24.08.2020 | Gesellschaftsrecht | ID: 1071560

Zum Rechtsmissbrauch beim Gesellschafterausschluss (GesAusG)

Eva-Maria Hintringer

Ein Gesellschafterausschlussbeschluss kann lediglich in Ausnahmefällen wegen Rechtsmissbrauchs angefochten werden, weil das GesAusG die Interessenabwägung zwischen dem Hauptgesellschafter und den Minderheitsaktionären bereits berücksichtigt.

Geschäftszahl

OGH 23.04.2020, 6 Ob 56/20h

Norm

§§ 1 ff GesAusG

Leitsatz

Quintessenz:

Ein Gesellschafterausschlussbeschluss kann lediglich in Ausnahmefällen wegen Rechtsmissbrauchs angefochten werden, weil das GesAusG die Interessenabwägung zwischen dem Hauptgesellschafter und den Minderheitsaktionären bereits berücksichtigt. Rechtsmissbrauch kann lediglich dann geltend gemacht werden, wenn die Voraussetzungen für den Gesellschafterausschluss ausschließlich mit dem Ziel seiner Durchführung herbeigeführt wurden und nach dem Ausschluss wieder rückgängig gemacht werden sollen.

OGH: Der Gesetzgeber hat mit dem GesAusG die Interessenabwägung zwischen dem Hauptgesellschafter und den Minderheitsaktionären bereits vorgenommen, weswegen ein Gesellschafterausschlussbeschluss nicht an den Kriterien des Rechtsmissbrauchs oder der Treuwidrigkeit zu prüfen ist. Andernfalls würde die gesetzliche Grundentscheidung der Zulässigkeit des Gesellschafterausschlusses konterkariert werden. Die Anfechtung eines Ausschlussbeschlusses wegen Rechtsmissbrauchs bzw Treuwidrigkeit wäre nach hM nur dann möglich, wenn gerade die Voraussetzungen für den Gesellschafterausschluss rechtsmissbräuchlich herbeigeführt wurden.

Von einer rechtsmissbräuchlichen, unzulässigen Gestaltung darf nur dann ausgegangen werden, wenn die Voraussetzungen ausschließlich mit dem Ziel der Durchführung des Gesellschafterausschlusses herbeigeführt wurden und bereits zu Beginn klar ist, dass diese nach dem Beschluss über den Gesellschafterausschluss wieder rückgängig gemacht werden sollen.

Erreicht der Hauptaktionär die Beteiligungsschwelle etwa durch den Rückerwerb eigener Aktien, ist die daran anschließende Geltendmachung des Ausschlussrechts grundsätzlich zulässig. Unzulässig wäre diese Vorgehensweise nur dann, wenn der Hauptaktionär die von ihm beherrschte Gesellschaft veranlasst, eigene Aktien entgegen den gesetzlichen Vorschriften – insbesondere unter Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot – zu erwerben, um damit die Beteiligungsschwelle zu erreichen. In einem solchen Fall kann der Ausschlussbeschluss angefochten werden.

Nach stRsp liegt Rechtsmissbrauch dann vor, wenn unlautere Motive der Rechtsausübung augenscheinlich im Vordergrund stehen und daher andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten, beziehungsweise wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen Teils ein krasses Missverhältnis besteht. Die Beweislast trifft dabei denjenigen, der sich auf Rechtsmissbrauch beruft, wobei selbst relativ geringe Zweifel am Rechtsmissbrauch zugunsten des Rechtsausübenden den Ausschlag geben, weil demjenigen, der an sich ein Recht hat, grundsätzlich zugestanden werden soll, dass er innerhalb der Schranken dieses Rechts handelt.

Im Anlassfall war es beim Erwerb der eigenen Aktien nie ein Motiv oder Ziel der beklagten Aktiengesellschaft, nur die Voraussetzungen für die Durchführung eines Gesellschafterausschlusses zu schaffen. Der Erwerb der eigenen Aktien wurde von der Hauptversammlung nicht auf bestimmte Zwecke eingeschränkt, verfolgte aber faktisch vor allem das – nach wie vor aufrechte – Ziel, die eigenen Aktien als Transaktionswährung bei Übernahmen einsetzen zu können. Selbst ein sorgfaltswidriges Unterlassen des Verkaufs der eigenen Aktien durch den Vorstand könnte diesen allenfalls schadenersatzpflichtig machen; nicht jedes sorgfaltswidrige Vorgehen ist aber zugleich schon rechtsmissbräuchlich.

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