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Georg Streit | News | 15.04.2020

Was bedeutet die Corona-Pandemie für Fristen?

Herausgeber Mag. Georg Streit gibt in diesem Beitrag einen guten Überblick, welche Auswirkungen die COVID-19-Gesetze auf diverse Fristen, wie z. B. Verfahrensfristen, haben. Wann kommt es zur Fristenhemmung? Was muss unbedingt beachtet werden?

Die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen macht auch nicht vor der Justiz halt. Das 2. COVID-19-Gesetz (BGBl I Nr 16/2020), das am 22.03.2020 in Kraft getreten ist, regelt das Schicksal von Fristen aller Art während der Dauer der COVID-19-Maßnahmen der Regierung. Das umfasst sowohl gesetzliche Fristen als Verfahrensfristen in gerichtlichen Verfahren und Verwaltungsverfahren bis hin zu den Höchstgerichten. Danach gab es mit dem 4. COVID-19-Gesetz (BGBl I Nr 24/2020) noch – rückwirkende – Nachbesserungen und Klarstellungen. Nachfolgend finden Sie eine zusammenfassende Übersicht der wichtigsten aktuellen Regelungen:

1. In zivilgerichtlichen Verfahren werden – mit wenigen Ausnahmen – verfahrensrechtliche Fristen (z.B. für einen Einspruch gegen einen Zahlungsbefehl, eine Klagebeantwortung, eine Berufung oder einen Rekurs) bis zum Ablauf des 30.04.2020 unterbrochen. Diese Unterbrechung gilt für Fristen, deren fristauslösendes Ereignis (z.B. die Zustellung eines Urteils) in die Zeit nach dem 22.03.2020 fällt, und für solche Fristen, die bis zum 22.03.2020 noch nicht abgelaufen waren. Diese Fristen beginnen in beiden Fällen mit 01.05.2020 in voller Länge neu zu laufen.

  • Bei Fristen, die in Tagen ausgedrückt werden (§ 125 Abs 1 ZPO, zB „14 Tage“), ist der 01.05.2020 nicht mitzuzählen. Daher endet zum Beispiel eine 14-tägige Frist, die in der Zeit zwischen dem 22.03. und dem 30.04. geendet hätte, am 15.05.2020.
  • Bei Fristen, die in Wochen,Monaten oder Jahren ausgedrückt werden (§ 125 Abs 2 ZPO) endet die Frist die entsprechende Anzahl an Wochen (Monaten oder Jahren) später am selben Wochentag (d.h. eine zweiwöchige Frist, die in der Zeit zwischen dem 22.03. und dem 30.04. geendet hätte, endet ebenfalls am Freitag, dem 15.05.2020).
  • Die Gerichte können mit Beschluss von der gesetzlich vorgesehenen Unterbrechung abgehen und stattdessen eine neue „angemessene Frist“ festsetzen. Dabei muss das Gericht sorgfältig abwägen, ob die Fortsetzung des Ver-fahrens so dringend ist, dass sie das Interesse der Allgemeinheit an der Verhütung und Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 überwiegt.

Zur Verringerung des COVID-19-Infektionsrisikos finden zivilgerichtliche Verhandlungen übrigens derzeit nur noch in dringend gebotenen Fällen (z.B. zur Abwehr eines erheblichen und unwiederbringlichen Schadens für eine Verfahrenspartei) statt. Die Durchführung der Verhandlung ist auch ohne persönliche Anwesenheit aller Beteiligten unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel möglich.

2. Ausgenommen von der Fristenunterbrechung sind nun allerdings Fristen in Insolvenzverfahren, um Sanierungsverfahren rasch abwickeln zu können. Ab dem 22.03. bereits unterbrochene Fristen beginnen ab dem 05.04.2020 (der Tag nach der Kundmachung des 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetzes im BGBl.) wieder neu zu laufen. Fristen im Insolvenzverfahren können (bei einigen Fristen unter bestimmten weiteren Voraussetzungen) auf Antrag oder von Amts wegen um bis zu 90 Tage verlängert werden.

Die Verpflichtung der Schuldnerin bzw des Schuldners, bei Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen, ist bei einer zwischen 01.03. und 30.06.2020 eingetretenen Überschuldung ausgesetzt. Liegt am 30.06.2020 eine Überschuldung des Unternehmens vor, muss binnen 60 Tagen ab dem 30.06.2020 oder binnen 120 Tagen ab tatsächlichem Eintritt der Überschuldung ein Insolvenzantrag gestellt werden, je nachdem welcher Zeitraum später endet.

An der Verpflichtung, bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag zu stellen, hat sich nichts geändert.

3. Kapitalgesellschaften (AG, GmbH), Genossenschaften und Vereine haben für die Aufstellung von Jahresabschlüssen, die bisher in den ersten fünf Monaten eines Geschäftsjahres stattzufinden hatten, nun bis zu vier Monate länger Zeit. Die Frist für die Einreichung der Jahresabschlüsse beim Firmenbuch, die bisher nach neun Monaten zu erfolgen hatte, wurde um drei Monate verlängert.

4. Bei Zahlungsverzug besteht eine Beschränkung von Verzugszinsen und Ausschluss von Inkassokosten für den Schuldner für vor dem 01.04.2020 abgeschlossenen Verträge, nach denen eine Zahlung zwischen 01.04.2020 und 30.06.2020 fällig wird, weil er als Folge der COVID-19-Pandemie in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist. Diesfalls muss er höchstens die gesetzlichen Zinsen von vier Prozent p.a. (§ 1000 Abs 1 ABGB) und keine Kosten „von außergerichtlichen Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen“ bezahlen.

5. Gesetzliche Fristen, innerhalb derer man eine Klage oder einen Antrag bei Gericht erheben muss, um seine Rechte zu wahren (z.B. um Schadenersatz- oder Gewährleistungsansprüche geltend zu machen, eine Kündigung anzufechten oder offene Geldforderungen noch vor deren Verjährung geltend zu machen) sind bis zum Ablauf des 30.04.2020 gehemmt. Das heißt, die Zeit vom 22.03.2020 bis zum 30.04.2020 wird in die Zeit, in der bei einem Gericht eine Klage oder ein Antrag zu erheben ist, nicht eingerechnet. Die Fristen laufen dann (mit Ablaufstand zum 22.03.2020) weiter, sie beginnen also – anders als verfahrensrechtliche Fristen (siehe Punkt 1.)– nicht neu zu laufen.

6. Ähnliches gilt auch für die Unterbrechung und Verlängerung von Fristen in Verwaltungsverfahren. In anhängigen Verfahren nach den Verwaltungsverfahrensgesetzen (AVG, VStG und VVG – das sind die allermeisten –, werden alle Fristen, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach dem 22.03.2020 fällt, und solche, die bis zum 22.03.2020 noch nicht abgelaufen waren, bis zum Ablauf des 30.04.2020 unterbrochen. Dies gilt somit zB für die Fristen einer aufgetragenen Stellungnahme oder einer Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung bei einem Verwaltungsgericht. Diese Fristen beginnen mit 01.05.2020 in voller Länge neu zu laufen.

  • Bei Fristen, die in Tagen ausgedrückt werden (z.B. „14 Tage“), ist der 01.05.2020 nicht mitzuzählen. Daher endet zum Beispiel eine 14-tägige Frist, die in der Zeit zwischen dem 22.03. und dem 30.04. geendet hätte, am 15.05.2020.
  • Die in Wochen ausgedrückten Fristen enden die entsprechende Anzahl an Wochen später am selben Wochentag (d.h. eine zweiwöchige Frist, die in der Zeit zwischen dem 22.03. und dem 30.04. geendet hätte, endet ebenfalls am Freitag, dem 15.05.2020.

Davon gibt es allerdings eine Ausnahme: Die Fristenunterbrechung gilt nicht für Verfahren nach dem Epidemiegesetz.

Die jeweilige Verwaltungsbehörde kann wie die Gerichte von der gesetzlich vorgesehenen Unterbrechung abgehen und stattdessen eine neue angemessene Frist festsetzen.

Auch bei Verwaltungsverfahren wird für die Dauer der Ausgangs- bzw Kontaktbeschränkungen der persönliche Kontakt zwischen Behörden(vertretern) und Parteien so weit wie möglich eingeschränkt. Der Parteienverkehr bei den Behörden, mündliche Verhandlungen oder Vernehmungen sind nur durchzuführen, soweit dies zur „Aufrechterhaltung einer geordneten Verwaltungsrechtspflege“ unbedingt erforderlich ist.

7. Weiters sind Fristen, innerhalb derer man einen verfahrenseinleitenden Antrag an die Behörde stellen muss, um seine Rechte zu wahren, für die Zeit vom 22.03.2020 bis zum Ablauf des 30.04.2020 gehemmt, dh diese Zeitspanne wird in die Frist nicht eingerechnet. Die Fristen laufen dann (mit Ablaufstand zum 22.03.2020) weiter, sie beginnen also – anders als verfahrensrechtliche Fristen (siehe Punkt 1.) – nicht neu zu laufen. Diese Fristenablaufhemmung gilt auch für verwaltungsrechtliche Verjährungsfristen. Das betrifft also auch die Strafbarkeits- und Verfolgungsverjährung nach dem VStG:

Die Unterbrechung von Fristen gilt aber nicht für materiellrechtliche Fristen, wie Fristen für den Baubeginn oder betreffend die Konsensdauer. Diese werden nicht unterbrochen.

8. Außerdem gilt die Hemmung für die Entscheidungsfristen der Behörden (mit Ausnahme von verfassungsgesetzlich festgelegten Höchstfristen). Diese verlängern sich um sechs Wochen (bzw. im Ausmaß der Entscheidungsfrist selbst, wenn diese kürzer als sechs Wochen beträgt).

Die Bestimmungen über die Unterbrechung und Hemmung von Fristen gelten auch für das Verfahren der Verwaltungsgerichte (wenn auf das jeweilige Verfahren zumindest auch das AVG anzuwenden ist) und für Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof.

9. Verlängert werden auch die Fristen für die Zahlung von Strafen aufgrund von Anoymverfügungen (und zwar auf sechs Wochen) und Organstrafverfügungen (auf vier Wochen), wenn diese aus dem Zeitraum 22.03.2020 bis 30.04.2020 stammen, also in diesem Zeitraum ausgefertigt bzw hinterlassen oder übergeben wurden.

10. Auch wichtige Fristen nach dem Finanzstrafgesetz (z.B. die Einspruchsfrist, die Rechtsmittelfrist, die Frist zur Anmeldung einer Beschwerde etc – siehe dazu näher in § 256a Abs 1 FinStrG), die am 16.03.2020 noch nicht abgelaufen waren oder deren Beginn in die Zeit vom 16.03. bis 30.04.2020 fällt, beginnen mit 01.05.2020 neu zu laufen.

Autor

Mag. Georg Streit ist Rechtsanwalt und Partner bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG.

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