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Andreas Kampitsch - Michael Petritz | News | 25.01.2018

VfGH entscheidet zu Abzugsverbot und Ausgleichsbeschränkungen bei Grundstücksveräußerungen

Die Gastautoren Mag. Kampitsch (Foto) und MMag. Petritz analysieren in ihrem Beitrag die Entscheidung des VfGH und die aktuelle Rechtslage. Der VfGH hob die Bestimmung bezüglich des Abzugsverbots als verfassungswidrig auf.

Wie im WEKA-Newsletter September 2017 berichtet, hatte der VfGH im Rahmen eines Erkenntnisbeschwerdeverfahrens amtswegig die Prüfung zweier zentraler Bestimmungen der mit 1. Stabilitätsgesetz 2012 umfassend neu geregelten Besteuerung von Grundstücksveräußerungen beschlossen: Einerseits prüfte er das Abzugsverbot des § 20 Abs 2 EStG für Aufwendungen und Ausgaben im Zusammenhang mit Grundstücksveräußerungen auf die der besondere Steuersatz „anwendbar“ war, andererseits die Verlustausgleichsbestimmung des § 30 Abs 7 EStG. Mit Erkenntnis vom 30.11.2017, G 183/2017, hob der VfGH das Abzugsverbot auf und sprach aus, dass die Aufhebung mit Ablauf des 31. Dezembers 2018 in Kraft tritt; eine Aufhebung der Bestimmung des § 30 Abs 7 EStG (ganz oder in Teilen) erfolgte nicht. Beide Bestimmungen wurden mittlerweile vom Gesetzgeber neu gefasst. Nachfolgend dürfen wir Ihnen die Entscheidung des VfGH und allfällige Konsequenzen daraus vorstellen.

1 Kurzdarstellung der Entscheidung des VfGH

Der VfGH hob mit Erkenntnis vom 30.11.2017, G 183/2017, die Wortfolge „oder § 30a Abs 1“ in § 20 Abs 2 EStG idF 1. StabG 2012 als verfassungswidrig auf und sprach aus, dass die Aufhebung mit Ablauf des 31. Dezember 2018 in Kraft tritt. Eine Aufhebung des § 30 Abs 7 EStG idF AbgÄG 2012 – weder ganz noch in Teilen – erfolgte hingegen nicht. Das Erkenntnis war mit Spannung erwartet worden, da es sich bei den geprüften Vorschriften um grundlegende Regelungen zur Grundstücksveräußerungsbesteuerung handelte. Durch seine Entscheidung (im Zusammenhang mit seiner Begründung) hat der VfGH die Systematik der Grundstücksveräußerungsbesteuerung im Wesentlichen unangetastet gelassen. Die vom VfGH verortete Verfassungswidrigkeit der Bestimmung des § 20 Abs 2 EStG hat der Gesetzgeber zwischenzeitlich repariert.

2 Aufhebung des Abzugsverbots idF 1. StabG 2012

§ 20 Abs 2 EStG idF 1. StabG 2012 verbot den Abzug von Aufwendungen oder Ausgaben, die mit Einkünften in unmittelbaren Zusammenhang stehen, auf die der besondere Steuersatz nach § 30a Abs 1 EStG „anwendbar“ war. Dieses Abstellen auf die abstrakte Anwendbarkeit des besonderen Steuersatzes führte dazu, dass auch für den Fall, dass der Steuerpflichtige die Regelbesteuerung von Grundstücksveräußerungen beantragte, damit im Zusammenhang stehende Aufwendungen und Ausgaben nicht abgezogen werden konnten. Gegen diese Einschränkung auch für den Fall der Regelbesteuerung regten sich seit Einführung der neuen Besteuerungssystematik von Grundstücksveräußerungen verfassungsrechtliche Bedenken in der Literatur.

Neben dieser Problematik sah der VfGH im Prüfungsbeschluss noch zwei weitere potentielle Gründe für eine Verfassungswidrigkeit des Abzugsverbots des § 20 Abs 2 EStG idF 1. StabG 2012. Einerseits sind bei Grundstücksveräußerungen Anschaffungsnebenkosten einkünftemindernd zu berücksichtigen und sind im Vergleich zu wirtschaftlich gleichwertigen Betriebsausgaben/Werbungskosten daher bevorzugt, da letztere nicht abgezogen werden dürfen. Andererseits hatte der VfGH im Jahr 1994 zu Grundstücksveräußerungen (damals noch im Rahmen der Spekulationseinkünfte) ausgesprochen, dass es durch nichts zu rechtfertigen sei, dass jemand, der ein Wirtschaftsgut fremdfinanziert anschaffe, ungeachtet seines größeren Aufwands (aus den Zinsen für das Fremdkapital) gleich besteuert werde, wie jemand der ein Wirtschaftsgut mit Eigenkapital anschaffte. Da Fremdfinanzierungsaufwendungen auch nach der geprüften Rechtslage (wie alle anderen Ausgaben/Aufwendungen) nicht abzugsfähig sind, sah der VfGH eine potentielle Verfassungswidrigkeit der Norm. Eine Aufhebung aus diesen Gründen hätte wohl weitreichende Auswirkungen auf die Systematik der Besteuerung von Grundstücksveräußerungen gehabt, da diese Ungleichbehandlungen auch nach der mit StRefG 2015/2016 geänderten Rechtslage aufrecht sind.

Diese Gründe führten aber nicht zur Aufhebung des Wortlautes „oder § 30a Abs 1“ in § 20 Abs 2 EStG idF 1. StabG 2012. Der VfGH sprach in seinem Erkenntnis aus, es könne in einem Schedulensystem für Grundstücksveräußerungen sachliche Gründe für ein Abzugsverbot geben. Dieses Abzugsverbot müsse jedoch in einer dem Gleichheitssatz entsprechenden Weise ausgestaltet werden. Eine Notwendigkeit dieses Abzugsverbot durch ein korrespondierendes Verbot des Ansatzes von Anschaffungsnebenkosten zu ergänzen (wie dies im Bereich der Einkünfte aus Kapitalvermögen der Fall ist) sah der VfGH nicht. So seien Anschaffungsnebenkosten, wenn sie mit tarifbesteuerten Einkünften (aus Vermietung und Verpachtung) in Zusammenhang stehen, bereits bei diesen (über die Abschreibungen) abzugsfähig. Aus verwaltungsökonomischen Gründen ist gerechtfertigt, dass im Falle des Verkaufs keine Ermittlung der sich noch nicht bei den tarifbesteuerten Einkünften auswirkenden Anschaffungsnebenkosten zu erfolgen habe (um diese einem partiellen Abzugsverbot zu unterwerfen). Überdies sei keine steuerlich begründete Motivation erkennbar, Ausgaben/Aufwendungen des Veräußerers in den Bereich des Erwerbers zu verschieben, da schon bisher die entsprechenden Aufwendungen (Grunderwerbsteuer, Maklerentgelt) vom Erwerber getragen wurden.

Ebenso stieß es auf keine verfassungsrechtlichen Bedenken, dass unter der geprüften Rechtslage Fremdfinanzierungsaufwendungen (wie alle anderen Aufwendungen) nicht abzugsfähig sind. Das Abzugsverbot stelle einen Ausgleich für den besonderen Steuersatz dar – dies gelte auch für Fremdfinanzierungsaufwendungen.

Im Gegenzug sah der VfGH jedoch keine sachliche Rechtfertigung dafür, dass das Abzugsverbot auch für den Fall der Regelbesteuerung gelte. Eine verfassungskonforme Interpretation der Bestimmung – wie der VfGH dies noch im Prüfungsbeschluss für möglich gehalten hatte – war indes unmöglich, da die Bestimmung (§ 20 Abs 2 TS 2 EStG idF 1. StabG 2012) gleichermaßen das Abzugsverbot für Einkünfte aus Kapitalvermögen regelte. Für diese Einkünfte sieht allerdings das Endbesteuerungsgesetz verfassungsrechtlich ein Abzugsverbot vor.

Die Verfassungswidrigkeit des § 20 Abs 2 EStG idF 1. StabG 2012 hat der Gesetzgeber mit StRefG 2015/2016 bereits saniert. Seit StRefG 2015/2016 ist das Abzugsverbot nur mehr dann anzuwenden, wenn der besondere Steuersatz auf die Einkünfte auch angewendet wird. Die Entscheidung des VfGH sollte daher unter der geltenden Rechtslage keine weiteren Auswirkungen haben.

3 Keine Aufhebung des § 30 Abs 7 EStG idF AbgÄG 2012

Seine Bedenken gegen die Verlustausgleichbestimmung des § 30 Abs 7 EStG haben sich für den VfGH hingegen nicht bestätigt bzw können durch eine verfassungskonforme Interpretation der Bestimmung vermieden werden. Der VfGH sah verfassungsrechtliche Probleme insbesondere deswegen, weil § 30 Abs 7 EStG den Verlustausgleich mit „Einkünften aus Vermietung und Verpachtung“ erlaube, diese allerdings nicht notwendigerweise mit Grundstücken im Zusammenhang stehen (zB § 28 Abs 1 Z 3 EStG, welcher Einkünfte aus der Überlassung von Rechten regelt). Andererseits schließe § 30 Abs 7 EStG den Verlustausgleich mit anderen, mit Grundstücken im Zusammenhang stehenden Einkünften aus (genannt etwa § 29 Z 3 EStG – Einkünfte aus Leistungen, etwa das Entgelt für einen Verzicht, ein Grundstück zu bebauen).

Seinen Bedenken begegnet der VfGH einerseits durch eine verfassungskonforme, teleologische Reduktion der Bestimmung. So seien nach dem VfGH Verluste aus privaten Grundstücksveräußerungen nur mit Einkünften aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken (§ 28 Abs 1 Z 1 EStG) ausgleichsfähig, nicht mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung generell. Umgekehrt sei die Nichtausgleichsfähigkeit mit Einkünften aus Leistungen (§ 29 Z 3 EStG) deswegen gerechtfertigt, weil lediglich sehr wenige Sachverhalte hiervon betroffen wären.

Die Entscheidung des VfGH lässt die Verlustausgleichsbestimmung des § 30 Abs 7 EStG im Wesentlichen unangetastet. Auswirkungen können sich vor allem in jenen (seltenen) Fällen zeigen, in denen Verluste aus privaten Grundstücksveräußerungen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zusammentreffen, die nicht im Zusammenhang mit Grundstücken stehen. In diesen Fällen soll nach dem VfGH ein Verlustausgleich nicht (mehr) möglich sein.

4 Zusammenfassung

Das Erkenntnis des VfGH lässt die Systematik der Besteuerung von Grundstücksveräußerungen im Grunde unangetastet. Die Verfassungswidrigkeit des § 20 Abs 2 EStG hat der Gesetzgeber mit StRefG 2015/2016 bereits beseitigt, die teleologische Reduktion der Bestimmung des § 30 Abs 7 EStG ist auch unter der neuen – mit StRefG 2015/2016 geänderten – Rechtslage zu berücksichtigen, wird allerdings aufgrund der geringen Zahl von betroffenen Fällen ohne größere Auswirkungen bleiben.

Autoren

MMag. Michael Petritz

MMag. Michael Petritz, LL.M. ist als Steuerberater bei der KPMG Austria Gruppe in Wien tätig. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind das Unternehmenssteuerrecht, Internationales Steuerrecht, Estate Planning sowie Gebühren- und Verkehrsteuern. Weiters ist er Univ.-Lektor an der WU-Wien. Als Autor schreibt er für Gesellschaftsrecht Online sowie das Werk „Übertragung von Unternehmen“.

Mag. Andreas Kampitsch

Mag. Andreas Kampitsch, LL.M., Steuerberater, lehrt und forscht am Institut für Finanzmanagement an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

Siehe auch Gastbeitrag vom 22.09.2017: Immobilienertragsteuer: VfGH prüft Abzugsverbot und Verlustausgleichsregelung