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WEKA (vpa) | News | 07.12.2015

Keine Pflichtversicherung für Kommanditisten nur wegen Prokura

Aus der Erteilung von Prokura an einen Kommanditisten folgt für sich genommen noch keine Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG, weil die Geschäftsführungsbefugnisse im Innen- von der Vertretung im Außenverhältnis unterschieden werden müssen.

Geschäftszahl 

VwGH 9. September 2015, 2013/08/0227

Norm 

§ 2 Abs 1 Z 4 GSVG

Leitsatz

Quintessenz:

Aus der Erteilung von Prokura an einen Kommanditisten folgt für sich genommen noch keine Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG, weil die Geschäftsführungsbefugnisse im Innenverhältnis von der Vertretung im Außenverhältnis unterschieden werden müssen. Auch wenn die Prokura eine im Außenverhältnis unbeschränkbare Formalvollmacht ist, sind im Innenverhältnis Einschränkungen möglich.

OGH: Für die Pflichtversicherung eines Kommanditisten einer KG nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG ist dessen aktive Betätigung im Unternehmen maßgeblich. Geht die Rechtstellung nicht über die gesetzlich vorgesehenen Mitwirkungsrechte an der Geschäftsführung hinaus, so soll der Kommanditist auch nicht nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG pflichtversichert sein (vgl 2006/08/0041).

Für die Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG ist der rechtliche Umfang der Geschäftsführerbefugnisse des Kommanditisten maßgeblich. Geht dieser über die Mitwirkung an außergewöhnlichen Geschäften hinaus, so ist nicht von Bedeutung, wie häufig der Kommanditist tatsächlich Gebrauch von seinen Geschäftsführungsbefugnissen macht und inwiefern er im Unternehmen tatsächlich operativ tätig und anwesend ist.

Die Prokura ist eine im Umfang gesetzlich festgelegte, unübertragbare und im Außenverhältnis unbeschränkbare Formalvollmacht. Sie geht nicht mit einer Handlungspflicht des Prokuristen einher sondern begründet nur dessen rechtliches Können. Der Prokurist ist zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen im Betrieb des Unternehmens berechtigt. Erfasst sind gewöhnliche und außergewöhnliche Geschäfte.

Wird einem Kommanditisten Prokura erteilt, so kann er für die KG im Außenverhältnis wirksame Vertretungsakte setzen, obwohl er nach § 170 UGB von der organschaftlichen Vertretung ausgeschlossen ist. Jedoch führt dies nicht dazu, dass der Kommanditist dadurch Geschäftsführungsbefugnisse erhält, weil die Geschäftsführungsbefugnis im Innenverhältnis von der Vertretung im Außenverhältnis funktionell unterschieden werden muss.

Im Innenverhältnis können Einschränkungen vereinbart werden. Im Verhältnis zur Gesellschaft führt die Prokura daher nur zu einem beschränkten „rechtlichen Dürfen“. Daher folgt aus der Erteilung von Prokura an einen Kommanditisten für sich genommen noch keine Berechtigung zur laufenden Geschäftsführung der KG und daher auch keine Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG.

Ergänzend merkte der VwGH an, dass es im Hinblick auf die fehlende Formpflicht für Gesellschaftsverträge bei der KG nicht nur darauf ankommt, ob und welche Geschäftsführungsbefugnisse einem Kommanditisten allenfalls vertraglich eingeräumt werden. Es ist zu untersuchen, ob der Kommanditist ohne Widerspruch durch den Komplementär de facto regelmäßig mehr Geschäftsführungsbefugnisse in Anspruch nimmt als vertraglich eingeräumt wurden, da auch eine konkludente Änderung des Vertrages möglich ist.

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