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Dokument-ID: 647736

Dorian Schmelz - Stefan Schermaier | News | 14.02.2014

Schlichtungs- und Schiedsklauseln in Vereinsstatuten

Dr. Schermaier und Mag. Schmelz setzen sich mit der Abgrenzung zwischen einer Schlichtungseinrichtung nach dem VerG und einem Schiedsgericht nach der ZPO auseinander und beleuchten die Anforderungen an Schiedsklauseln in Vereinsstatuten.

Einleitung

In seiner Entscheidung vom 19.09.2013 zu 2 Ob 117/13i sprach der OGH aus, dass ein in Vereinsstatuten vorgesehenes Schiedsgericht iSv §§ 577ff ZPO (im Folgenden kurz „Schiedsgericht“), das mangels Einhaltung der für eine Schiedsvereinbarung nötigen Form tatsächlich kein Schiedsgericht iSv §§ 577ff ZPO ist, als vom VerG vorgeschriebene Schlichtungseinrichtung iSv § 8 VerG (im Folgenden kurz „Schlichtungseinrichtung“) anzusehen ist.

Hintergrund der Entscheidung war die Vereinbarung eines „Schiedsgerichts nach den §§ 577ff ZPO“ für Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis durch die Statuten des beklagten Vereins, denen sich der Kläger jedoch niemals schriftlich unterworfen hatte. Nach seinem Ausschluss als Vereinsmitglied durch Generalversammlungsbeschluss des Vereins begehrte der Kläger unmittelbar bei einem staatlichen Gericht die Feststellung der Nichtigkeit des Generalversammlungsbeschlusses. Sämtliche Instanzen folgten dem Einwand des beklagten Vereins der Unzulässigkeit des Rechtswegs: Der Kläger müsse sich an das statutarisch vorgesehene „Schiedsgericht“ als Schlichtungseinrichtung wenden; denn selbst wenn ein Schiedsgericht mangels Einhaltung des Schriftformgebots nicht wirksam vereinbart worden sei, genüge die Regelung der Vereinsstatuten aus, um eine Schlichtungseinrichtung zu bilden.

Da, ähnlich dem obgenannten Anlassfall, nach unserer Erfahrung in praxi in Vereinsstatuten häufig keine hinreichende terminologische Abgrenzung zwischen Schlichtungseinrichtungen und Schiedsgerichten getroffen wird, soll anschließend eine möglichst klare Grenze zwischen Schlichtungs- und Schiedsklauseln in Vereinsstatuten gezogen werden.

Streitschlichtung nach § 8 VerG

Gemäß § 8 VerG haben Statuten vorzusehen, dass Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis vor einer Schlichtungseinrichtung auszutragen sind. Schlichtungseinrichtungen sind hierbei berufen zur

  • verbindlichen und (vorbehaltlich der freiwilligen statutarischen Einrichtung eines Instanzenzugs innerhalb der Schlichtungseinrichtung) endgültigenEntscheidungvon „reinen“ Vereinsstreitigkeiten: Dies sind nicht-rechtliche Fragestellungen, etwa betreffend die Gestaltung der Vereinsräumlichkeiten oder die Verleihung von Ehrentiteln;
  • Schlichtungvon Rechtsstreitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis: Dies sind zivilrechtliche Streitigkeiten unter Vereinsmitgliedern oder zwischen Verein und Vereinsmitgliedern iZm dem Vereinsverhältnis (zB Anfechtung von Entscheidungen der Vereinsorgane; Streitigkeiten über Mitgliedsbeiträge oder die Mitgliedschaft, va den Ausschluss von Mitgliedern), insb aber nicht solche Streitigkeiten, die auf einem selbstständigen vertraglichen Schuldverhältnis gründen, für dessen Zustandekommen die Vereinszugehörigkeit keine denknotwendige Voraussetzung ist.

Ausschließlich gegen Schlichtungsversuche der Schlichtungseinrichtung können ordentliche Gerichte angerufen werden, dies aber – ausgenommen einstweiliger Rechtsschutz im Rahmen von Provisorialverfahren – erst nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten ab Anrufung der Schlichtungseinrichtung oder einer zuvor eingetretenen Beendigung des Verfahrens vor der Schlichtungseinrichtung (sukzessive Kompetenz staatlicher Gerichte). Eine vorherige Anrufung ordentlicher Gerichte begründet eine von Amts wegen wahrzunehmende temporäre Unzulässigkeit des Rechtswegs; die Behauptungs- und Beweislast für die Zulässigkeit des Rechtswegs trifft den Kläger. Nur in Ausnahmefällen kann die unmittelbare Inanspruchnahme des ordentlichen Rechtswegs zulässig sein, uzw insb bei einer Unzumutbarkeit der vorherigen Anrufung der Schlichtungseinrichtung (zB einer Verletzung der Verfahrensgrundsätze des fairen Verfahrens nach Art 6 EMRK) oder bei anderen Streitfragen als jenen interner Selbstverwaltung, für deren Beilegung Schlichtungseinrichtungen gedacht sind (zB bei völliger Umstrukturierung des Vereins).

Weder Schlichtungseinrichtungen, noch ordentliche Gerichte sind zur Klärung nicht bürgerlich-rechtlicher Fragen berufen, die in die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden fallen (zB Vereinsauflösung infolge längerfristigen Unterbleibens der Vereinstätigkeit).

Verfahrensrecht vor Schlichtungseinrichtungen

Das VerG enthält nur eingeschränkt formale Vorgaben für das Verfahren vor Schlichtungseinrichtungen:

  • Beiderseitiges rechtliches Gehör der Parteien ist zu wahren und die Unbefangenheit der Mitglieder der Schlichtungseinrichtung sicherzustellen;
  • ein Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs nach Beendigung des statutarischen Schlichtungsverfahrens ist unzulässig, außer es wird ein Schiedsgericht eingerichtet (wobei eine Überprüfung von Schiedssprüchen nach §§ 611ff ZPO unberührt bleibt);
  • eine Anfechtung von rechtswidrigen, aber nicht ohnehin nichtigen Beschlüssen von Vereinsorganen hat gerichtlich binnen eines Jahres ab Beschlussfassung zu erfolgen, wobei die Verjährung während der Dauer eines Schlichtungsverfahrens gehemmt wird (ErlRV 990 BlgNr 21. GP 28).

Ergänzende verfahrensrechtliche Regelungen durch die Vereinsstatuten sind zulässig und ratsam, zumal die für das Schiedsverfahren geltenden Bestimmungen der ZPO auf Schlichtungsverfahrens nicht anwendbar sind (§ 577 Abs 4 ZPO).

Schiedsgericht nach §§ 577ff ZPO

Aus § 8 Abs 1 VerG und § 587 Abs 2 ZPO ergibt sich, dass die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts für Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis nicht nur durch Vertrag, sondern auch durch Statuten begründet werden kann. Auf vertragliche Schiedsgerichte sind die Regeln des Vierten Abschnitts der ZPO unmittelbar, auf außervertragliche sinngemäß anzuwenden; hieraus folgt:

  • (Nur) vermögensrechtliche Ansprüche, über die von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden ist, sowie nicht vermögensrechtliche Ansprüche, die Gegenstand eines Vergleichs sein können, sind zulässiger Gegenstand eines echten Schiedsverfahrens. Reine Vereinsstreitigkeiten sind daher nicht objektiv schiedsfähig.
  • Auch die statutarische Schiedsvereinbarung unterliegt dem Schriftformerfordernis des § 583 Abs 1 ZPO. Diesem wird bei Errichtung des Vereins durch Vereinbarung schriftlicher Statuten, bei einem Beitritt neuer Vereinsmitglieder durch eine schriftliche Unterwerfungserklärung Genüge getan.

Mangels Einhaltung dieser Schriftform kann das formunwirksam eingerichtete statutarische Schiedsgericht aber als Schlichtungseinrichtung angesehen werden. Dies ergibt sich aus einer gebotenen objektiven Auslegung von Vereinsstatuten nach §§ 6ff ABGB, die sich an der Gesetzestreue, dem Vereinszweck und den berechtigten Interessen der Mitglieder zu orientieren hat und ein billiges und vernünftiges Ergebnis erzielen soll. Eine Schiedsklausel, der man mangels Schriftform völlige Unwirksamkeit beimisst, wäre jedoch sinnentleert und ihr verbliebe kein Anwendungsbereich, was auch § 3 Abs 2 Z 10, 8 VerG zuwider liefe. Eine gesetzeskonforme Auslegung von Vereinsstatuten, die ein (nicht formwirksam verankertes) Schiedsgericht vorsehen, gebietet daher, ein statutarisches „Schiedsgericht“ als Schlichtungseinrichtung iSv § 8 VerG anzusehen.

  • Die Einführung einer Schiedsklausel in bestehende Vereinsstatuen bedarf nach der (uE zu folgenden) hM eines einstimmigen Beschlusses der Mitglieder, für die Aufhebung einer Schiedsklausel genügt ein Mehrheitsbeschluss.
  • In der Literatur differenziert beurteilt wird die Anwendbarkeit der Schutznormen der §§ 617 ZPO (ua können Schiedsvereinbarungen zwischen Unternehmen und Verbrauchern wirksam nur für bereits entstandene Streitigkeiten abgeschlossen werden; Schiedsvereinbarungen, an denen ein Verbraucher (sic!) beteiligt ist, müssen in einem von diesem eigenhändig unterzeichneten Dokument enthalten sein), § 6 Abs 2 Z 7 KSchG (Erfordernis der Individualabrede in Bezug auf Schiedsklauseln im Verbrauchergeschäft) und § 9 Abs 2 ASGG (Unzulässigkeit bzw eingeschränkte Zulässigkeit von Schiedsvereinbarungen in Arbeitsrechtssachen nach § 50 Abs 1, 2 ASGG) auf statutarische Schiedsklauseln; sie ist uE zu bejahen (vgl § 581 Abs 2, § 582 Abs 2 letzter Satz ZPO) und schränkt die Zulässigkeit von – auch statutarischen – Schiedsvereinbarungen, an denen ein Verbraucher beteiligt ist, wesentlich ein.

Verfahrensrecht vor Schiedsgerichten

Innerhalb der Grenzen zwingenden Rechts kann das vor Schiedsgerichten anzuwendende Verfahrensrecht – etwa im Rahmen von Vereinsstatuten – frei gewählt werden (§ 594 ZPO); im Übrigen enthalten §§ 586 ff ZPO einschlägige Vorgaben.

Ausschließliches Schiedsgericht?

Vereinsstatuten können unstrittig die der Anrufung einer Schlichtungseinrichtung nachgelagerte Zuständigkeit von Schiedsgerichten anstelle ordentlicher Gerichte vorsehen (§ 8 Abs 1 letzter Satz VerG). Ein Schiedsgericht kann hingegen nur dann als einzige vereinsinterne Entscheidungsinstanz iSv § 8 Abs 1 VerG eingerichtet werden, wenn ihm auch Schlichtungskompetenz eingeräumt wird, sodass das gesetzliche Modell des einer verbindlichen und vollstreckbaren Entscheidung vorgelagerten Schlichtungsverfahrens umgesetzt und eine Entscheidung auch reiner Vereinsstreitigkeiten ermöglicht wird.

Über die Autoren

Dr. Stefan Schermaier ist Rechtsanwalt und Partner, Mag. Dorian Schmelz ist Rechtsanwaltsanwärter bei TONNINGER | SCHERMAIER | MAIERHOFER & Partner Rechtsanwälte (http://www.tsm-law.at). Schwerpunkttätigkeiten der Autoren sind Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, M & A, Schadenersatz- und Gewährleistungsrecht sowie Vertragsrecht.

Umfassende Infos zum Thema Vereine finden Sie auf dem Portal unter https://www.weka.at/gesellschaftsrecht/Privatstiftung-Verein-Genossenschaft/Verein.