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WEKA (ffa) | News | 19.10.2016

Pflicht der Behörde zu neuerlicher Zustellung oder Vertagung der Verhandlung trotz rechtswirksamer Zustellung der Ladung

Wenn die Behörde aufgrund einer ungeöffnet retournierten Ladung weiß, dass von der Ladung zur mündlichen Verhandlung keine Kenntnis erlangt wurde, liegt – obwohl die Ladung rechtswirksam zugestellt wurde – ein Verfahrensfehler vor.

Geschäftszahl

VwGH 29. Juli 2016, 2013/15/0245

Norm

§§ 19 Abs 1, 81 Abs 3; 280, 284, 285 BAO; §§ 17, 38, 142 UGB; § 42 Abs 2 Z 3 VwGG

Leitsatz

Quintessenz:

Wenn die Behörde aufgrund einer ungeöffnet retournierten Ladung durch den ehemaligen Vertreter einer Partei weiß, dass diese von der Ladung zur mündlichen Verhandlung keine Kenntnis erlangen konnte, liegt – obwohl die Ladung rechtswirksam zugestellt wurde – ein Verfahrensfehler vor, wenn der Termin zur Verhandlung ohne neuerlicher rechtswirksamer Zustellung stattfindet. 

VwGH: Eine Kommanditgesellschaft erlischt ohne Liquidation, wenn nur ein Gesellschafter übrig bleibt. Dieser ist Gesamtrechtsnachfolger und alle Aktiven und Passiven sowie Rechte und Pflichten inklusive der Abgabenpflicht gehen an ihn über. Der Beschwerdeführer, Kommanditist einer KG und Gesamtrechtsnachfolger, legte in diesem Fall Berufung gegen einen Abgabenbescheid des Finanzamts ein, in welchem die Nachversteuerung von Schwarzlöhnen der KG, welche er iSd §§ 142 und 38 UGB als Einzelunternehmer übernommen hatte, vorgeschrieben wurde. Er beantragte rechtzeitig die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. In der Berufung brachte er vor, dass die den Bescheiden zugrunde gelegte Bemessungsgrundlage unrichtig sei.

Eine mündliche Verhandlung wurde anberaumt und die Ladung wurde rechtswirksam zugestellt: Mit der Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung an den Steuerberater des Beschwerdeführers als bevollmächtigten Vertreter gilt eine Ladung als rechtswirksam zugestellt, auch wenn dieser der Behörde nach der Zustellung mitteilt, die Partei nicht mehr zu vertreten, weil die Kündigung der Vertretung erst mit der Mitteilung bei der Behörde wirksam wird. Die allgemeine Vertretungsvollmacht inkludiert auch die Zustellungsbevollmächtigung.

Der Vertreter sendete allerdings die Mitteilung, die Partei nicht mehr zu vertreten, mitsamt der ungeöffneten Ladung an die Behörde zurück, sodass diese wusste, dass der Beschwerdeführer den Termin zur mündlichen Verhandlung nicht kennen konnte. Daraufhin erging noch ein Zustellversuch, welcher jedoch nicht rechtswirksam gelang. Die mündliche Verhandlung fand schließlich ohne den Beschwerdeführer statt. Auch die – wie der Beschwerdeführer behauptete – unrichtige Bemessungsgrundlage wurde in der Verhandlung nicht thematisiert, wodurch ein wesentlicher Begründungsmangel vorliegt.

Da der mündlichen Verhandlung für die Einhaltung der Rechte der Parteien eine wesentliche Bedeutung zukommt, ist die Durchführung der Verhandlung zu einem Termin, von dem die Behörde weiß, dass er weder dem Berufungswerber noch seinem Vertreter bekannt ist, eine Verfahrensverletzung. Die belangte Behörde hätte die Pflicht, die mündliche Verhandlung zu vertagen, wenn eine rechtzeitige Verständigung nicht mehr möglich ist. Die Vermeidung der Verfahrensverletzung durch Einhalten der Vertagungspflicht hätte zu einem günstigeren Ergebnis für den Beschwerdeführer führen können. Somit lag ein wesentlicher Verfahrensmangel vor und der Bescheid war wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

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