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Georg Streit | News | 28.04.2011

Stiftungsrecht in Bewegung – Rechtsprechung zum Privatstiftungsrecht, Teil 2

Im zweiten Teil seines Beitrags erläutert Mag. Streit die Punkte Änderung der Stiftungserklärung und Widerruf der Stiftung sowie die Auflösung einer Stiftung. Wie im ersten Teil geht er dabei auf aktuelle Judikatur zum Stiftungsrecht ein.

Änderung der Stiftungserklärung und Widerruf der Stiftung

In einer Entscheidung vom 13.3.2008 (6 Ob 49/07k) setzte sich der OGH ausführlich mit der Möglichkeit der Änderung der Stiftungserklärung auseinander. Wie eine Änderung der Stiftungserklärung setzt auch der Widerruf der Stiftung einen entsprechenden Vorbehalt durch den Stifter voraus. Gibt es mehrere Stifter, können die diesen zustehenden und vorbehaltenen Rechte nur von allen Stiftern gemeinsam ausgeübt werden, wenn die Stiftungsurkunde nichts anderes vorsieht. Fällt einer von mehreren Stiftern weg, kann die Stiftungserklärung in diesem Fall nicht mehr widerrufen, sondern nur mehr unter Wahrung des Stiftungszwecks – mit Genehmigung des Gerichts – zur Anpassung an die geänderten Verhältnisse (gem § 3 Abs 2 PSG) adaptiert werden. Finden sich in der Stiftungsurkunde auch keine Bestimmungen dahingehend, dass Gestaltungsrechte des Stifters nach dem Ableben den übrigen Stiftern zukommen sollen, schließt der OGH daraus, dass die den Stiftern vorbehaltene Rechte nur von allen gemeinsam (und nur solange alle dazu in der Lage sind) ausübt werden können (18.9.2009, 6 Ob 136/09g).

Was aber gilt, wenn der Stifter unter Berufung auf den Änderungsvorbehalt eine ihm selbst auferlegte (inhaltliche oder zeitliche) Beschränkung des Änderungsrechts ändern (lockern) möchte? Grenzen der Änderungsbefugnis des Stifters erkannte der OGH darin, dass einmal getroffene Einschränkungen des Änderungsrechts nicht nachträglich wieder aufgehoben werden können. Ein umfassendes Änderungsrecht („in allen Belangen“) ermöglicht es aber auch, das Änderungsrecht und das Widerrufsrecht so zu staffeln, dass dieses nach dem Ableben des Stifters auf andere Stifter übergeht. In diesem Fall ist nämlich nicht das Recht an sich beschränkt (und könnte durch Änderung der Stiftungsurkunde von seinen Einschränkungen befreit werden), sondern die Ausübbarkeit des Rechts durch manche Stifter.

Dieser ist nach dem Entstehen der Privatstiftung als selbstständiger eigentümerloser Rechtsträgerin zwar vom Zugriff auf das Stiftungsvermögen ausgeschlossen, kann aber aufgrund der Stiftungserklärung und den darin vorbehaltenen Rechten durchaus Einflussmöglichkeiten auf die Stiftung haben. Diese umfassen auch Änderungen des Stiftungszwecks, der Begünstigen und die Höhe der Fälligkeiten von Zuwendungen. Er kann lediglich das Zurückfallen des gestifteten Vermögens an ihn selbst nicht anordnen. Da das PSG keine Kapitalerhaltungsbestimmungen kennt, ist es dem Stifter im Weg der Änderung der Stiftungserklärung aber möglich, den Stiftungsvorstand zu verpflichten, Stiftungsvermögen an ihn selbst oder eine andere von ihn bestimmte Personen auszuschütten (OGH 10.8.2010, 1 Ob 214/09s).

Der Vorbehalt eines Widerrufs an der Stiftung kann aufgrund der damit verbundenen Gestaltungsrechte aber auch Gläubigern des Stifters die Möglichkeit bieten, ihre Forderungen zu befriedigen. Sie können ein dem Stifter vorbehaltenes Widerrufsrecht und dessen Liquidationsguthaben als Letztbegünstigter (derjenige, den gemäß § 6 PSG ein nach Abwicklung der Privatstiftung verbleibendes Vermögen zukommen soll) pfänden und die gerichtliche Ermächtigung beantragen, den vom Stifter vorbehaltenen Widerruf der Stiftung in dessen Namen zu erklären (OGH 18.9.2009, 6 Ob 136/09g).

Auflösung der Privatstiftung

Hat der Stifter die Stiftung widerrufen und ist diese aufgelöst, kommt ein Wiederaufleben derselben nicht mehr in Betracht. Das PSG sieht neben der Anfechtung des Auflösungsbeschlusses des Stiftungsvorstandes mangels Vorliegens von Anfechtungsgründen (§ 35 Abs 4) nur vor, dass alle Letztbegünstigten einer Versorgungsstiftung die bereits 100 Jahre gedauert hat, den einstimmigen Beschluss fassen, die Stiftung für längstens weitere 100 Jahre fortzusetzen (§ 35 Abs 2 Z 3). Eine § 215 Abs 1 AktienG vergleichbare Regelung über die Beschlussfassung zur Fortsetzung der Stiftung kennt das PSG nicht. Der OGH dürfte der Möglichkeit der analogen Anwendung dieser Bestimmung auf das Privatstiftungsrecht ablehnend gegenüberstehen. Eine Festlegung diesbezüglich erschien dem OGH nicht erforderlich. Vielmehr hielt er fest, dass es dem Vorstand einer Privatstiftung schon an der Kompetenz mangelt, einen entsprechenden Beschluss zu fassen. Dem Stiftungsvorstand ist es versagt, eine dem auf den Widerruf der Privatstiftung gerichtete Willenserklärung des Stifters durch gegenteiligen Beschluss zu unterlaufen (OGH 14.1.2010, 6 Ob 261/09i).

Das Widerrufsrecht des Stifters ist kein höchstpersönliches Recht, sondern eine vermögensrechtliche Angelegenheit, der Widerrufsvorbehalt stellt einen Vermögenswert dar. Daher ist auch der Masseverwalter (nunmehr Insolvenzverwalter) des Vermögens des Stifters berechtigt, den Widerrufsvorbehalt des Stifters jedenfalls dann auszuüben, wenn das nach dem Widerruf verbleibende Vermögen an den Stifter als Letztbegünstigten fallen soll (OGH 15.1.2009, 6 Ob 235/08i). Das Recht einen Auflösungsbeschluss anzufechten, kommt dem Masseverwalter aber in diesem Fall nicht zu, könnte er mit der Beseitigung des Auflösungsbeschlusses ja verhindern, dass das Vermögen an den Stifter fiele und somit dem verwertbaren Vermögen des Stifters zuflösse.

Um schließlich zum Abschluss dieses Überblicks über die jüngere stiftungsrechtliche Judikatur den Bogen zur Anfechtung von Beschlüssen über die Auflösung der Stiftung durch den Vorstand zu schließen, sei abschließend die Entscheidung des OGH vom 17.12.2010 (6 Ob 244/10s) verwiesen. Potentiell Begünstigten, denen die Anwartschaft auf Erlangung einer Begünstigtenstellung einer Privatstiftung zukommen, sind noch nicht Begünstigte, wenn ihnen nicht ausnahmsweise die Stiftungserklärung entsprechende Rechte einräumt. Diesen kommt daher auch keine Antragslegitimation bei der Anfechtung des Beschlusses des Vorstandes über die Auflösung einer Stiftung zu.

Autor

Mag. Georg Streit ist seit 2000 Rechtsanwalt und seit 2001 Partner bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Immaterialgüterrecht, Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht, Rundfunkrecht und Vergaberecht. Weiters ist er Lektor an den Universitäten Wien und Salzburg, Vortragender bei Seminaren und Lehrgängen.

Für WEKA ist er Herausgeber des Newsletters für Gesellschaftsrecht Online sowie für das Werk „Personengesellschaften in Fallbeispielen“.

www.h-i-p.at

(28.04.2011)