Dokument-ID: 316837

Lisa Korninger | News | 12.10.2011

Offenlegungsverpflichtung des Insolvenzverwalters unmöglich oder untunlich

Es kann nicht grundsätzlich nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens davon ausgegangen werden, dass die Offenlegungspflicht entfällt. Eine lediglich 5-7%ige Konkursquote macht die Offenlegung noch nicht untunlich.

Geschäftszahl

OGH 14.09.2011, 6 Ob 134/11s

Norm

§§ 277 ff, 283 UGB

Leitsatz

Quintessenz:

Es kann nicht grundsätzlich nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bei Schließung eines Unternehmens davon ausgegangen werden, dass die Offenlegungspflicht entfällt. Eine lediglich 5-7%ige Konkursquote macht die Offenlegung noch nicht untunlich.

OGH: Die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften treffen unternehmensrechtliche Rechnungslegungs- und Offenlegungspflichten. Spätestens neun Monate nach Bilanzstichtag haben diese den Jahresabschluss und den Lagebericht beim Firmenbuchgericht einzureichen (§ 277 Abs 1 UBG). Wird diese Verpflichtung nicht erfüllt, sind gemäß § 283 Abs 1 UGB Zwangsstrafen zu verhängen.

Die Pflichten nach §§ 277 ff UGB treffen nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft den Insolvenzverwalter. Diese Offenlegungspflichten sind vom Insolvenzverwalter bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens zu erfüllen.

Zwar kann laut Rspr die Offenlegungspflicht des Insolvenzverwalters entfallen, wenn die Erstellung von Jahresabschlüssen unmöglich oder untunlich, dh unwirtschaftlich, wäre. Diese Rechtsprechung wird auch durch § 283 UGB idF BBG 2011 gestützt, wonach von Zwangsstrafenverhängung abgesehen werden kann, wenn das verpflichtete Organ offenkundig durch ein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis an der Offenlegung gehindert war. Allerdings erfasst diese Bestimmung nur vorübergehende Hindernisse für die fristgerechte Offenlegung, sie lässt sich für den OGH nicht dahingehend interpretieren, dass damit eine Einwendungsmöglichkeit für insolvente Kapitalgesellschaften oder Insolvenzverwalter geschaffen werden sollte. Der betroffene Insolvenzverwalter hat die Unmöglichkeit oder Untunlichkeit der Erstellung und Offenlegung von Jahresabschlüssen spätestens im Einspruch gegen eine gegen ihn und (oder) die Gesellschaft erlassene Zwangsstrafverfügung geltend zu machen.

Vom OGH und VwGH wird der Grundsatz vertreten, dass die Offenlegungspflicht auch besteht, wenn die Gesellschaft keine Tätigkeit mehr ausübt. Art 47 der Bilanz-Richtlinie sieht keine Ausnahmen von der Offenlegungsverpflichtung von Jahresabschlüssen für Kapitalgesellschaften, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, vor. Daher kann grundsätzlich nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bei Schließung eines Unternehmens die Offenlegungspflicht nicht entfallen.

Auch eine verhältnismäßig geringfügige Verringerung des Befriedigungsfonds der Gläubiger bei Erstellung des Jahresabschlusses reicht für einen Entfall der Offenlegungsverpflichtung nicht aus. Hier hat man sich an der Wirtschaftlichkeit bzw Unwirtschaftlichkeit und dem Ausmaß der zu erwartenden Quotenverschlechterung zu orientieren. Eine durch die Bilanzerstellung notwendige Neuberechnung des Verteilungsentwurfs und eine damit verbundene kurzfristige Verzögerung des Insolvenzverfahrens wirken sich nicht unmittelbar auf die Interessenlagen aus.

Im konkreten Fall betrug die zu erzielende Konkursquote lediglich 5-7 %; der Masseverwalter und die betroffene Gesellschaft machten geltend, dass sich die Quote durch Erstellung des Jahresabschlusses verschlechtern würde.

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