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Georg Streit | News | 25.05.2011

Mag. Streit: Stimmverbot eines GmbH-Gesellschafters

Mag. Streit beschäftigt sich in seinem Beitrag mit der Frage der Einschränkung des Stimmrechts eines GmbH-Gesellschafters in der Gesellschafterversammlung und stellt die jüngste Judikatur des OGH dazu dar.

Gesetzliche Grundlage: § 39 Abs 4 GmbHG

Wenn die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag einer GmbH keine andere Regelung treffen, erfolgt die Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung durch einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Wie viele Stimmen einem Gesellschafter zukommen, hängt von der von ihm übernommenen Stammeinlage und der gesellschaftsvertraglichen Regelung, wie die Stammeinlage in Stimmen umzurechnen ist, ab. Findet sich keine gesetzliche Regelung, gewähren je EUR 10,00 der übernommen Stammeinlage eine Stimme.

Stimmberechtigt sind grundsätzlich alle Gesellschafter. Wer allerdings durch die Beschlussfassung von einer Verpflichtung befreit werden soll oder wem aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses ein Vorteil zugewendet werden soll (den die Gesellschaft gewährt), darf bei der Beschlussfassung nicht mitstimmen. Auch bei der Beschlussfassung über die Vornahme eines Rechtsgeschäfts zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter (In-sich-Geschäft) oder wenn es um einen Rechtsstreit zwischen der Gesellschaft und einem Gesellschafter geht, ist letzterer nicht stimmberechtigt. Das gilt auch dann, wenn eine juristische Person Gesellschafter einer GmbH ist und einer oder mehrere ihrer Gesellschafter oder Vertreter befangen sind. Maßstab ist dabei, ob die juristische Person, die Gesellschafterin einer GmbH ist, durch ihren Gesellschafter oder Vertreter vollständig beherrscht wird (OGH 18.9.2009, 6 Ob 49/09p)

Interessenkollision

Das gesetzliche Stimmrechtsverbot soll

  • die Gesellschaft selbst und
  • Mitgesellschafter eines dem Stimmrechtsverbot unterliegenden Gesellschafters

vor einer kollidierenden Interessenlage zwischen einem bestimmten Gesellschafter und der Gesellschaft schützen. Naturgemäß kommen diese Schutzbestimmungen Minderheitsgesellschaftern zugute.

§ 39 Abs 4 GmbHG verbietet die Stimmabgabe eines Gesellschafters bei Interessenkollisionen aber nicht generell. Vielmehr sind vier bestimmte Fälle genannt. Diese lassen sich wiederum in zwei Fallgruppen zusammenfassen, nämlich

  • erstens das Abstimmen über eigene Geschäfte mit der Gesellschaft und
  • zweitens Konstellationen, in denen der vom Stimmrechtsverbot betroffene Gesellschafter bei einer Entscheidung in eigener Sache befangen wäre.

Nicht vom Stimmverbot umfasst sind – auch wenn die Gesellschafter unterschiedliche Ziele verfolgen – Akte, die im Gesellschaftsverhältnis selbst begründet sind. Nur Geschäfte mit Gesellschaftern, die auch mit einem Dritten geschlossen werden könnten, also nicht von der Gesellschafterstellung abhängig sind, fallen unter die „Rechtsgeschäfte mit einem Gesellschafter“.

Ist das des Stimmverbot abdingbar?

Ob das gesetzliche Stimmverbot gemäß § 39 Abs 4 GmbHG abgedungen werden kann, lässt das Gesetz offen. Die überwiegende Meinung der rechtswissenschaftlichen Literatur hält das gesetzliche Stimmverbot für zwingend, einige Stimmen gehen von der Disponilität des gesetzlichen Stimmverbots bei In-Sich-Geschäften aus, verneinen dieses jedoch wenn es um Rechtsstreitigkeiten des Gesellschafters geht (Enzinger in Straube, Wiener Kommentar zum GmbH-Gesetz, § 39, Rz 88 ff mwN). Eine Erweiterung des gesetzlichen Stimmverbots hingegen wird überwiegend als zulässig angesehen.

In der Entscheidung vom 19.3.2010, 6 Ob 169/09k ging der OGH davon aus, dass die gesetzlichen Stimmverbote dispositiver Natur sind. Offen blieb jedoch, ob diese (nur) verschärft, oder auch abgedungen werden können. Der Gesellschaftsvertrag, der in dem vom OGH entschiedenen Fall zu beurteilen war, enthielt keine Sonderregelungen für Stimmrechtsverbote.

Generell abstrakte Beurteilung

Klar sprach der OGH allerdings aus, dass es für die Beurteilung eines Stimmrechtsverbots nicht darauf ankommt, ob dem betroffenen Gesellschafter durch das In-Sich-Geschäft ein Vorteil oder der Gesellschaft einen Nachteil erwachsen kann und ob dieses In-Sich-Geschäft einem Drittvergleich standhält. Der OGH hält eine „abstrakte Betrachtung“ für „im Interesse der Rechtssicherheit unverzichtbar“. Gleiches gilt auch für die zweite Fallgruppe, in der es um Rechtsstreitigkeiten zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter geht.

Schließlich bekräftigte der OGH seine Rechtsprechung (z. B. 18.9.2009, 6 Ob 49/09p), wonach das Stimmverbot auch bei Rechtsstreitigkeiten, die aus dem Gesellschafterverhältnis münden, zB bei Haftungsansprüchen gegen Organe, Anfechtungsklagen oder Ausschlussklagen ebenso gilt, wie bei Beschlussfassungen über die Entlastung eines Geschäftsführers.

Zusammengefasst hat der OGH eine abstrakte und daher von einer potentiellen Gefährdungsmöglichkeit unabhängige Sichtweise des Stimmverbots betont. Eine entgegen dem Stimmverbot abgegebene Stimme wäre nichtig und bei der Beschlussfassung nicht mitzuzählen. Der Beschluss muss aber nicht wiederholt werden. Auch die Anfechtung eines Beschlusses, bei dem ein nicht stimmberechtigter Gesellschafter mitgestimmt hat, ist nicht notwendig, da das Stimmverbot die Stimmabgabe nichtig gemacht hat. Allenfalls ist mittels einer Klage auf Feststellung der nichtigen Stimmabgabe oder des Inhalts des Beschlusses vorzugehen.

Autor

Mag. Georg Streit ist seit 2000 Rechtsanwalt und seit 2001 Partner bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Immaterialgüterrecht, Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht, Rundfunkrecht und Vergaberecht. Weiters ist er Lektor an den Universitäten Wien und Salzburg, Vortragender bei Seminaren und Lehrgängen.

Für WEKA ist er Herausgeber des Newsletters für Gesellschaftsrecht Online sowie für das Werk „Personengesellschaften in Fallbeispielen“.

www.h-i-p.at

(17.08.2010)