecht im Insolvenzfall nicht beanstandet und – zeitlich nach der zitierten Entscheidung des OLG Linz – problemlos eingetragen.

Fazit

Da im Anlassfall die Revision an den Obersten Gerichtshof trotz Ausspruch der Zulässigkeit durch das OLG Linz („weil der Oberste Gerichtshof die Frage offen gelassen hat, ob Aufgriffsrechte für den Fall der Insolvenz eines Gesellschafters vereinbart werden können oder ob einer solchen Regelung in der Satzung § 26 Abs 3 IO entgegensteht“) bedauerlicher Weise unterblieben ist, gilt für Gesellschaftsverträge oberösterreichischer Gesellschaften derzeit ein anderer Maßstab, weil sich die oberösterreichischen Landesgerichte wohl bis auf Weiteres an die Entscheidung des OLG Linz gebunden erachten. Damit ist freilich auch der gesellschaftsrechtliche Fleckerlteppich zumindest temporär wieder ein Stückchen gewachsen und auch in dieser Hinsicht der Föderalismus betont.

Autoren

Mag. Georg Streit

Mag. Georg Streit ist Rechtsanwalt und Partner bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG.

Dr. Michael Zwirchmayr

Dr. Michael Zwirchmayr ist Rechtsanwalt und Partner bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG – und Oberösterreicher. Zuvor war er unter anderem mehrere Jahre Universitätsassistent am Institut für Zivil- und Unternehmensrecht der Wirtschaftsuniversität Wien.