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Stefan Schermaier - Dorian Schmelz | News | 23.03.2015

Zu den Wirkungen negativer Gesellschafterverrechnungskonten bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung

Die Gastautoren Dr. Schermaier und Mag. Schmelz geben einen praxisnahen Überblick zum Thema sowie hilfreiche Tipps, was bei der Einführung von Gesellschafter-Verrechnungskonten bei GmbHs beachtet werden sollte.

Problemstellung

Die anwaltliche Beratungspraxis zeigt, dass Gesellschafter von GmbHs öfters über Gesellschafter-Verrechnungskonten verfügen, die mitunter negative Saldi aufweisen. Während derartige Konstellationen bei Personengesellschaften infolge der unmittelbaren und persönlichen Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten prinzipiell zulässig sind, stehen sie bei den durch das Trennungsprinzip geprägten Kapitalgesellschaften in einem Spannungsverhältnis zum gesellschaftsrechtlichen Gebot der Kapitalerhaltung und dem steuerlichen Verbot der verdeckten Gewinnausschüttung.

Zum Verbot der verdeckten Gewinnausschüttung

Die verdeckte Gewinnausschüttung erfasst alle unmittelbaren oder mittelbaren, nicht ohne Weiteres als Ausschüttungen von Gewinnanteilen erkennbare Zuwendungen aus dem Vermögen einer Körperschaft an eine an dieser beteiligte Person, die sich als Zuwendung von Teilen des Einkommens der Körperschaft darstellt und ihre Ursache in der gesellschaftsrechtlichen Beziehung hat (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 82 Rz 15 mwN). Bei einer verdeckten Gewinnausschüttung kann das Einkommen einer Körperschaft sohin entweder durch überhöhte Aufwendungen oder durch zu geringe Einnahmen der Gesellschaft geschmälert werden (VwGH 31.05.2006, 2003/13/0015 und 0016).

Weist ein Gesellschafterverrechnungskonto einer GmbH einen negativen Saldo aus, entsteht eine Verbindlichkeit des Gesellschafters gegenüber der GmbH und eine Rückersatzpflicht des begünstigten Gesellschafters; Grundlage hierfür ist entweder die zwischen der GmbH und dem Gesellschafter getroffene Vereinbarung in der Form eines Darlehens- oder Kreditvertrags oder § 82 GmbHG (hierzu weiter unten).

Ob ein von einer GmbH ihrem Gesellschafter gewährtes Darlehen in steuerlicher Hinsicht als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt wird, ist vor dem Hintergrund zu beurteilen, dass an Vereinbarungen zwischen einer Gesellschaft und ihren Gesellschaftern die Maßstäbe für die steuerliche Anerkennung von Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen anzulegen sind. Die zugrunde liegenden Vereinbarungen müssen daher fremdüblich und klar ausgestaltet und auch hinreichend publik sein, um bei Anwendung der in steuerlicher Hinsicht maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise als Darlehensgewährung – und nicht als Gewinnausschüttung – angesehen zu werden (VwGH 17.10.2007, 2006/13/0069; VwGH 8.2.2007, 2004/15/0149; UFS Wien 03.01.2013, RVV/0609-W/10; tw aA VwGH 28.04.2009, 2004/13/0059). Hierzu im Detail:

  • Zur Beurteilung der Fremdüblichkeit einer Darlehensgewährung ist insbesondere zu prüfen, ob eine hinreichende Bonität des Gesellschafters vorliegt, aber auch, ob jene Details einer Darlehensgewährung rechtsgeschäftlich geregelt wurden, die typischerweise bei einer Darlehensgewährung an gesellschaftsfremde Dritte geregelt werden, wozu die Vereinbarung der Höhe und Fälligkeit der Verzinsung, von Rückzahlungsterminen oder -fristen und allenfalls der Bestellung von Sicherheiten zählt. Wenngleich die Schriftform eines Darlehensvertrags zivilrechtlich kein Wirksamkeitskriterium ist, kommt ihr bei Beurteilung der Fremdüblichkeit doch eine nicht unwesentliche Bedeutung zu, zumal die Gewährung eines Darlehens an gesellschaftsfremde Dritte aufgrund rein mündlicher oder gar schlüssiger Vereinbarung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalls unüblich sein und einer Fremdüblichkeit entgegen stehen kann.
  • In engem Zusammenhang zur Fremdüblichkeit steht das Erfordernis der Klarheit der Darlehensgewährung. Die rechtsgeschäftliche Grundlage der Letztgenannten muss einen eindeutigen und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt haben, wesentliche Parameter der Darlehensgewährung (zB die Verzinsung und ernst gemeinte Rückzahlungstermine) sind deutlich und transparent festzulegen.
  • Letztlich wird eine ausreichende Publizität der Darlehensgewährung gefordert, wofür die reine Verbuchung einer Forderung auf dem Gesellschafter-Verrechnungskonto gerade nicht ausreicht; vielmehr hat die Darlehensgewährung in den unternehmens- und gesellschaftsrechtlich zu führenden Aufzeichnungen der Gesellschaft Niederschlag zu finden. Bei Ein-Mann-Gesellschaften ist in diesem Zusammenhang auch auf § 18 Abs 5 GmbHG zu verweisen, wonach über Rechtsgeschäfte, die der einzige Gesellschafter sowohl im eigenen Namen, als auch im Namen der Gesellschaft abschließt, aus Beweissicherungsgründen und zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger unverzüglich eine schriftliche Urkunde zu errichten ist.

Überprüft man die obgenannten Kriterien, ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, wobei dem Kriterium der Fremdüblichkeit – das bereits dann auszuschließen ist, wenn der Sachverhalt in nur einem Punkt einem Fremdvergleich nicht stand hält – entscheidende Rolle zukommt (BFG 09.05.2014, RV/7100622/2009).

Ist im Einzelfall eine verdeckte Gewinnausschüttung anzunehmen, bedeutet dies für den begünstigten Gesellschafter, für die Berichtigung der Kapitalertragsteuer zu haften (§ 95 EStG).

Zum Gebot der Kapitalerhaltung

Wesentlicher Ausfluss des Gebots der Kapitalerhaltung ist es, dass die Gesellschafter einer GmbH ihre Stammeinlage nicht zurückfordern können und, solange die Gesellschaft besteht, nur Anspruch auf den sich nach dem Jahresabschluss als Überschuss der Aktiva über die Passiva ergebenden Bilanzgewinn haben, soweit dieser nicht aus dem Gesellschaftsvertrag oder durch einen Beschluss der Gesellschafter von der Verteilung ausgeschlossen ist (§ 82 Abs 1 GmbHG).

Verboten sind sowohl offene, dem vorgenannten Grundsatz widersprechende Leistungen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter, etwa ein gewinnunabhängiges Entnahmerecht der Gesellschafter (OGH 25.10.1978, 1 Ob 719/78) oder Vorauszahlungen an Gesellschafter auf zukünftige Gewinnansprüche (Thiery, ecolex 1992, 631), als auch jede verdeckte Einlagenrückgewähr, sohin jeder Vermögenstransfer von der Gesellschaft zum Gesellschafter in Vertragsform oder auf andere Weise, der den Gesellschafter aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses zulasten des gemeinsamen Sondervermögens bevorzugt (Koppensteiner/Rüffler, aaO). Mit anderen Worten sollen die Kapitalerhaltungsvorschriften nach ihrem Sinn und Zweck jede unmittelbare oder mittelbare Leistung an einen Gesellschafter erfassen, der keine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht und die wirtschaftlich das Gesellschaftsvermögen verringert, unabhängig davon, ob diese Vermögensverschiebung bilanziell berücksichtigt wird (RIS-Justiz RS0105532). Zweck dieser Regelung ist es, das Stammkapital der GmbH als dauernden Grundstock der Gesellschaft und als einziges dem Zugriff der Gläubiger freigegebenes Befriedigungsobjekt gegen Schmälerung durch Leistung an die Gesellschafter abzusichern (RIS-Justiz RS0105518).

Wenngleich die Begriffe der verbotenen Einlagenrückgewähr und der verdeckten Gewinnausschüttung unterschiedliche Regelungsmaterien betreffen und einander nicht völlig entsprechen, und im Einzelfall die Prüfung eines Sachverhalts sogar bei steuerlicher und gesellschaftsrechtlicher Betrachtung zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann, weisen sie doch evidente Parallelen und Überschneidungen auf. Hiervon ausgehend stellen sich die in der Beraterpraxis mitunter anzutreffenden, negativen Gesellschafterverrechnungskonten als kapitalerhaltungsrechtlich höchst problematisch dar, liegt derartigen Darlehensgewährungen doch regelmäßig keine klare vertragliche Grundlage zugrunde und ist auch eine marktübliche Verzinsung negativer Saldi eher der Ausnahmefall, sodass von einer Fremdüblichkeit kaum ausgegangen werden kann.

Bei der Einführung von Gesellschafter-Verrechnungskonten zu empfehlen sind umgekehrt:

  • die Überprüfung der hinreichenden Kreditwürdigkeit des begünstigten Gesellschafters, deren Ausfluss die Notwendigkeit der Bestellung von Sicherheiten durch dritte Personen sein kann;
  • eine klare, schriftliche Vertragsgrundlage, wobei die Schriftform bei Ein-Mann-GmbHs zwingend einzuhalten ist;
  • die Vereinbarung einer marktüblichen Verzinsung im Fall eines negativen Kontostands sowie von klar bestimmten Rückzahlungsmodalitäten;
  • die Prüfung eines ernstlichen Rückzahlungswillens des begünstigten Gesellschafters und korrespondierend die ernstliche Durchsetzung des Rückzahlungsanspruchs durch die Gesellschaft;
  • die Vermeidung der Übernahme existenzbedrohender Risken durch die Gesellschaft.

Über die Autoren

Dr. Stefan Schermaier ist Rechtsanwalt und Partner, Mag. Dorian Schmelz ist Rechtsanwalt bei TONNINGER | SCHERMAIER | MAIERHOFER & Partner Rechtsanwälte (http://www.tsm-law.at). Schwerpunkttätigkeiten der Autoren sind Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, M & A, Schadenersatz- und Gewährleistungsrecht sowie Vertragsrecht.

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