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Dokument-ID: 1048882

Eva-Maria Hintringer | News | 16.12.2019

Stimmverbot nach § 39 Abs 4 GmbHG bei Beteiligung an Drittgesellschaft?

Hält ein Gesellschafter alle Anteile einer (befangenen) Drittgesellschaft oder haftet er dort persönlich, greift das Stimmverbot des § 39 Abs 4 GmbHG jedenfalls.

Geschäftszahl

OGH 29.08.2019, 6 Ob 104/19s

Norm

§ 39 Abs 4 GmbHG

Leitsatz

Quintessenz:

Hält ein Gesellschafter alle Anteile einer (befangenen) Drittgesellschaft oder haftet er dort persönlich, greift das Stimmverbot des § 39 Abs 4 GmbHG jedenfalls. Bei geringeren Beteiligungen ist zu differenzieren und die Bedeutung der Beteiligung für den Gesellschafter zu prüfen, wobei eine höhere Beteiligung grundsätzlich auch eine höhere Bedeutung indiziert. Die Ausübung von Organfunktionen in bzw ein sonstiges Interesse an der Drittgesellschaft erhöhen die Gefahr einer Interessenkollision.

OGH: Das GmbHG kennt bei Interessenkollisionen kein generelles Stimmverbot. Das Stimmverbot des § 39 Abs 4 GmbHG darf nach stRsp nur auf Fälle erstreckt werden, die von einer den gesetzlich normierten Tatbeständen vergleichbaren institutionell bedingten Interessenkollision gekennzeichnet sind. § 39 Abs 4 GmbHG ist zum einen eine Variation der Regeln über das In-Sich-Geschäft, zum anderen liegt der Bestimmung der Gedanke zugrunde, dass niemand Richter in eigener Sache sein soll. Die Stimmverbote greifen bei den im Gesetz festgelegten Interessenkonflikten als starre Schranke ein, ohne dass zu prüfen wäre, ob die gesellschaftsinterne Willensbildung tatsächlich beeinträchtigt wäre.

Unbestritten ist, dass das Stimmverbot eingreift, wenn ein Gesellschafter alle Anteile einer (befangenen) Drittgesellschaft, gegen die, wie im Anlassfall, ein Rechtsstreit eingeleitet werden soll, hält oder dort persönlich haftet. Handelt es sich um eine bloße Minderheitsbeteiligung, rechtfertigt eine solche in der Regel nicht die Vermutung, der Gesellschafter werde allein deshalb sein Interesse an der Drittgesellschaft über dasjenige der GmbH stellen. Diese Vermutung greift insbesondere bei bloßen (geringen) Finanzbeteiligungen nicht.

Aber auch bei höheren Beteiligungen ist ein pauschales Abstellen auf einen Quotenvergleich der Beteiligungsverhältnisse bei der Gesellschaft und der Drittgesellschaft nicht ausreichend. Ein kleiner Anteil an einer großen Gesellschaft kann für einen Gesellschafter wirtschaftlich von größerem Interesse sein als ein großer Anteil an einer kleineren Gesellschaft. Darüber hinaus ist die Auswirkung des Beschlusses nicht notwendig für die Gesellschaft und Drittgesellschaft gleich gewichtig.

Die Gefahr einer von gesellschaftsfremden Interessen geleiteten Stimmabgabe ist jedoch umso höher, je höher die Beteiligung des Gesellschafters an der Drittgesellschaft ist, schließlich indiziert die Höhe der Beteiligung doch auch ihre Bedeutung für den Gesellschafter. Ergänzend kann die Ausübung von Organfunktionen in der Drittgesellschaft oder ein sonstiges unternehmerisches Interesse an der Drittgesellschaft eine derartige Gefahr nahelegen.

Im Anlassfall waren zusätzlich mehrere Gesellschafter der GmbH auch an der Drittgesellschaft beteiligt, wodurch sie innerhalb der Gesellschaft eine besondere Gruppe mit einheitlicher Ausrichtung auf die Drittgesellschaft darstellen. Das rechtfertigt es, sie und die von ihnen maßgeblich gehaltene Gesellschaft interessenmäßig als Einheit zu betrachten und deshalb auch jeden einzelnen von ihnen hinsichtlich seines Stimmrechts ebenso zu behandeln wie den Alleingesellschafter eines Unternehmens, gegen das ein Rechtsstreit eingeleitet werden soll. Für das Stimmenverbot genügt die begründete Erwartung, dass diese Gesellschafter in allen Angelegenheiten, die „ihr“ Unternehmen berühren, in der Regel gemeinsam vorgehen und dabei die Interessen der Drittgesellschaft höher bewerten als diejenigen der Gesellschaft.