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Michael Petritz - Andreas Kampitsch | News | 10.04.2013

Neueste Rechtsprechung bestätigt Gefahr von Gesellschaftsteuerpflicht bei umgründungsnahen Großmutterzuschüssen

Die Gastautoren MMag. Petritz und Mag. Kampitsch widmen sich in ihrem Beitrag der jüngsten Rechtsprechung des UFS und des Verwaltungsgerichtshofes in Steuerfragen, konkret der Gesellschaftsteuerpflicht von Großmutterzuschüssen.

Umgründungsnahe Großmutterzuschüsse sind vor allem bei Unternehmensrestrukturierungen in wirtschaftlich angespannten Zeiten häufige (und oft gesellschaftsrechtlich notwendige) Begleitmaßnahmen. Die Judikatur des VwGH und des UFS zur Frage, ob solche Zuschüsse Gesellschaftsteuerpflicht auslösen, birgt daher in vielen Fällen Brisanz, zeigt sich doch, dass ausgehend von der Rechtsprechung des EuGH nunmehr in vielen Fällen die Gesellschaftsteuerpflicht von derartigen Zuschüssen bejaht wird. Dies dann, wenn – abgeleitet von der durch den EuGH entwickelten „Interessentheorie“ – der Zuschuss im ausschließlichen oder zumindest überwiegenden Interesse der direkt beteiligten Körperschaft liegt und daher die formale Ausgestaltung des Zuschusses für die Zurechnung hinter eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zurücktritt. Beispielhaft dafür sind drei kürzlich ergangene Entscheidungen des UFS bzw des VwGH, die im Nachfolgenden besprochen werden.

1. Einleitung

Großmutterzuschüsse sind seit langem ein probates Mittel, um die Gesellschaftsteuerpflicht von Zuschüssen dadurch zu vermeiden, dass nicht der unmittelbar gesellschaftsrechtlich Beteiligte die Zuschüsse an die Tochtergesellschaft leistet, sondern dessen Mutter. Durch die jüngsten Entscheidungen des UFS bzw VwGH ist – in konsequenter Fortführung der bisherigen Judikatur – jedoch Vorsicht geboten, sollte ein solcher Großmutterzuschuss im Zusammenhang mit Umgründungsmaßnahmen stehen (sog „umgründungsnahe Großmutterzuschüsse“). Hier verlässt die Rechtsprechung – ausgehend von der Judikatur des EuGH – den Pfad der für Verkehrssteuern typischen rechtlichen Betrachtungsweise und rechnet in wirtschaftlicher Betrachtung den umgründungsnahen Großmutterzuschuss der direkt beteiligten Tochter zu, was im Ergebnis zur Gesellschaftsteuerpflicht des Zuschusses führt.

2. Rechtslage

Der Gesellschaftsteuer unterliegt die Eigenkapitalzufuhr an österreichische Kapitalgesellschaften durch einen Gesellschafter in Form von freiwilligen Zuschüssen, Forderungsverzicht, Überlassung von Gegenständen zu einer den Wert nicht erreichenden Gegenleistung sowie die Übernahme von Gegenständen der Gesellschaft zu einem den Wert übersteigenden Gegenleistung, wenn die Leistung geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen.

Harmonisiert ist die Rechtslage unionsweit durch die KapitalansammlungsRL. Die hiezu vom EuGH ergangene Judikatur hat aus diesem Grund entscheidende Bedeutung für in Österreich verwirklichte gesellschaftssteuerliche Sachverhalte.

a. Eignung der Leistung, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist es für die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmales nicht notwendig, eine tatsächliche Werterhöhung nachzuweisen, es genügt bereits die objektive Eignung der Leistung, den Erfolg der Wertsteigerung zu bewirken.

b. Gesellschafter einer inländischen Kapitalgesellschaft

Zentrales Kriterium ist jedoch die Leistung eines Zuschusses durch einen Gesellschafter iSd KVG. Nach traditioneller österreichischer Auffassung entsprachen nur Zuschüsse unmittelbar beteiligter Gesellschafter diesem Begriff. Die Judikatur des EuGH hat diese traditionelle Auffassung jedoch ausgeweitet und bezieht nunmehr in bestimmten Konstellationen auch Zuschüsse durch mittelbar beteiligte Großmuttergesellschaften ein. Auf Grund der vom EuGH postulierten Zurechnungstheorie ist über die Gesellschaftsteuerpflicht bei Zuschüssen mit Anteils- bzw Genussscheingewähr „anhand einer wirtschaftlichen und nicht einer formalen, allein auf die Herkunft der Einlagen abstellenden Betrachtungsweise zu treffen“. Für die Feststellung, ob die Einlage unter die Gesellschaftsteuer fällt, ist „zu untersuchen, wem ihre Zahlung zuzurechnen ist, und es genügt nicht, ihre formale Herkunft festzustellen“. Ist daher die Zuschussleistung in wirtschaftlicher Betrachtungsweise dem unmittelbaren Gesellschafter zuzurechnen, etwa durch Übernahme und Erfüllung einer Verpflichtung durch die Großmuttergesellschaft für die direkte Gesellschafterin, so löst dieser Zuschuss Gesellschaftsteuerpflicht aus. Nach Ansicht der österreichischen Finanzverwaltung blieb jedoch der „klassische“ Großmutterzuschuss (dh ohne Gewährung von Anteilen) weiter steuerfrei.

Im Anschluss daran entwickelte der EuGH die sog Interessentheorie und bejahte eine Gesellschaftsteuerpflicht eines Großmutterzuschusses auch dann, wenn keine Anteilsgewährung erfolgte, die Gewährung des Zuschusses aber „vor allem im Interesse“ des unmittelbaren Gesellschafters lag. Das BMF hielt in der Folge an der Auffassung fest, dass Großmutterzuschüsse auch unter Zugrundelegung der neuen Entscheidung des EuGH nicht grundsätzlich der Gesellschaftsteuer unterlägen, insbesondere „klassische“ Großmutterzuschüsse würden nicht generell der Gesellschaftsteuer unterliegen.

Gesellschaftsteuer soll daher nach offensichtlicher Ansicht der Finanzverwaltung und der Mehrheit in der Literatur insbesondere nur dann eintreten, wenn das besondere Interesse des unmittelbaren Gesellschafters evident sei.

c. Gesellschaftsteuer bei umgründungsnahen Großmutterzuschüssen in der Judikatur des UFS bzw des VwGH

Als umgründungsnahe Großmutterzuschüsse werden Zuschüsse bezeichnet, welche die Großmutter in zeitlicher Nähe zu einer Umstrukturierung leistet. Nach der bisherigen Judikatur des VwGH und des UFS wurden solche umgründungsnahen Großmutterzuschüsse unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalles der unmittelbar beteiligten Tochtergesellschaft zugerechnet und somit eine Gesellschaftsteuerpflicht begründet.

3. Neueste Rechtsprechung zu umgründungsnahen Großmutterzuschüssen

a. VwGH 21.11.2012, 2010/16/0136

i. Sachverhalt

Der Sachverhalt, welcher der Entscheidung des VwGH zu Grunde lag stellte sich wie folgt dar. Am 27.12.2000 versprach G1 ihrer Enkelgesellschaft G6, welche sie über die Berufungswerberin hielt, einen nicht rückzahlbaren Zuschuss über ATS 1,4 Mrd, über welchen G6 im Jahresabschluss zum 31.12.2000 eine entsprechende Kapitalrücklage dotierte. Zwischen G6 und ihrer Mutter, der Berufungswerberin und einer 100- %-igen Tochter von G1, bestand seit Dezember 1996 ein Ergebnisabführungsvertrag, wonach G6 zur Abfuhr sämtlicher Gewinne an die Mutter und die Mutter zur Übernahme sämtlicher Verluste der G6 verpflichtet war. Mit 28.12.2000 wurde der Konzern umstrukturiert; die Maßnahmen sollten mit 01.01.2001 wirksam werden. Mit Abschluss der Restrukturierung war G1 nur mehr mittelbar an der Beschwerdeführerin beteiligt (über drei weitere Konzernebenen).

Da sich eine Bank unter den umzustrukturierenden Unternehmen befand, bewilligte das BMF die Umgründung nur unter der Auflage, dass dem Konzern Eigenmittel iHv ATS 2 Mrd zufließen.

Die Zahlung des Zuschusses erfolgte erst im März 2001 durch eine Tochter der G1 auf deren Rechnung an die G6 mittels Überweisung. Auf dem Überweisungsbeleg wurde als Zahlungsgrund „C* Bank Code“ (wobei C* die Beschwerdeführerin bezeichnete).

Die Beschwerdeführerin als Alleineigentümerin der G6 hat mit Gesellschafterbeschluss den Jahresabschluss genehmigt und beschlossen, dass der gesamte Jahresüberschuss auf Basis des Ergebnisabführungsvertrags abzuführen sei. Dieser – unter „Erträge aus Anteilen an verbundenen Unternehmen“ gebuchte Zuschuss führte zu einem positiven Ergebnis (EGT) iHv rund ATS 467 Mio; ohne Zuschuss hätte die Beschwerdeführerin daher einen Verlust iHv rund ATS 939 Mio ausgewiesen.

ii. Entscheidung des VwGH

Der VwGH bejahte die Gesellschaftsteuerpflicht. Dass G1 im Zeitpunkt der Leistung des Zuschusses nicht mehr Gesellschafterin der Beschwerdeführerin war, konnte die Gesellschaftsteuerpflicht nicht ausschließen, käme es doch nach ständiger nicht auf die Verhältnisse bei der tatsächlichen Zahlung, sondern im Zeitpunkt der Leistung an. Dieser Zeitpunkt sei nach ständiger Rechtsprechung des VwGH dann gegeben, wenn der Gesellschafter sich – auch freiwillig – zur Leistung eines Zuschusses verpflichte.

Die Leistung des Zuschusses sei jedenfalls und unbestritten G1 zuzurechnen, im Zeitpunkt des Zuschussversprechens (und damit der Leistung) sei sie noch Gesellschafter der Beschwerdeführerin gewesen.

Strittig war vor allem, wem für die Zwecke der Gesellschaftsteuer der Zuschuss als Empfänger zuzurechnen sei. Der VwGH rechnete den Zuschuss unter Einbeziehung der folgenden Umstände der Beschwerdeführerin als Empfängerin zu:

  • Der Kapitalbedarf der Beschwerdeführerin, der sich einerseits aus der vom BMF angeordneten Auflage für die Genehmigung der Umstrukturierung ergab und andererseits, dass ohne den „Zuschuss“ (in Form der Weiterleitung aufgrund des Ergebnisabführungsvertrags von G6 an die Berufungswerberin) ein Verlust ausgewiesen hätte werden müssen.
  • Die ausdrückliche (beabsichtigte) Kapitalausstattung der Berufungswerberin, bekräftigt durch den Vermerk auf dem Überweisungsbeleg.
  • Den fehlenden Kapitalbedarf auf Ebene der G6.
  • Die zeitliche Abfolge.

Im Ergebnis gelangte der VwGH daher zu einer vom Zivilrecht abweichenden wirtschaftlichen Zurechnung des Zuschusses an G6 und einer Gesellschaftsteuerpflicht des Großmutterzuschusses, da die oben angeführten Umstände die Annahme einer hierfür erforderlichen Ausnahmesituation rechtfertigen.

b. UFS 16.10.2012, RV/2434-W/08

i. Sachverhalt

Die Entscheidung des UFS bezog sich auf den Erwerb einer 100%igen Beteiligung der Berufungswerberin an einer Objektgesellschaft im März 2006. Im Abtretungsvertrag war die Verpflichtung der Berufungswerberin vorgesehen, einen Betrag auf ein Treuhandkonto zu zahlen, von dem einerseits der Kaufpreis bezahlt und andererseits Bankverbindlichkeiten getilgt werden sollten. Der Betrag wurde nicht von der Berufungswerberin, sondern von ihrer 100%igen deutschen Mutter einbezahlt. Die mit dieser Treuhandanlage bezahlten Forderungen der Banken gingen im Wege der Legalzession auf die Großmutter über, welche auf einen Teil dieser Forderungen verzichtete. Einen Tag nach Forderungsverzicht wurde ein Verschmelzungsvertrag unterschrieben, wonach die Objektgesellschaft mit der Berufungswerberin verschmolzen wurde.

Die Umgründung an sich wurde durch die Berufungswerberin insbesondere mit Erfordernissen des deutschen InvFG begründet. Die Zuschussleistung wurde wirtschaftlich dadurch begründet, dass die Investoren eine Fremdkapitalquote von unter 50 % vorgaben, und sie somit der Stärkung der Eigenkapitalquote diente. Es liege daher kein kausaler Zusammenhang zwischen den beiden Vorgängen vor.

ii. Entscheidung des UFS

Der UFS bejahte die Gesellschaftsteuerpflicht in vorliegendem Sachverhalt und auch den kausalen Zusammenhang zwischen dem Forderungsverzicht und der Umgründung. Die zeitliche Nähe zwischen der Zuschussleistung und der Umgründung indiziert nach Ansicht des UFS eine Vergleichbarkeit mit der Entscheidung des VwGH 19.12.2002, 2001/16/0448. Die vorgegebene Fremdkapitalquote der Investoren von maximal 50 % sei mit dem Herbeiführen eines positiven Verkehrswerts im Sinne des Unternehmensrechts vergleichbar. Auch sei bereits von Beginn des Erwerbs an das Gesamtkonzept der Umgründung festgestanden. Da erst durch die Zuschussleistung erreicht wurde, dass die geplante Verschmelzung den wirtschaftlichen Vorgaben der Investoren entsprach, sei der Forderungsverzicht im Interesse der Berufungswerberin erfolgt und sei dieser daher als Leistender zuzurechnen.

c. UFS 30.10.2012, RV/0674-W/08

i. Sachverhalt

Die Entscheidung des UFS drehte sich um einen im Vorfeld einer Side-Stream-Einbringung von Beteiligungen an der Gesellschaft C (begünstigt nach Art III UmgrStG) gewährten Großmutterzuschuss. Die einbringende Gesellschaft A und die übernehmende Gesellschaft B waren beide 100%ige Tochtergesellschaften der E, weswegen auch eine Anteilsgewähr unterblieb. Zur Vermeidung einer verbotenen Einlagenrückgewähr erklärte sich die Großmuttergesellschaft F drei Tage vor Abschluss des Einbringungsvertrags bereit, einen Zuschuss an die A zu leisten, um den durch die Einbringung verursachten Vermögensabgang zu kompensieren. Ein paar Wochen nach der Einbringung wurde ein Teilbetrieb von E, zu dem auch die Beteiligung an B gehörte, auf die neu gegründete G übertragen, welche ihrerseits zu einer 100%igen Tochtergesellschaft von F wurde. All dies war Teil des Gesamtkonzepts der Umstrukturierung innerhalb des Konzerns.

ii. Entscheidung des UFS

Auch in diesem Fall wurde die Gesellschaftsteuerpflicht des Großmutterzuschusses bejaht. Der UFS hält fest, dass auch in dem vorliegenden Fall, das Interesse an dem Großmutterzuschuss bei E bestand, weil der Zweck der Zuschussleistung die Kompensation des Vermögensverlustes auf Ebene der A und daher die Vermeidung einer verbotenen Einlagenrückgewähr darstellte. Da sich im Zuschussversprechen der F der Satz die Zuschussgewährung erfolge „in Abstimmung mit E in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin von A“, erhärte dies den Kausalzusammenhang mit der Side-Stream-Einbringung. Die weiteren Umgründungsschritte, welche im Interesse von F lagen, seien nach Ansicht des UFS für die Gesellschaftsteuerpflicht des Zuschusses irrelevant.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig und derzeit beim VwGH anhängig.

4. Fazit

Wie sich aus vorstehenden Fällen zeigt, sollte bei einem Großmutterzuschuss, der in zeitlicher Nähe zu einem Umgründungsvorgang geleistet wird, stets das Risiko einer eventuellen Gesellschaftsteuerpflicht bedacht werden. Es ist jedenfalls bei einem solchen Zuschuss darauf zu achten, dass stichhaltige außersteuerliche Gründe vorliegen, welche das Interesse der leistenden Großmuttergesellschaft belegen und dass diese auch ausreichend dokumentiert sind. Kritisiert wird ua, dass ein Großmutterzuschuss, der zur Vermeidung einer gesellschaftsrechtlichen Einlagenrückgewähr geleistet wird, ebenfalls der Muttergesellschaft zugerechnet wird, obwohl ein solcher Zuschuss nicht bloß und nicht im überwiegenden Interesse der Mutter liege (Petritz-Klar, Vorsicht bei umgründungsnahen Großmutterzuschüssen! SWK 2013, in Druck).

Autoren

MMag. Michael Petritz

MMag. Michael Petritz ist als Steuerberater bei der KPMG Austria Gruppe in Wien tätig. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind das Unternehmenssteuerrecht, Internationales Steuerrecht, Estate Planning sowie Gebühren- und Verkehrsteuern. Weiters ist er Univ.-Lektor an der WU-Wien. Als Autor schreibt er für Gesellschaftsrecht Online sowie das Werk „Übertragung von Unternehmen“.

www.kpmg.at

Mag. Andreas Kampitsch

Mag. Andreas Kampitsch, LL.M. ist als Berufsanwärter bei der KPMG Alpen-Treuhand AG in Wien tätig. Seine Tätigkeitsschwerpunkte umfassen Konzernsteuerrecht, Internationales Steuerrecht, Estate Planning und die Besteuerung von Kapitalvermögen.