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Dokument-ID: 969658

WEKA (red) | News | 23.11.2017

Verletzen kreditschädigende Äußerungen im Rahmen einer Schadenersatzklage die gesellschaftliche Treuepflicht?

Wenn die als kreditschädigende Äußerungen zu wertenden Tatsachenbehauptungen über die Gesellschaft oder Mitgesellschafter notwendiger Bestandteil einer Schadenersatzklage sind, dann ist dem Gesellschafter keine Verletzung der Treuepflicht anzulasten.

Geschäftszahl

OGH 26. September 2017, 6 Ob 215/16k

Norm

§ 61 GmbHG

Leitsatz

Quintessenz:

Wenn die als kreditschädigende Äußerungen zu wertenden Tatsachenbehauptungen über die Gesellschaft oder Mitgesellschafter notwendiger Bestandteil einer Schadenersatzklage des Gesellschafters gegen die Gesellschaft sind, dann ist diesem keine Verletzung der Treuepflicht anzulasten.

OGH: Die Beklagte ist eine Gesellschafterin der klagenden GmbH und hierbei mit einer Beteiligung von 1 % am Stammkapital im Firmenbuch eingetragen. Bezüglich ihres Ausschlusses nach dem GesAusG mit dem Generalversammlungsbeschluss vom 30. November 2011 ist noch ein Gerichtsverfahren anhängig.

Vertreten durch einen amerikanischen Rechtsanwalt brachte die Beklagte am 9. Oktober 2014 elektronisch eine Klage bei einem United States District Court ein. Diese war ua gegen die klagende GmbH, deren Geschäftsführer sowie direkte und indirekte amerikanische Tochtergesellschaft gerichtet und erhielt ein Begehren auf Schadenersatz. Der Antrag wurde hierbei nicht „under seal“ gestellt. Wie jede bei einem Bundesgericht elektronisch eingebrachte Klage wurde auch diese von der US-Justizverwaltung auf www.pacer.gov veröffentlicht. Am 13. Februar 2015 stellte die Beklagte in diesem Verfahren einen Antrag auf Genehmigung von außergerichtlichen Vernehmungen zu Beweissicherungszwecken, der ebenfalls nicht „under seal“ erfolgte.

Die Klägerin stütze ihr Begehren auf Verletzung der gesellschaftlichen Treuepflicht und verlangte ua die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle Schäden aus oder iZm der Veröffentlichung der von der Beklagten eingebrachten Klage bzw des Beweissicherungsantrags.

Ob ein bestimmtes Verhalten des GmbH-Gesellschafters gegen seine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft verstößt, muss nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Hierzu ist eine Interessenabwägung erforderlich. Den Feststellungen zufolge stellt die Klagseinbringung nicht „under seal“ in den USA den Regelfall dar, auch sind Medieninterviews eines Rechtsanwalts einer Prozesspartei zu einer anhängigen Rechtssache nicht weiter ungewöhnlich. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass es in Anbetracht der Umstände eine Überspannung der Treuepflicht der Beklagten wäre, würde man von der Beklagten verlangen, für die Einbringung einer Klage und eines Beweissicherungsantrags „under seal“ durch ihren Rechtsvertreter und für eine Unterlassung von Medieninterviews zu sorgen, hielt der OGH somit für vertretbar. Das Vorliegen einer gezielten (manipulativen) Medienkampagne – wie von der Klägerin behauptet – konnte in casu nicht festgestellt werden.

Grundsätzlich verstößt ein Gesellschafter, der (selbst erweislich wahre) kreditschädigende Äußerungen über die Gesellschaft oder Mitgesellschafter gegenüber Dritten macht, gegen seine Treuepflicht. Sofern diese Äußerungen allerdings – wie vorliegend – notwendiger Bestandteil einer Schadenersatzklage des Gesellschafters ua gegen die Gesellschaft sind, ist ihm keine Verletzung der Treuepflicht anzulasten, weil andernfalls der Schadenersatzanspruch nicht durchsetzbar wäre. Aufgrund des Rechts auf ungehinderte Prozessführung können in einem solchen Fall auch ehrverletzende oder rufschädigende Prozessbehauptungen gerechtfertigt sein.

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