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Georg Streit | News | 07.01.2013

Verfahrenshilfe für juristische Personen

Mit 1.1.2013 fiel die Beschränkung der Gewährung der Verfahrenshilfe auf natürliche Personen (wieder) weg.

Mit dem Budgetbegleitgesetz 2009 (BGBl I 2009/52) beseitigte der Gesetzgeber die Möglichkeit der Gewährung von Verfahrenshilfe für juristische Personen durch eine Änderung von § 63 ZPO. Diese Regelung wurde ab 1.7.2009 wirksam. Nicht lange darauf landete diese gesetzliche Neuregelung vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser hob mit Erkenntnis vom 5.10.2011, G 26 10-11 Art 15 Z 3 des Budgetbegleitgesetzes 2009 wegen eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz in Folge der Ungleichbehandlung von juristischen und natürlichen Personen bei der Gewährung von Verfahrenshilfe als verfassungswidrig auf und ordnete an, dass die vor In-Kraft-Treten des Budgetbegleitgesetzes 2009 geltende Fassung des § 63 ZPO wieder in Kraft tritt.

Allerdings setzte der Verfassungsgerichtshof dafür eine Frist, die neue, verfassungskonforme Rechtslage währte noch über ein Jahr und trat schließlich erst mit dem letzten Jahreswechsel (also am 1.1.2013) in Kraft (die Kundmachung der Aufhebung der verfassungswidrigen Bestimmungen durch den VfGH erfolgte mit BGBl I 2011/96) Seither kann auch eine juristische Person wieder Verfahrenshilfe in Anspruch nehmen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 63 Abs 2 ZPO) erfüllt sind.

Nicht nur die Bundesverfassung gebietet die Gewährung der Verfahrenshilfe für juristische Personen – solange diese auch natürlichen Personen zukommt –, auch EU-Normen verpflichten zur Gewährung von Verfahrenshilfe, wie der EuGH im vergangenen Juni klarstellte (EuGH 13.6.2012, Rs C-156/12). Der EuGH stützte sich auf den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtschutzes nach Art 47 der Grundrechtecharta der EU und auf die Artikel 16 und 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Das Recht auf Inanspruchnahme von Verfahrenshilfe ist also auch unionsrechtlich abgesichert. Der EuGH führte dazu aber auch aus, dass das Gericht in jedem strittigen Anlassfall zu prüfen hat, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe wirklich eine Beschränkung des Rechts auf den Zugang zu den Gerichten darstellen und dabei die Gesellschaftsform, das Bestehen oder Fehlen von Gewinnerzielungsabsicht oder die Finanzkraft der Gesellschafter oder Anteilseigner und deren Möglichkeiten, die zur Einleitung der Rechtsverfolgung tatsächlichen erforderlichen Beträge zu berücksichtigen hat. Das Recht auf Verfahrenshilfe nach der Grundrechtecharta ist also kein absolutes, sondern als Grundsatz ausgestaltet, der durchaus Beschränkungen unterliegen kann, wie sie in § 63 Abs 2 ZPO (nunmehr wieder) enthalten sind.

Autor

Mag. Georg Streit ist seit 2000 Rechtsanwalt und seit 2001 Partner bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Immaterialgüterrecht, Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht, Rundfunkrecht und Vergaberecht. Weiters ist er Lektor an den Universitäten Wien und Salzburg, Vortragender bei Seminaren und Lehrgängen.

Für WEKA ist er Herausgeber des Newsletters für Gesellschaftsrecht Online sowie für das Werk „Personengesellschaften in Fallbeispielen“.

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