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Georg Streit | News | 23.02.2015

Wer nichts zu verbergen hat, …

Mag. Georg Streit erläutert in diesem Beitrag ausführlich anhand zwei jüngst ergangener Entscheidungen, warum Unternehmen die Offenlegungsverpflichtung nach dem UGB – aber auch nach ECG – ernst nehmen und einhalten sollten.

Das UGB verlangt von Kapitalgesellschaften die Offenlegung des Jahresabschlusses und des Lageberichts. Spätestens neun Monate nach dem Bilanzstichtag (§ 277 Abs 1) ist ein Konzernabschluss aufzustellen, so ist auch dieser zu veröffentlichen (§ 280 Abs 1). Von der Verpflichtung zur Errichtung bzw zur Einbeziehung in den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht gibt es einige Ausnahmebestimmungen (§§ 245 ff). Dass diese Verpflichtungen ernst zu nehmen sind, insbesondere auch, was die rechtzeitige Einreichung zur Veröffentlichung im Firmenbuch betrifft, zeigt die Praxis der Firmenbuchgerichte, die bei Verspätungen Zwangsstrafen verhängen (können). Die gesetzlichen Offenlegungsverpflichtungen können aber auch zur Waffe in der Auseinandersetzung zwischen Mitbewerbern werden.

Ausgangsfall

Im Ausgangsfall, der beim Landesgericht Salzburg anhängig war, klagte eine Holdinggesellschaft – dem Vernehmen nach – aus der Lebensmittelhandelsbranche zwei Gesellschaften, die ebenfalls als Holding organisiert und jeweils Muttergesellschaften einer Tochtergesellschaft mit jeweils mehreren Enkelgesellschaften waren. Die Klage war auf § 1 Abs 1 Z 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) gerichtet, der einen Unterlassungsanspruch gegen denjenigen gewährt, der im geschäftlichen Verkehr eine unlautere Geschäftspraktik oder sonstige unlautere Handlung anwendet, die geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von Unternehmen nicht nur unerheblich zu beeinflussen. Die beklagten Parteien hatten es offensichtlich unterlassen, (rechtzeitig) ihren Offenlegungsverpflichtungen nach dem § 277 und 280 UGB nachzukommen.

(Erst) das OLG Linz (als Rekursgericht) gab dem auf Unterlassung einer Verletzung der Offenlegungspflicht gerichteten Antrag statt. Unter Berufung auf eine Vorentscheidung des OGH (4 Ob 229/08d) führte das OLG Linz aus, dass der Konzernabschluss einen leichteren Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage einer Unternehmensgruppe ermöglichen soll, die aus mehreren rechtlich selbstständigen Unternehmen besteht, die allerdings miteinander verflochten sind und somit eine wirtschaftliche Einheit bilden. Zwar sei es auch möglich, sich einen Überblick über die Lage einer Unternehmensgruppe auch durch Betrachtung aller Einzelabschlüsse der Konzernunternehmen zu verschaffen, doch wäre dies mit erheblichen Schwierigkeiten, zumal bei großen international agierenden Konzernen, verbunden. Da die Kenntnis der wirtschaftlichen Lage aber das Verhalten der Marktgegenseite (Kunden und Lieferanten), aber auch der Mitwerber beeinflussen kann, verletzt für das OLG Linz die Unterlassung der Offenlegung das Gebot gleicher Ausgangsbedingungen für alle Wettbewerber auf dem Markt. Folglich ist die Verletzung der Offenlegungspflichten gemäß UGB (insbesondere eines Konzerns) geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil von Unternehmen (Mitbewerbern) nicht nur unerheblich zu beeinflussen.

Ausführungen des OGH

Der OGH schloss sich dieser Entscheidung an und wies den (außerordentlichen) Revisionsrekurs der beklagten Parteien zurück (24.6.2014, 4 Ob 95/14w). Der OGH erkannte zwar keine erhebliche Rechtsfrage, führte aber dennoch in seinem Zurückweisungsbeschluss inhaltlich aus. Diese Ausführungen sind für die gesellschaftsrechtliche Praxis sehr aufschlussreich:

Im außerordentlichen Revisionsrekurs beriefen sich die beklagten Parteien untern anderem auf die Ausnahmebestimmungen des § 249 Abs UGB, wonach ein Tochterunternehmen in den Konzernabschluss nicht einbezogen zu werden braucht, wenn es für die Verschaffung eines möglichst getreuen Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns von untergeordneter Bedeutung ist. Dies lässt sich auch auf mehrere Tochterunternehmen ausdehnen, wenn diese zusammen von untergeordneter Bedeutung sind.

Der OGH hatte bereits in der vom OLG Linz aufgegriffenen Vorentscheidung vom 24.3.2009 ausgeführt, dass ein Verstoß gegen gesetzliche Offenlegungspflichten nach dem UGB auch einen Verstoß gegen § 1 UWG darstellen kann, auch wenn das UGB selbst Zwangsstrafen für die Verletzung dieser Verpflichtung vorsieht und die RL 68/151/EWG nur „geeignete Maßnahmen“ verlangt. Die Verhängung einer Zwangsstrafe durch das Firmenbuchgericht hindert grundsätzlich nicht die UWG-Klage eines Konkurrenten.

Der OGH betont in seiner Rechtsprechung, dass der Ausnahmetatbestand des § 249 Abs 2 UGB restriktiv auszulegen ist. Einzubeziehen sind auch mittelbare Tochterunternehmen, die dem Mutterunternehmen zugerechnet werden. Aber auch den Befreiungstatbestand des § 245 Abs 1 UGB (Tochterunternehmen, die in Österreich ihren Sitz haben) und in einen Konzernabschluss samt Konzernlagebericht einbezogen sind, der nach österreichischen oder diesen gleichwertigen ausländischen Regeln aufgestellt und geprüft worden ist, haben nur dann eine Teilkonzernabschluss aufzustellen, wenn dies vom Aufsichtsrat oder einer qualifizierten Minderheit verlangt wird) verneinte der OGH.

Der OGH führt auch aus, dass er keinen Zweifel am Informationswert des Konzernabschlusses für Dritte hat und begründet dies mit den Erwägungsgründen der RL 83/349/EWG. Konkret spricht der OGH von der „nicht unwesentlichen wirtschaftlichen Bedeutung eines Konzernabschlusses“ und davon, dass der „ Konzernabschluss in der Kapitalgesellschaft ein bedeutendes Informationsinstrument ist“. Außer Zweifel steht für den OGH, dass die Verletzung dieser Offenlegungsverpflichtungen geeignet sind, den Wettbewerb spürbar zu beeinflussen, unbeachtlich ist, ob damit auch eine spürbare Beeinflussung des Wettbewerbs zu Lasten der Verbraucher erfolgt.

Zusammengefasst: Die Offenlegungsverpflichtungen des UGB sind ernst zu nehmen, sie können auch als Waffe im Konkurrenzkampf von (wohlgemerkt) Mitbewerbern „scharf gemacht“ werden.

Offenlegung nach dem ECG

Aber nicht nur das UGB gebietet die Offenlegung, auch das E-Commerce-Gesetz (ECG). § 5 ECG legt fest, welche Informationen ein Unternehmen leisten und unmittelbar zugänglich auf der eigenen Website zur Verfügung zu stellen hat. Ein oberösterreichisches Reisebüro bewarb seine Leistungen auf der eigenen Website, Informationen über Firmenbuchnummer, Firmenbuchgericht, Aufsichtsbehörde, anwendbare gewerberechtliche Vorschriften etc, die in § 5 ECG angeführt sind, fehlten.

In der ebenfalls am 24.6.2014 veröffentlichten Entscheidung über diesen Sachverhalt (4 Ob 59/14a) erkannte der Oberste Gerichthof auch einen Verstoß gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG durch Anwendung einer unlauteren Geschäftspraktik. Der seiner Offenlegungspflicht nach § 5 ECG nicht nachkommende Unternehmer verschafft sich gegenüber Mitbewerbern einen Vorteil. Vertragspartnern wäre es nämlich erschwert, vertragliche Ansprüche gegen den Unternehmer, der seine Daten nicht offenlegt, geltend zu machen. Da somit die Rechtsverfolgung erschwert wird, könnte der nicht offenlegende Unternehmer die Rechtsverfolgung (gegen ihn) erschweren.

Der OGH führt aus, dass zugleich auch der Irreführungstatbestand des § 2 Abs 4 UWG erfüllt wäre. Eine Geschäftspraktik ist demnach dann irreführend, wenn sie unter Berücksichtigung der Beschränkungen des Kommunikationsmediums wesentliche Informationen nicht enthält, die der Marktteilnehmer benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen und die somit geeignet ist, eine Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Wer nur mit erheblichem Aufwand herausfinden kann, wer eigentlich sein Vertragspartner ist und wie er mit diesem in Kontakt treten kann, wird eher auf die Geltendmachung seiner gesetzlichen Ansprüche verzichten, als wenn er diese Informationen leicht auffindet.

Auch hier beeinträchtigt der Umstand, dass bei Verletzung der Informationspflicht des § 5 ECG eine Verwaltungsstrafe verhängt werden kann, nicht das Recht eines Mitbewerbers, Unterlassungsansprüche nach § 1 ECG geltend zu machen.

Fazit

Vollständige Transparenz nach diesen Vorschriften ist im geschäftlichen Verkehr geboten. Mitbewerber (denen es offensichtlich gelang, den Übeltäter ausfindig zu machen, um ihm die Klage zustellen zu lassen) achten offenkundig darauf.

Daher: Wer nichts zu verbergen hat, sollte dies auch nicht tun – jedenfalls dann, wenn er neugierige Mitbewerber hat.

Autor

Mag. Georg Streit ist seit 2000 Rechtsanwalt und seit 2001 Partner bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Immaterialgüterrecht, Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht, Rundfunkrecht und Vergaberecht. Weiters ist er Lektor an den Universitäten Wien und Salzburg, Vortragender bei Seminaren und Lehrgängen.

Für WEKA ist er Herausgeber des Newsletters für Gesellschaftsrecht Online sowie für das Werk „Personengesellschaften in Fallbeispielen“.

www.h-i-p.at