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Dokument-ID: 610554

Iman Torabia | News | 15.08.2013

Vorkaufsrecht in der Satzung einer nicht börsenotierten AG – Prinzip der Satzungsstrenge

Bei einer nicht börsenotierten Aktiengesellschaft ist die Satzungsbestimmung eines Vorkaufsrechts der Aktionäre für den Fall der Veräußerung von Aktien zumindest bei gemäß § 62 Abs 2 AktG vinkulierten Aktien zulässig.

Geschäftszahl

OGH 08.05.2013, 6 Ob 28/13f

Norm

§§ 47a, 62 Abs 2 AktG

Leitsatz

Quintessenz:

Bei einer nicht börsenotierten Aktiengesellschaft ist die Satzungsbestimmung eines Vorkaufsrechts der Aktionäre für den Fall der Veräußerung von Aktien zumindest bei gemäß § 62 Abs 2 AktG vinkulierten Aktien zulässig.

OGH: Sowohl im österreichischen als auch im deutschen Aktienrecht ist grundsätzlich das Prinzip der Satzungsstrenge anerkannt. Aufgrund der Regelungssystematik des AktG, nämlich der ausdrücklichen Normierung von bestimmten Abweichungs- oder Ergänzungsmöglichkeiten vom AktG zum fakultativen Satzungsinhalt ergibt sich, dass Aktienrecht prinzipiell zwingend ist und daher Satzungsbestimmungen, die von zwingenden Vorschriften des AktG abweichen, unwirksam sind.

Das österreichische Aktiengesetz kennt keine der Bestimmung des § 23 Abs 5 dAktG vergleichbare Bestimmung. Die Satzungsstrenge wird in Österreich in der Lehre als Prinzip des Aktienrechts im Gefolge der deutschen Rechtslage grundsätzlich einhellig anerkannt und aus der dargestellten Regelungssystematik des AktG betreffend den Satzungsinhalt abgeleitet. In der jüngeren Lehre sind Tendenzen erkennbar, die Satzungsstrenge – insbesondere bei nicht börsenotierten Gesellschaften – aufzuweichen.

Der Oberste Gerichtshof hat sich noch nicht ausdrücklich mit der Geltung, dem Inhalt oder der Reichweite der Satzungsstrenge im Aktienrecht befasst.

Eine Auslegung des AktG dahingehend, dass eine Satzungsbestimmung immer nur dann zulässig ist, wenn sie vom AktG ausdrücklich so vorgesehen ist oder die Zulässigkeit abweichender Regelungen ausdrücklich vom AktG gestattet ist, ist allerdings nicht in jedem Fall geboten, dies deshalb, weil das AktG (im Gegensatz zum dAktG) keine ausdrückliche Norm über die Satzungsstrenge enthält.

Bestimmungen, die mit dem Wesen der Aktiengesellschaft unvereinbar sind, die Gläubigerschutzvorschriften oder im öffentlichen Interesse bestehenden Vorschriften widersprechen (§ 199 Abs 1 Z 3 AktG), sittenwidrig sind (§ 199 Abs 1 Z 4 AktG) oder den Aktionärsschutz betreffen (zB Gleichbehandlungsgebot gemäß § 47a AktG), dürfen nicht in die Satzung aufgenommen werden.

Durch die Differenzierung zwischen börsenotierten und nicht börsenotierten Aktiengesellschaften ist im Licht der jüngeren Lehre eine auch differenzierende Beurteilung über die Zulässigkeit von Satzungsbestimmungen gerechtfertigt. Es erscheint gerechtfertigt, für nicht börsenotierte Aktiengesellschaften eine größere Satzungsautonomie anzuerkennen, zumal – wie ausgeführt – das AktG vom Leitbild der börsenotierten Publikumsaktiengesellschaft geprägt ist. Dies betrifft insbesondere solche Bereiche, bei denen die freie Handelbarkeit von Aktien auf der Börse keine Rolle spielt.

Das AktG sieht keine ausdrückliche Norm vor, die ein Vorkaufsrecht für Aktien in der Satzung verbietet.

Die einzige Bestimmung, die Verkehrsbeschränkungen bei der Übertragung von (Namens-)Aktien vorsieht, ist § 62 Abs 2 bis 4 AktG über die mögliche Bindung der Übertragung von Aktien an die Zustimmung der Gesellschaft (Vinkulierung). Gegen die Argumentation, diese Bestimmung wäre unnötig, wenn ohnehin jegliche Übertragungsbeschränkung in der Satzung erlaubt wäre; die Vinkulierung sei daher die einzig mögliche Verkehrsbeschränkung, die die Satzung vorsehen könne, kann eingewendet werden, dass die gesetzliche Regelung der Vinkulierung schon deshalb nötig ist, weil in § 62 Abs 3 AktG die gerichtliche Gestattung der Aktienübertragung bei verweigerter Zustimmung durch die Gesellschaft geregelt ist. Diese gerichtliche Kompetenz gäbe es ohne gesetzliche Normierung nicht. Aus § 62 Abs 2 bis 4 AktG kann daher in systematischer Gesetzesauslegung nicht zwingend der Schluss gezogen werden, alle anderen Übertragungsbeschränkungen könnten in der Satzung nicht geregelt werden.

Aus den §§ 49 f AktG ist keine Unzulässigkeit eines Vorkaufsrechts ableitbar. Die Bestimmung des § 49 Abs 1 AktG betrifft nach seinem eindeutigen Wortlaut (nur) die Verpflichtung der Aktionäre zur Leistung der Einlagen. Ein satzungsgemäßes Vorkaufsrecht tangiert bzw erhöht diese Einlagepflicht der Aktionäre nicht. Auch mit den in § 50 AktG geregelten Nebenverpflichtungen hat ein satzungsmäßiges Vorkaufsrecht nichts zu tun.

Auch aus den Gesetzesmaterialien der neueren Gesetze kann nicht auf die Unzulässigkeit eines satzungsmäßigen Vorkaufsrechts geschlossen werden: Aus dem Schweigen der Materialien zum GesRÄG 2011 kann keine Missbilligung weiterer satzungsgemäßer Verkehrsbeschränkungen über § 62 Abs 2 AktG hinaus durch den Gesetzgeber abgeleitet werden.

In casu gilt nach dem letzten Satz der Satzungsbestimmung das Vorkaufsrecht nicht für den Erwerber der Aktien des Ausscheidenden. Gemäß § 47a AktG sind Aktionäre unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln. Nach hA erfasst das Gleichbehandlungsgebot nur den mitgliedschaftlichen, nicht hingegen den - auch hier vorliegenden - rein schuldrechtlichen Bereich. § 47a AktG gilt mangels Mehrheitsherrschaft nicht bei Feststellung der ursprünglichen Satzung, die unterschiedliche Aktiengattungen vorsieht. In caus wurde die Änderung der Satzung von allen Aktionären einstimmig beschlossen.

Die in casu beim Vorkaufsrecht zwischen Altaktionären und Erwerbern differenzierende Satzungsbestimmung begegnet daher keinen Bedenken im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot des § 47a AktG.

Bei einer nicht börsenotierten Aktiengesellschaft ist die Satzungsbestimmung eines Vorkaufsrechts der Aktionäre für den Fall der Veräußerung von Aktien im Sinne des in casu zu prüfenden Vorkaufsrechtes bei gemäß § 62 Abs 2 AktG vinkulierten Aktien zulässig.

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