Dokument-ID: 281587

WEKA (skn) | News | 17.05.2011

Missbrauch iSd § 22 BAO bei der grunderwerbsteuerpflichtigen Anteilsvereinigung

Bei Missbrauchsverdacht ist zu prüfen, ob ein Weg auch ohne steuersparenden Effekt sinnvoll ist, oder ob er ohne Steuerminderung als Resultat unverständlich wäre. Ein Anspruch auf Abtretung des verbliebenen Zwerganteils ist unangemessen und unüblich.

Geschäftszahl

VwGH 05.04.2011, 2010/16/0168

Norm

§ 1 Abs 3 Z 1 GrEStG 1987; § 22 BAO

Leitsatz

Quintessenz:

Bei Missbrauchsverdacht ist zu prüfen, ob ein Weg auch ohne steuersparenden Effekt sinnvoll ist, oder ob er ohne Steuerminderung als Resultat unverständlich wäre. Ein Anspruch auf Abtretung des verbliebenen Zwerganteils ist unangemessen und unüblich.

VwGH: Wenn zum Gesellschaftsvermögen ein inländisches Grundstück gehört, so unterliegt der Steuer gemäß § 1 Abs 3 Z 1 GrEStG 1987 auch ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, falls durch die Übertragung alle Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein oder in der Hand von Unternehmen iSd § 2 Abs 2 UStG vereinigt werden würden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem Erkenntnis 82/16/0069 vom 14. Juni 1984 ausgesprochen, dass die in § 1 Abs 3 Z 1 GrEStG 1955 (in der damaligen auf den Beschwerdefall anzuwendenden Fassung) enthaltenen Worte „in der Hand“ strikt auszulegen sind: „In der Hand des Erwerbers“ sind Anteile dann, wenn dieser selbst Eigentum an ihnen erworben hat. Das ist nicht der Fall, wenn der Erwerber, aufgrund welcher Rechtsbeziehungen auch immer, auf diese Anteile greifen, dh die Übertragung fordern, könnte. In dem Erkenntnis wurde somit die Steuerpflicht einer wirtschaftlichen Anteilsvereinigung abgelehnt.

Ein Treuhänder kann als vollberechtigter Eigentümer der Anteile ein solcher Erwerber sein, in dessen Händen die Anteile vereinigt werden. Wenn jemand als Treuhänder Gesellschaftsanteile erwirbt und dadurch alle Anteile in seinen Händen vereinigt, dann wird auch der Erwerb des Treuhänders selbst gemäß § 1 Abs 3 Z 1 GrEStG 1987 grunderwerbsteuerpflichtig. Der an die äußere zivil- und formalrechtliche Gestaltung anknüpfende Tatbestand des § 1 Abs 3 Z 1 GrEStG 1987 ist erfüllt, wenn ein Treuhänder die restlichen Anteile der Gesellschaft rechtsgeschäftlich erwirbt.

Im vorliegenden Beschwerdefall sah die belangte Behörde nicht nur den Tatbestand des § 1 Abs 3 Z 1 GrEStG 1987 als erfüllt, sondern setzte im Instanzenzug die Grunderwerbsteuer unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 22 Abs 2 BAO nach der dem angestrebten wirtschaftlichen Erfolg angemessen rechtlichen Gestaltung fest.

Fraglich ist im vorliegenden Beschwerdefall, ob der Tatbestand des § 22 Abs 1 BAO erfüllt ist. Im vorliegenden Fall übertrug der Vater des Beschwerdeführers 2006 zunächst 25 % der Anteile an der grundstücksbesitzenden GmbH seinem Sohn. 2008 folgte eine Übertragung von weiteren 74 % auf den Sohn. Am Tag der zweiten Übertragung wurde zudem ein „Abtretungs- und Treuhandvertrag“ geschlossen, der dem Sohn das wirtschaftliche Eigentum am verbleibenden Zwerganteil von einem Prozent der Gesellschaft übertrug, das zivilrechtliche Eigentum aber beim Vater ließ. Der Vater sollte den Zwerganteil treuhändig für seinen Sohn verwalten.

Nach § 22 Abs 1 BAO kann die Abgabenpflicht durch Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des Zivilrechts nicht umgangen oder gemindert werden. Liegt ein Missbrauch gemäß § 22 Abs 1 BAO vor, dann sind gemäß § 22 Abs 2 BAO die Abgaben so zu erheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben wären. Nach stRsp des Verwaltungsgerichtshofes liegt Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten iSd § 22 Abs 1 BAO vor, wenn eine solche rechtliche Gestaltung gegeben ist, die im Hinblick auf den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg ungewöhnlich und unangemessen ist und ihre Erklärung nur in der Absicht der Steuervermeidung findet. Daher ist zu prüfen, ob der gewählte Weg noch sinnvoll erscheint, wenn man den Abgaben sparenden Effekt wegdenkt, oder ob er ohne das Resultat als Steuerminderung einfach unverständlich wäre. Die unstrittige Übertragung beinahe des gesamten Geschäftsanteiles vom Vater auf den Beschwerdeführer, die Belassung eines Zwerganteiles an der Gesellschaft beim Vater, der diesen Anteil aber treuhändig für den Sohn hält, und der Abtretungs- und Treuhandvertrag der ein Anbot enthält, aufgrund dessen der Beschwerdeführer jederzeit den Anspruch auf Abtretung des beim Vater verbliebenen Zwerganteiles ausüben kann, konnte die belangte Behörde frei von Rechtsirrtum als ungewöhnlich und unangemessen im Sinne der zitierten Rsp betrachten.

Die Frage des Vorliegens einer Missbrauchsabsicht im Sinne des § 22 BAO ist eine Tatfrage und daher aufgrund entsprechender Erhebungen in freier Beweiswürdigung zu lösen.

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