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Stefan Schermaier - Dorian Schmelz | News | 10.05.2010

Schermaier / Schmelz: Haftung nach bei Verkauf durch einen Nicht-Österreicher II

In Teil I erläuterten Dr. Schermaier und Mag. Schmelz die Anwendbarkeit des § 1409 ABGB bei Asset-Deals und Share-Deals. Teil II beinhaltet eine Analyse der sich aus dem österreichischen IPRG ergebenden Folgen.

1. Einleitung

In der am 19. Jänner 2010 erschienenen Auflage dieses Newsletters wurde in einem ersten Teil auf § 1409 ABGB eingegangen, der im Fall des rechtsgeschäftlichen Erwerbs eines Unternehmens oder Vermögens unter Lebenden die zwingende pro viribus-Haftung des Erwerbers für die zum Vermögen oder Unternehmen gehörigen Schulden, die der Erwerber bei Übergabe kannte oder kennen musste, anordnet; dem Erwerber steht die Erschöpfungseinrede offen.

Fraglich ist im vermehrt auftretenden internationalen Kontext, inwiefern der eine Spezialität des österreichischen Rechts darstellende § 1409 ABGB in Sachverhalten mit Auslandsbezug zur Anwendung gelangt, wobei diese Frage einer Klärung durch die Judikatur harrt. Hierbei wurde vom Beispiel ausgegangen, dass von einem Nicht-Österreicher Geschäftsanteile an einer als GmbH konstituierten Holdinggesellschaft, deren Tätigkeit sich im Management ausländischer Tochtergesellschaften erschöpft, abgetreten werden.

Im ersten Teil wurde zum Einen gezeigt, dass die Haftungsbestimmung des § 1409 ABGB nicht nur bei Asset-Deals, sondern prinzipiell auch bei Share-Deals, Anwendung finden kann, und wurde zum Anderen auf die Rom II-VO eingegangen. Im zweiten Teil soll nunmehr eine Analyse der sich aus dem österreichischen IPRG (BGBl Nr 304/1978 idgF) ergebenden Folgen vorgenommen werden.

2. Kollisionsrechtliche Behandlung von § 1409 ABGB

Die Fragestellung, welches Recht auf Sachverhalte mit Auslandsberührungen (die im zu beurteilenden Sachverhalt vorliegen) anzuwenden ist, löst § 1 IPRG dahingehend, dass jene Rechtsordnung maßgeblich ist, zu der die stärkste Beziehung besteht. Die Einordnung von § 1409 ABGB im System des IPR ist unklar; sie erfährt weder gesetzlich eine eindeutige Regelung, noch wurde eine solche – soweit ersichtlich – in der Judikatur vorgenommen, sodass an dieser Stelle verschiedene Lösungsmodelle skizziert werden.

Als Vorfrage zu einem allfälligen Haftungsübergang ist die Wirksamkeit der Anteilsabtretung nach dem Vertragsstatut zu klären. Erst nach deren Bejahung ist auf das Problem eines möglichen Schuldbeitritts gemäß § 1409 ABGB einzugehen.

Zu diesem wäre es einerseits argumentierbar, im zu beurteilenden Sachverhalt einen quasidinglichen Vorgang zu sehen, weil § 1409 ABGB auf den Übergang von Vermögen oder eines Unternehmens abstellt und gerade durch Vollzug der Anteilsabtretung den Gläubigern deren Haftungsfonds entzogen wird; die enge Verbindung zwischen der Erwerberhaftung gemäß § 1409 ABGB und dem dieser zugrunde liegenden Übergang eines dinglichen Rechts ist nicht von der Hand zu weisen. Demgemäß wäre die lex rei sitae maßgeblich und käme österreichisches Recht und somit § 1409 ABGB zur Anwendung (§ 31 IPRG). Jedoch hat eine derartige Argumentation eine Erweiterung des an sich geschlossenen Kreises dinglicher Rechte zur Folge und ist unserer Ansicht nach daher abzulehnen (vgl auch Schwind in FS von Caemmerer, 760 ff).

Überzeugender erscheint es, die gegenständliche Erwerberhaftung dem Bereich des Schadenersatzrechts zuzuordnen; schließlich ist der Telos des § 1409 ABGB darauf abgestimmt, eine Schädigung von Gläubigern zu verhindern, die dadurch entsteht, dass der Eigentümer eines mit Schulden behafteten Unternehmens oder Vermögens dieses auf einen Dritten, der die Schulden kannte oder zumindest hätte kennen müssen, überträgt und hierdurch den Befriedigungsfonds für Gläubiger schmälert. Vor diesem Hintergrund ist die Annahme eines quasideliktischen Vorgangs jener eines quasidinglichen vorzuziehen und auf den Ort des schadensverursachenden Verhaltens abzustellen (§ 48 IPRG). Dem Wortlaut des § 1409 ABGB folgend würde der quasideliktische Tatbestand, sohin der Schaden im weiteren Sinn, verursacht, indem ein mit Schulden behaftetes Unternehmen oder Vermögen übertragen wird (Verfügungsgeschäft). Eine derartige Auslegung führt regelmäßig zu einer Anwendbarkeit österreichischen Rechts und daher von § 1409 ABGB.

Zu beachten ist allerdings, dass gemäß § 48 IPRG die lex loci delicti dann nicht anwendbar ist, wenn für die Parteien eine engere Beziehung zum Recht eines anderen Staates besteht. Diese Ausnahme vom Handlungsortprinzip kann etwa dann eingreifen, wenn der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt und das Personalstatut der Parteien in ein und demselben Drittstaat zusammenfallen (OGH 24.8.1995, SZ 68/141) oder der Schädiger mit einem Schadenseintritt über die Grenze des Handlungsstaates hinweg rechnen muss (Schwimann, Grundriss des IPR, 77). Gerade solche Sachverhaltselemente werden in Fällen einer Abtretung österreichischer GmbH-Anteile nicht nur in Ausnahmefällen erfüllt sein.

Als Anhaltspunkte für eine solche Beurteilung im Rahmen eines beweglichen Systems kann die Judikatur und Literatur zur funktional § 1409 ABGB ähnelnden Gläubigeranfechtung herangezogen werden. Diese stellt regelmäßig auf das Statut des Eigentumsübergangs ab (Brugger in ZfRV 1993, 94). So entschied der OGH in Zusammenhang mit der Anfechtung des Erwerbs einer Liegenschaft, dass die deutsche Staatsbürgerschaft und der gemeinsame Aufenthalt der Vertragsparteien und Gläubiger in Deutschland im Vergleich zur Lage der Liegenschaft in Österreich vergleichsweise nebensächlich erscheint und daher die stärkste Beziehung im Sinn von § 1 Abs 1 IPRG zu österreichischem Recht bestehe (OGH 23.5.1984, 3 Ob 507/84). Einer anderen Entscheidung lag die Veräußerung einer englischen Liegenschaft zugrunde, wobei der Erlös auf ein deutsches Bankkonto transferiert und in weiterer Folge teilweise zum Erwerb einer österreichischen Liegenschaft verwendet wurde; der Transfer des Veräußerungserlöses der englischen Liegenschaft auf ein deutsches Bankkonto wurde von einer deutschen Bank angefochten, sodass die Verringerung des Vermögens des Anfechtungsschuldners und die Vermehrung des Vermögens des Anfechtungsgegners in verschiedenen Staaten erfolgten (OGH 27.4.2006, 2 Ob 196/04v). Wenngleich ein derartiger Sachverhalt grundsätzlich nach dem Recht des Ortes, an dem die Vermögensverminderung eingetreten ist, zu beurteilen sei, könnte nach Ansicht des (an das Erstgericht zurück verweisenden) Höchstgerichts im konkreten Fall eine noch engere Beziehung zu Deutschland bestehen, zumal die klagende Bank eine deutsche sei, die auf Basis deutscher Gerichtsentscheidungen vorgehe und auch die die Liegenschaft veräußernden Ehegatten anscheinend in einer Nahebeziehung zum deutschen Recht stünden.

Aus diesen Gründen muss unserer Ansicht nach auch in Bezug auf die Anwendbarkeit von § 1409 ABGB im Einzelfall untersucht werden, ob nicht eine stärkere Beziehung zu einem anderen Recht als dem österreichischem besteht, wobei etwa folgende Parameter zu beachten sind:

  • Ist der Veräußerer oder Erwerber des Geschäftsanteils Nicht-Österreicher?
  • Sind die Gläubiger des Veräußerers Nicht-Österreicher und musste mit einer Verkürzung von deren Haftungsfonds gerechnet werden?
  • Übt die GmbH, deren Anteile transferiert werden, eine operative Tätigkeit in Österreich aus oder wird die operative Tätigkeit in einem dritten Staat ausgeübt, womöglich sogar in dem Staat der an der Transaktion beteiligten Personen und/oder des Gläubigers des Veräußerers?

Über die Autoren

Dr. Stefan Schermaier ist Rechtsanwalt und Partner, Mag. Dorian Schmelz Rechtsanwaltsanwärter bei LANSKY, GANZGER + partner Rechtsanwälte GmbH (http://www.lansky.at), einer der führenden österreichischen Rechtsanwaltskanzleien mit starkem regionalem Fokus auf CIS- und SEE-Staaten. Schwerpunkttätigkeiten der Autoren sind Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, M & A, Schadenersatz- und Gewährleistungsrecht sowie Vertragsrecht.

(10.05.2010)