Dokument-ID: 629207

Iman Torabia | News | 21.10.2013

Squeeze Out von Minderheitsaktionären

Mit dem GesAusG wurde die Interessenabwägung zwischen dem Hauptgesellschafter und den Minderheitsaktionären vorgenommen, der Gesellschafterausschlussbeschluss ist deshalb nicht an den Kriterien des Rechtsmissbrauchs oder der Treuwidrigkeit zu prüfen.

Geschäftszahl

OGH 31.01.2013, 6 Ob 210/12v

Norm

§§ 3, 6 GesAusG

Leitsatz

Quintessenz:

Weil der Gesetzgeber mit dem GesAusG bereits die Interessenabwägung zwischen dem Hauptgesellschafter und den Minderheitsaktionären vorgenommen hat, ist der Gesellschafterausschlussbeschluss auch nicht an den Kriterien des Rechtsmissbrauchs oder der Treuwidrigkeit zu prüfen, weil damit die gesetzliche Grundentscheidung der Zulässigkeit des Gesellschafterausschlusses konterkariert würde.

OGH: Hauptgesellschafter ist, wem zum Zeitpunkt der Beschlussfassung Anteile in Höhe von mindestens 9/10 des Nennkapitals gehören. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Beteiligungshöhe ist derjenige der Beschlussfassung.

In casu war der Nachweis, im Beschlusszeitpunkt über die erforderliche Beteiligung zu verfügen, jedenfalls erbracht.

Soweit in der Literatur verlangt wird, dass der Hauptgesellschafter bereits im Zeitpunkt des Verlangens des Gesellschafterausschlusses nachweist, dass er die erforderlichen Anteile im Zeitpunkt der Beschlussfassung halten wird, will dies dem Interesse der Gesellschaft Rechnung tragen, dass nur solche Ausschlussbegehren gestellt werden, denen aufgrund der erforderlichen Beteiligungsgrenze eine entsprechende Realisierungschance zukommt. Dies erfordert aber nicht, einen Gesellschafterbeschluss auch dann zu beseitigen, wenn im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptgesellschafter über die erforderlichen Mehrheiten verfügte, nicht aber im Zeitpunkt des Ausschlussbegehrens.

Für die vom Gesetzgeber vorgenommene Interessenabwägung zwischen Hauptgesellschafter und Minderheitsaktionär spielt es keine Rolle, ob die Beteiligungsgrenze bereits vor oder erst im Zeitpunkt der Beschlussfassung erreicht wird, weil durch das Erfordernis einer im Beschlusszeitpunkt vorliegenden Mehrheit die Interessen der Minderheitsaktionäre ausreichend gewahrt sind.

Die in casu nicht aus Anlass des Gesellschafterausschlusses, sondern im Zuge des Europäischen Beihilfeverfahrens erfolgte grobe Schätzung des Liquidationswerts der Beklagten stellt kein Gutachten iSd § 3 Abs 5 Z 3 GesAusG dar. Dem Liquidationswert kommt für die Unternehmensbewertung der beklagten Partei keine Bedeutung zu, ist doch für dessen Relevanz auf den unternehmerischen Willen abzustellen, den Betrieb fortzuführen oder einzustellen.

In casu war eine Liquidation der beklagten Partei allerdings nie beabsichtigt. Der Unternehmenswert wurde auch nicht aufgrund des Liquidationswerts, sondern mittels DCF-Methode festgesetzt. Der Verweis auf den Liquidationswert diente lediglich der Plausibilisierung des auf diese Weise gewonnenen Ergebnisses.

Eine Anfechtungsklage kann auf unrichtige, unvollständige oder unzureichende Informationen in der Hauptversammlung über die Ermittlung, Höhe oder Angemessenheit des Umtauschverhältnisses, der Barabfindung oder einer sonstigen Kompensation nicht gestützt werden, wenn für deren Überprüfung ein besonderes gerichtliches Verfahren vorgesehen ist. Diese durch das AktRÄG 2009 eingefügte Bestimmung ergänzt die Regelung des § 6 GesAusG. Diese sah bisher schon vor, dass die Anfechtung des Beschlusses nicht darauf gestützt werden kann, dass die Barabfindung nicht angemessen festgelegt ist oder dass die Erläuterungen der Barabfindung in den Berichten gemäß § 3 GesAusG den gesetzlichen Bestimmungen nicht entsprechen.

Zu beachten ist, dass der Einwand, durch die Festsetzung der Barabfindung sei in das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf Unversehrtheit des Eigentums eingegriffen worden, ausschließlich die Höhe der Barabfindung betrifft. Der Ausschlussbeschluss bedarf keiner sachlichen Rechtfertigung im Sinne von Erforderlichkeit, Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit, sondern der Gesetzgeber hat selbst die erforderliche Interessenabwägung vorgenommen und den voraussetzungslosen Ausschluss gegen angemessene Kompensation zugelassen.

Zudem betrifft auch der Einwand, die Barabfindung sei willkürlich und treuwidrig festgesetzt worden, lediglich deren Höhe und kann daher eine Beschlussanfechtung nicht tragen. Im bloßen Umstand, dass die Barabfindung niedriger als der im Übernahmeverfahren gebotene Abfindungspreis festgesetzt wurde, kann auch kein Verstoß gegen § 47a AktG erblickt werden.

Eine Anfechtung eines Ausschlussbeschlusses wegen Rechtsmissbrauchs bzw Treuwidrigkeit wäre nur dann möglich, wenn gerade die Voraussetzungen für den Gesellschafterausschluss rechtsmissbräuchlich herbeigeführt würden.

Auch die Beurteilung iSd § 118 Abs 3 AktG iVm § 3 Abs 1, 3 und 5 Z 4 GesAusG, ob Informationen von der Veröffentlichung ausgenommen werden dürfen, weil sie nach vernünftiger unternehmerischer Beurteilung geeignet sind, dem Unternehmen oder einem verbundenen Unternehmen einen erheblichen Nachteil zuzufügen, kann stets nur unter Bedachtnahme auf die besonderen Umstände des Einzelfalls getroffen werden.

In casu hätten die nicht veröffentlichten Informationen einem Mitbewerber der beklagten Partei Rückschlüsse auf geplante strategische Unternehmensentscheidungen ermöglicht, was einen erheblichen Wettbewerbsnachteil für die beklagte Partei darstellen würde. Zudem hat die beklagte Partei ohnedies sämtliche Themengebiete, die vertrauliche Informationen iSd § 118 Abs 3 AktG enthalten, im veröffentlichten Teil des internen Berichts aufgelistet.

Ein Verstoß gegen die guten Sitten iSd § 199 Abs 1 Z 4 AktG liegt nur bei einer groben Rechtswidrigkeit ohne Verletzung eines Verbotsgesetzes vor.

Es ist darauf hinzuweisen, dass der Anfechtungsausschluss des § 6 Abs 1 GesAusG sich nach dem Sinn der Vorschrift nicht nur auf Anfechtungsklagen im engeren Sinn, sondern auch auf Nichtigkeitsklagen bezieht. Dies ergibt sich zwingend aus dem Zweck dieser Bestimmung, Streitigkeiten über die Höhe der Barabfindung in das außergerichtliche Gremialverfahren zu verlagern und auf diese Weise eine zügige Eintragung des Gesellschafterausschlusses im Firmenbuch und damit Rechtssicherheit zu ermöglichen.

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