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Andreas Kampitsch - Michael Petritz | News | 22.09.2015

Steuerreform 2015/16 – Änderungen in der Grunderwerbsteuer

Die Gastautoren MMag. Petritz und Mag. Kampitsch geben einen guten Überblick über die Änderungen des SteuerreformG 2015/16: Von der neuen Bemessungsgrundlage, dem "Grundstückswert", der Ausweitung der Anteilsvereinigung bis hin zum neuen Stufentarif.

Die Grunderwerbsteuer (GrESt) wird im Zuge der Steuerreform 2015/16 zum zweiten Male innerhalb kurzer Zeit (die letzte tiefgreifende Änderung erfolgte mit Wirksamkeit ab 1. Juni 2014) auf neue Beine gestellt und ihr System grundlegend verändert. Die Änderungen umfassen die Ausweitung des Anteilsvereinigungstatbestandes für Gesellschaften, Einführung eines eigenen Anteilsvereinigungstatbestands für Personengesellschaften, Festlegung auf den „Grundstückswert“ als neue Mindestbemessungsgrundlage und einen Stufentarif für unentgeltliche Übertragungen.

1. Derzeit gültige Rechtslage

Wegen der Aufhebung des § 6 GrEStG durch den VfGH 27.11.2012, G 77/12, wäre für alle Grundstückserwerbe der Verkehrswert der Liegenschaften als Bemessungsgrundlage heranzuziehen gewesen. Knapp vor dem Ende der vom VfGH gesetzten Übergangsfrist – 31. Mai 2014 – wurde jedoch die GrESt wie folgt neu geregelt: Entgegen der früheren Rechtslage, die in entgeltliche und unentgeltliche Vorgänge unterschied (bei unentgeltlichen Vorgängen kam der „günstigere“ dreifache Einheitswert zur Anwendung), ist nach der derzeitigen Rechtslage (die nunmehr wieder geändert wird) entscheidend, ob die Übertragung innerhalb oder außerhalb eines begünstigten Familienkreises erfolgt. Innerhalb des begünstigten Familienkreises kommt es zu einer doppelten Begünstigung: Einerseits wird die Bemessungsgrundlage durch den dreifachen Einheitswert, maximal 30 % des nachgewiesenen gemeinen Wertes gebildet, andererseits beträgt der Steuersatz 2 %. Außerhalb des Familienkreises werden 3,5 % auf die Gegenleistung als GrESt fällig, wobei die Mindestbemessungsgrundlage der gemeine Wert ist. Diese Regelung tritt mit 31. Dezember 2015 außer Kraft und wird mit dem SteuerreformG 2015/16 – wieder – grundlegend geändert.

2. Änderung der Grunderwerbsteuer durch SteuerreformG 2015/16

Überblicksmäßig dürfen wir Ihnen nachstehend die Änderungen in der GrESt vorstellen.

a. Ausweitung der Anteilsvereinigung

Eine sehr umfassende Ausweitung beinhaltet das SteuerreformG 2015/16 für den Tatbestand der Anteilsvereinigung.

Für grundstücksbesitzende Personengesellschaften wird ein neuer Tatbestand in § 1 Abs 2a GrEStG geschaffen. Wenn innerhalb von fünf Jahren mindestens 95 % der Anteile an der Personengesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen, soll GrESt ausgelöst werden, wobei Steuerschuldner die Personengesellschaft sein soll. Bislang hatte der Anteilsvereinigungstatbestand bei Personengesellschaften nach der Rechtsprechung des VwGH mit Ausnahme von Sachverhalten iZm umsatzsteuerlichen Organschaften keinen praktischen Anwendungsbereich (grundlegend VwGH 29.11.1978, 473/75 und 2149/75). Bei Personengesellschaften wurde GrESt im Wesentlichen bei Ausscheiden des letzten Gesellschafters und Anwachsung gem § 142 UGB ausgelöst (was nach derzeitiger und auch zukünftiger Rechtslage keinen begünstigten Erwerbsvorgang, dh keine Anteilsvereinigung, darstellt, sondern einer GrESt von 3,5 % des gemeinen Wertes des Grundstückes unterliegt).

Auch der „alte“ Anteilsvereinigungstatbestand des § 1 Abs 3 GrEStG wird durch das SteuerreformG 2015/16 neu gefasst. Erwerbe, durch die mindestens 95 % aller Anteile (bislang „aller Anteile“, dh 100 %) an einer Gesellschaft (dh Personen- und Kapitalgesellschaft) in der Hand eines Erwerbers oder einer Unternehmensgruppe iSd § 9 KStG vereinigt werden, unterliegen dem Tatbestand der Anteilsvereinigung. Die Anteilsvereinigung in der Unternehmensgruppe ersetzt jene in der umsatzsteuerlichen Organschaft, die im neuen Grunderwerbsteuersystem nicht mehr im Gesetz verankert ist.

Vorsicht ist geboten, da dieser neue, ausgeweitete Anteilsvereinigungstatbestand auch für Personengesellschaften angewendet werden kann, sofern der Vorgang nicht bereits § 1 Abs 2a GrEStG unterliegt (dies könnte der Fall sein, wenn sich der Erwerb von mindestens 95 % der Anteile an einer Personengesellschaft über mehr als fünf Jahre erstreckt). Für beide neuen Tatbestände gilt, dass die Zurechnung von treuhändig gehaltenen Anteilen an den Treugeber erfolgt, eine Vermeidung der GrESt bei Anteilsvereinigungen wird zukünftig mittels Treuhandschaften nicht mehr möglich sein.

b. Neue Bemessungsgrundlage – „Grundstückswert“

Wie bisher bildet grundsätzlich der Wert der Gegenleistung die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der GrESt (dies wäre etwa der Kaufpreis bei einem Kaufvertrag). Die neue Bemessungsgrundlage bei Erwerbsvorgängen wie insb bei Anteilsvereinigungen und Umgründungen sowie unentgeltlichen Vorgängen bildet der „Grundstückswert“, welcher für entgeltliche Rechtsgeschäfte auch die neue Mindestbemessungsgrundlage darstellt.

Die Errechnung des „Grundstückswertes“ kann auf drei Arten erfolgen: Einerseits kann auf Basis des hochgerechneten dreifachen Bodenwertes gem BewG und des Gebäudewertes ein Grundstückswert errechnet, andererseits auf Basis eines geeigneten Immobilienpreisspiegels ein abgeleiteter Wert ermittelt werden. Wie sich diese Werte zusammensetzen, hat der Finanzminister im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler per Verordnung festzulegen. Diese Verordnung(en) wurden derzeit noch nicht veröffentlicht, der Grundstückswert sollte jedoch im Regelfall unter dem gemeinen Wert liegen. Sofern der durch den Steuerschuldner nachgewiesene gemeine Wert geringer ist, gilt der geringere gemeine Wert als Grundstückswert. Gutachten eines Sachverständigen hinsichtlich des gemeinen Wertes unterliegen der Richtigkeitsvermutung.

Bei der Anteilsvereinigung und Umgründungen iZm land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken kommt weiterhin der einfache Einheitswert als Bemessungsgrundlage zur Anwendung.

c. Abgrenzung zwischen „unentgeltlichen“, „teilentgeltlichen“ und „entgeltlichen“ Rechtsgeschäften/Stufentarif für unentgeltliche Rechtsgeschäfte

Die das SteuerreformG 2015/16 sieht des Weiteren auch umfassende Neuerungen im Bereich des Tarifes vor. So wird einerseits eine Unterscheidung der Erwerbe in „entgeltlichen“, „teilentgeltlichen“ und „unentgeltlichen“ Erwerb getroffen, andererseits ein Stufentarif für unentgeltliche Erwerbsvorgänge eingeführt.

Ein Erwerb gilt nunmehr als

  • unentgeltlich, wenn die Gegenleistung nicht mehr als 30 %,
  • teilentgeltlich, wenn die Gegenleistung nicht mehr als 70 %,
  • entgeltlich, wenn die Gegenleistung mehr als 70 %

des Grundstückswertes beträgt.

Jedenfalls als unentgeltlich gelten ua Erwerbe durch Erbanfall, Vermächtnis, Erfüllung eines Pflichtteilsanspruchs, sowie Erwerbe unter Lebenden im begünstigten Familienkreis (Definition durch Verweis auf § 26a GGG).

„Teilentgeltliche“ Erwerbe werden in einen „entgeltlichen“ und einen „unentgeltlichen“ Teil aufgespalten, wobei der „entgeltliche“ Teil dem Stufentarif, der „unentgeltliche“ Teil dem normalen Grunderwerbsteuertarif unterliegen soll.

Beispiel:

A schenkt seinem Patenkind ein Grundstück mit einem Grundstückswert (GW) von 200 000 Euro gegen Übernahme der darauf lastenden Schulden in Höhe von 80 000 Euro.

Da die Gegenleistung 40 % des GW beträgt, ist der Erwerbsvorgang zu 40 % entgeltlich und zu 60 % unentgeltlich.

Der Stufentarif für unentgeltliche Erwerbe wird wie folgt ausgestaltet werden:

  • Für die ersten EUR 250.000 0,5 %
  • für nächsten EUR 150.000 2,0 %
  • darüber hinaus 3,5 %

Erwerbe innerhalb von fünf Jahren von derselben Person sind zusammenzurechnen, des Weiteren sind auch Erwerbe innerhalb von fünf Jahren, wenn dadurch eine wirtschaftliche Einheit an dieselbe Person fällt zusammenzurechnen.

Bei Anteilsvereinigungen und Umgründungen soll die Steuer zukünftig 0,5 % vom Grundstückswert betragen.

Bei allen übrigen Erwerben (insb beim Kauf eines Grundstückes) kommt wie bisher der Steuersatz von 3,5 % zur Anwendung.

Für Privatstiftungen wird bei „unentgeltlichen“ und „teilentgeltlichen“ Erwerben auch zukünftig ein Stiftungseingangssteueräquivalent iHv 2,5 % zusätzlich anfallen. Die Bemessungsgrundlage errechnet sich hierbei als Differenz zwischen Grundstückswert und einer eventuell geleisteten Gegenleistung.

d. Sonstige Änderungen

Der Freibetrag für unentgeltliche Betriebsübergaben wurde auf EUR 900.000 erhöht, wobei hier zu beachten ist, dass Weitergaben im Familienverband immer (unabhängig von der Gegenleistung wie etwa übernommenen Schulden) als unentgeltlich gelten, somit der volle Freibetrag zur Anwendung gelangen kann. Darüber hinaus ist die GrESt in diesen Fällen mit 0,5 % des Grundstückswertes begrenzt.

Sowohl bei unentgeltlichen Erwerben als auch bei Anteilsvereinigungen und Umgründungen kann die GrESt zukünftig auf Antrag über bis zu fünf Jahre verteilt werden, wobei dies dazu führen soll, dass sich die GrESt in Abhängigkeit von der Verteilungsdauer um jeweils 2 % pro Jahr (dh in Summe um bis zu 10 %) erhöht.

Darüber hinaus wurde die Befreiung für den Erwerb einer Wohnstätte nach Ableben durch den Ehepartner derart ausgestaltet, dass der 150 m² übersteigende Anteil der GrESt zu unterwerfen ist (Freibetrag). Diese Regelung war bislang als Freigrenze ausgestaltet, sodass übersteigende Erwerbe voll der GrESt unterlagen.

Autoren

MMag. Michael Petritz

MMag. Michael Petritz, LL.M. ist als Steuerberater bei der KPMG Austria Gruppe in Wien tätig. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind das Unternehmenssteuerrecht, Internationales Steuerrecht, Estate Planning sowie Gebühren- und Verkehrsteuern. Weiters ist er Univ.-Lektor an der WU-Wien. Als Autor schreibt er für Gesellschaftsrecht Online sowie das Werk „Übertragung von Unternehmen“.

Mag. Andreas Kampitsch

Mag. Andreas Kampitsch, LL.M. ist als Berufsanwärter bei der KPMG Alpen-Treuhand GmbH in Wien tätig. Seine Tätigkeitsschwerpunkte umfassen Konzernsteuerrecht, Internationales Steuerrecht, Estate Planning und die Besteuerung von Kapitalvermögen.

www.kpmg.at