© WEKA Business Solutions GmbH
A-1200 Wien, Dresdner Straße 45
E-Mail: kundenservice@weka.at

Dokument-ID: 1006529

WEKA (api) | News | 28.08.2018

Über die Mehrheitsverhältnisse bei der Beschlussfassung einer Unternehmensübertragung bei einer GmbH

Eine Unternehmensübertragung, ob an Hauptgesellschafter oder unabhängigen Dritten, bedarf der Zustimmung der Gesellschafter. Das AktG sieht für einen solchen Fall explizit in § 237 Abs 1 eine Dreiviertelmehrheit vor. Solch Regelung fehlt im GmbHG.

Geschäftszahl

OGH 26. April 2018, 6 Ob 38/18h

Norm

§ 237 AktG, § 42 Abs 4 GmbHG

Leitsatz

Quintessenz:

Eine Unternehmensübertragung, ob an den Hauptgesellschafter oder einen unabhängigen Dritten, bedarf der Zustimmung der Gesellschafter. Das AktG sieht für einen solchen Fall explizit in § 237 Abs 1 eine Dreiviertelmehrheit vor, jedoch fehlt eine solche Regelung im GmbHG, wenn eine GmbH betroffen ist. Da eine GmbH im Gegensatz zu einer Aktiengesellschaft noch personalistischer aufgebaut ist, kann im Größenschluss eine analoge Anwendung des § 237 Abs 1 AktG auf GmbHs vorgenommen werden.

OGH: In casu waren zwei Gesellschafter mit je 47,5 % und ein Gesellschafter mit 5 % an einer GmbH beteiligt. Im Gesellschaftsvertrag wurde festgehalten, dass alle Beschlüsse mit einfacher Mehrheit getroffen werden können. Am 14.11.2017 wurde der klagende Alleingeschäftsführer durch Gesellschafterbeschluss abberufen und der andere mit 47,5 % beteiligte Gesellschafter zum Alleingeschäftsführer bestimmt. Am 05.12.2017 schloss die Gesellschaft, welche durch den neuen Alleingeschäftsführer vertreten wurde, einen Unternehmenskaufvertrag mit einer anderen GmbH ab, in dem der Verkauf ihrer Aktiva um EUR 480.000,– und der Ausschluss der Haftung für Verbindlichkeiten durch die kaufende GmbH vereinbart wurde. Der Kläger wusste von diesem Kaufvertrag nichts und in der am 21.12.2017 stattgefunden Generalversammlung stimmte sein Vertreter gegen diesen Vertrag, während die Vertreter der anderen beiden Gesellschafter dafür stimmten und somit eine zustimmende Mehrheit von 52,5 % erreichten. Der Kläger begehrte daraufhin die Nichtigerklärung des Beschlusses über die Zustimmung zum Kaufvertrag. Das Rekursgericht verbot die Ausführung des Beschlusses und die Übergabe des Unternehmens, da eine Mehrheit von 75 % der Gesellschafterstimmen von Nöten gewesen wäre.

Im vorliegenden Fall wurde der gesamte bzw zumindest der wesentliche Geschäftsbetrieb veräußert. Die Lehre ist sich darüber einig, dass die Veräußerung des gesamten Unternehmens der Zustimmung der Gesellschafter bedarf. Gem § 237 Abs 1 AktG ist bei der Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögen eine Mehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals erforderlich, um wirksam zu sein. Für die Anwendbarkeit der Bestimmung reicht die Erfassung des wesentlichen Teils der Vermögenaktiva. Die Bestimmung ist nicht nur für die Übertragung des Gesellschaftsvermögens auf den Hauptgesellschafter oder eine Konzerngesellschaft wesentlich, sondern auch für jene an unabhängige Dritte. Der Schutzzweck der Norm liegt darin, dass schwerwiegende Eingriffe in die Gesellschaftsstruktur nur mit der Zustimmung der Gesellschafter vorgenommen werden können.

Das GmbHG kennt keine vergleichbare Regelung. Die Lehre befürwortet jedoch die analoge Anwendung des § 237 AktG auf GmbHs, da die Interessenlage ähnlich ist. Insbesondere Rüffler ist der Meinung, da eine GmbH personalistischer aufgebaut ist, ein Mitspracherecht der Gesellschafter umso mehr gegeben sein muss. Da in casu keine Verschmelzung nach dem neunten Teil des AktG und auch keine Vermögensübertragung auf eine Gebietskörperschaft oder Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit vorlag, war § 237 Abs 1 AktG analog anzuwenden und aufgrund der fehlenden Dreiviertelmehrheit war der Unternehmenskaufvertrag unwirksam.

Eine einstweilige Verfügung, wie vom Rekursgericht verhängt, kann nach § 42 Abs 4 GmbHG nur ausgesprochen werden, wenn ein drohender und unwiederbringlicher Schaden für die Gesellschaft glaubhaft gemacht werden kann. Dem anfechtenden Gesellschafter bietet es einen vorübergehenden Rechtschutz, damit ein möglicher Prozesserfolg nicht unterlaufen werden kann. Unwiederbringlichkeit liegt vor, wenn die Zurückversetzung in den vorigen Stand nicht tunlich ist, kein Geldersatz geleistet werden kann bzw dieser den Schaden nicht adäquat ersetzt. Im vorliegenden Fall wurde das komplette Unternehmen veräußert, wodurch es unwiederbringlich wird. Auch wurde kein entsprechender Preis erzielt, da nach Tilgung der Verbindlichkeiten nur ein niedriger Verwertungsüberschuss übrig bleibt und außerdem ein geringer Bestandzins verloren geht. Somit lag auch eine Gefährdung der Gesellschaft vor, die eine einstweilige Verfügung rechtfertigte.

In § 42 Abs 4 GmbH wird jedoch nicht festgelegt, gegen wen die einstweilige Verfügung erlassen werden kann. Da die Gesellschaft nur durch ihre Organe handeln kann, ist eine gesonderte einstweilige Verfügung gegen den Geschäftsführer meistens nicht notwendig, jedoch vom Gesetzestext her nicht ausgeschlossen. Damit könnte Gebot der Unterlassung verstärkt werden und eine vereinfachte Vollstreckung ermöglicht werden. Unerheblich ist dabei, dass der den Beschluss anfechtenden Gesellschafter gegen den Geschäftsführer keinen eigenen privatrechtlichen Unterlassungsanspruch besitzt, da die Bestimmung keinen deckungsgleichen Hauptanspruch des anfechtenden Gesellschafters voraussetzt. Vielmehr dient eine einstweilige Verfügung gegen den Geschäftsführer ebenso der Sicherung eines potenziellen Prozesserfolges, sodass dies gerechtfertigt war.

Gem § 48 Abs 1 GmbHG können Ansprüche, die der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer zustehen, auch von Gesellschaftern geltend gemacht werden, deren Stammeinlage mindestens 10 % ausmachen. Dafür muss die Die Verfolgung der Ansprüche durch Gesellschafterbeschluss abgelehnt oder gar nicht erst zur Beschlussfassung gebracht worden sein. In casu wurde n der am 21.12.2017 stattgefundenen Generalversammlung über die Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer aus pflichtwidriger Geschäftsführung iZm der Unternehmensverkauf abgestimmt. Der Kläger stimmte als Einziger dafür, während der Geschäftsführer und der Minderheitsgesellschafter dagegen stimmten. Der Kläger berief sich dabei auf § 39 Abs 4 GmbHG, wonach demjenigen kein Stimmrecht bei der Beschlussfassung zukommt, der von dem Rechtsstreit mit der Gesellschaft direkt betroffen ist. So hat der Gesellschafter-Geschäftsführer kein Stimmrecht, wenn es um Ansprüche der Gesellschaft gegen ihn geht.

Da jedoch in der entsprechenden Generalversammlung mangels Einvernehmen kein Vorsitzender bestimmt werden konnte, waren jedoch auch Gesellschafter, die nach § 39 Abs 4 GmbHG vom Stimmrecht ausgeschlossen wären, stimmberechtigt. Überhaupt konnte ohne einen Vorsitzenden kein verbindliches Abstimmungsergebnis festgehalten werden.

Mehr Judikatur zum Gesellschaftsrecht
Gesellschaftsrecht-online-10101_produktbild_gross_rgb

Die wichtigsten Entscheidungen der Höchstgerichte zum Gesellschaftsrecht der letzten Jahre in Leitsätzen sowie im Volltext finden Sie in unserer umfassenden Online-Datenbank

Gesellschaftsrecht online

Jetzt näher informieren oder bestellen!