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Dokument-ID: 631125

Florian Linder - Lukas Schenk | News | 11.11.2013

Laesio Enormis beim Anteilskauf

Die Gastautoren Dr. Florian Linder und Dr. Lukas Schenk gehen in ihrem Beitrag anhand aktueller Judikatur der Frage der Anwendbarkeit der laesio enormis gemäß § 934 ABGB auf den Erwerb von Geschäftsanteilen nach.

§ 934 ABGB räumt dem verkürzten Vertragsteil das Gestaltungsrecht für den Fall ein, dass eine Leistung weniger als die Hälfte der versprochenen Gegenleistung wert ist. Ein GmbH-Anteilskauf mit bzw zwischen Privaten unterliegt daher regelmäßig der Beurteilung am Maßstab der laesio enormis. Ein Vorweg-Verzicht ist unwirksam. Seit 1. Jänner 2007 können sich auch Unternehmer – sofern die Anwendung des § 934 ABGB nicht vertraglich ausgeschlossen wurde – auf die Verkürzung über die Hälfte berufen. Gerade beim Anteilskauf birgt die laesio enormis aufgrund der immanenten Unschärfen ein nicht unerhebliches Anfechtungsrisiko.

§ 934 ABGB stellt zunächst auf ein schwerwiegendes, objektives Wertmissverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ab. Ein solcher Wertvergleich setzt voraus, dass beide Leistungen bewertbar sind. Dies ist nach der Rechtsprechung auch bei GmbH-Geschäftsanteilen der Fall (25.03.2003, 1 Ob 67/03i). In der Praxis zeigen sich an dieser Stelle die ersten Unwägbarkeiten. Dies beginnt bei der Wahl der Bewertungsmethode. Im Streitfall gehört die Methodenwahl zum Kern der Sachverständigentätigkeit. Eine Vorgabe durch das Gericht scheidet (im Allgemeinen) aus. Die Methodenwahl ist der Nachprüfung durch den OGH entzogen, da bei der Unternehmensbewertung für die Wertermittlung keine gesetzlich vorgeschriebene Methode bestünde; eine Ausnahme bestünde nur dann, wenn eine grundsätzlich inadäquate Methode angewendet wurde (27.02.2013, 6 Ob 25/12p). Liegt nach der Verkehrsauffassung der Wert einer Sache vor allem in ihrem Ertrag, ist vom Ertragswert, andernfalls aber vom Verkehrswert auszugehen. Von der Rechtsprechung wird die Ertragswertmethode als adäquate Wertermittlung eines Unternehmens angesehen (21.01.2011, 9 Ob 32/10m).

Die Ertragswertmethode hängt von einer Vielzahl von Faktoren, insbesondere aber auch von den – auf Annahmen beruhenden – Planrechnungen des Managements ab. Zudem stellt sich die Frage, ob und wie im Einzelfall subjektive Elemente, wie beispielsweise Synergieeffekte bei dem Erwerber oder die von den Vertragsparteien zu Grunde gelegte Mitarbeit des Erwerbers im Unternehmen, zu bewerten sind.

Trotz all dieser Unschärfen bleibt es nach ständiger Rechtsprechung bei der Anwendbarkeit der laesio enormis auf den Anteilskauf (zuletzt 04.07.2013, 6 Ob 64/13z).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung ist der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, nicht aber ein etwaiger späterer Leistungszeitpunkt (12.08.1998, 4 Ob 208/98m). Die Bewertung muss uE aus der Sicht ex ante erfolgen. Bei Abschluss eines Vorvertrages ist für die Beurteilung des Missverhältnisses auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Vorvertrages (19.05.2010, 8 Ob 148/09m), bei einem Optionsvertrag hingegen auf den Zeitpunkt der Ausübung des Optionsrechts abzustellen (12.09.2001, 4 Ob 159/01p).

Stellt der Sachverständige im Verfahren eine relevante Verkürzung fest, bleibt dem Verkürzenden (bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz) die Möglichkeit, von der „facultas alternativa“ Gebrauch zu machen und so die Aufhebung des Vertrages abzuwenden.

Die erfolgreiche Anfechtung des Vertrags bewirkt dessen Aufhebung mit sachenrechtlicher Wirkung ex tunc. Die GmbH-Anteile sind Zug um Zug (§ 877 ABGB analog) zurückzustellen. Fraglich ist, inwieweit Wertänderungen, beispielsweise aufgrund des Missmanagements des Erwerbers, zu berücksichtigen sind. Zuletzt hatte der OGH einen Fall zu beurteilen, in dem eine Rückstellung aufgrund des zwischenzeitig eingetretenen Untergangs der zurück zu stellenden Geschäftsanteile (hier: Insolvenz der Gesellschaft) unmöglich war (04.07.2013, 6 Ob 64/13z).

Nach der Zwei-Kondiktionen-Theorie sind die beiden Ansprüche voneinander unabhängig zu beurteilen, sodass der Sachempfänger das von ihm als Entgelt Geleistete zurückfordern kann, obwohl er selbst für die Sache keinen Wertersatz leisten muss. Nach der Saldo-Theorie kann der Empfänger der untergegangenen Sache nur jenen Betrag des Entgelts zurückfordern, der den Wert der Sache übersteigt (bzw. die andere Partei kann für die Sache Wertersatz verlangen), weil die Leistungen auch im Rückabwicklungsstadium ein Synallagma bilden und der zufällige Untergang (und folglich auch der vom Erwerber verschuldete Untergang) überdies in die Erwerbersphäre fällt.

Der OGH musste sich mit dieser Frage nicht abschließend auseinander setzen, da schon das Erstgericht bei seiner Berechnung des dem Kläger (Erwerber) zustehenden Betrags den Wert des übernommenen Geschäftsanteils in Abzug gebracht hatte. Auch unter Zugrundelegung der (für den Kläger ungünstigeren) Saldotheorie ergebe sich somit nicht weniger als der Zuspruch durch das Erst- bzw Berufungsgericht.

Autoren

MMag. Dr. Florian Linder:

MMag. Dr. Florian Linder ist Rechtsanwalt bei Viehböck Breiter Schenk & Nau Rechtsanwälte, Wien/Mödling. Er ist als Lektor an der Wirtschaftsuniversität Wien tätig sowie ständiges Redaktionsmitglied der Zeitschrift für Finanzmarktrecht. Dr. Florian Linder war Universitätsassistent am Institut für Zivil- und Unternehmensrecht der Wirtschaftsuniversität Wien. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Unternehmensrecht, Kapitalmarktrecht, Insolvenzrecht, allgemeines Zivil- und Vertragsrecht sowie Litigation.

Florian.linder@vbsn.at

Dr. Lukas Schenk:

Dr. Lukas Schenk ist Partner bei Viehböck Breiter Schenk & Nau Rechtsanwälte, Wien/Mödling. Er war als Universitätsassistent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien sowie bei der Europäischen Kommission in Brüssel tätig. Dr. Lukas Schenk ist ständiger Vortragender an der Akademie der Wirtschaftstreuhänder. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Unternehmenstransaktionen, Gesellschaftsrecht und Gesellschafterausschluss, Umstrukturierungen, Vergabe- sowie Arbeitsrecht.

Lukas.schenk@vbsn.at