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WEKA (ffa) | News | 20.12.2016

Zur Rechtsmissbräuchlichkeit einer Klage in Zusammenhang mit der Treuepflicht

Rechtsmissbräuchlich können Klagen nur dann sein, wenn sie sich auf keinen berechtigten Anspruch beziehen oder nur erhoben werden, um einen gewissen „Lästigkeitswert“ zu erzielen, der abgelöst werden kann.

Geschäftszahl

OGH 24. Oktober 2016, 6 Ob 169/16w

Norm

§§ 6, 7 ABGB; §§ 104 Abs 2 Z 2 und Abs 4, 195 Abs 1, 196 Abs 1 AktG

Leitsatz

Quintessenz:

Rechtsmissbräuchlich können Klagen nur dann sein, wenn sie sich auf keinen berechtigten Anspruch beziehen oder nur erhoben werden, um einen gewissen „Lästigkeitswert“ zu erzielen, der abgelöst werden kann. Ein berechtigter Anspruch, wie die Klage auf Feststellung des Beschlusses der Vollausschüttung des gesamten ausgewiesenen Bilanzgewinns durch einen Aktionär, kann hingegen auch dann nicht rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Gewinnanteil des Klägers lediglich EUR 7,42 beträgt.

OGH: Die ordentliche Hauptversammlung kann den Bilanzgewinn gem § 104 Abs 4 AktG „…ganz oder teilweise von der Verteilung ausschließen, soweit sie aufgrund der Satzung hiezu ermächtigt ist.“. Diese Regelung verlangt eine ausdrückliche Ermächtigung der Hauptversammlung in der Satzung, die mit den objektiven Auslegungsgrundsätzen nach §§ 6 und 7 ABGB vereinbar ist.

Die folgende Wortfolge reicht als solche Grundlage nicht aus:

Die Hauptversammlung beschließt alljährlich in den ersten acht Monaten des Geschäftsjahres über die Verwendung des Bilanzgewinns wenn im Jahresabschluss ein solcher ausgewiesen ist, die Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrates, die Wahl [...].

Vielmehr wiederholt diese bloß die schon gesetzlich vorgeschriebene Kompetenzverteilung. Auch das Argument, die AG habe es schon immer so gehandhabt, dass die Hauptversammlung den Bilanzgewinn ausschließen konnte, kann die Ermächtigung in der Satzung nicht ersetzen. 

Gem § 196 Abs 1 Z 1 AktG kann jeder Aktionär, der Widerspruch zur Niederschrift zu einem Beschluss der Hauptversammlung erklärt hat, diesen anfechten. Wie hoch seine Anteile sind, ist dafür nicht von Relevanz. Dementsprechend kann nicht schon der Fakt, dass ein Aktionär wenige Aktien besitzt, darauf hindeuten, dass seine Anfechtung rechtsmissbräuchlich wäre. Rechtsmissbrauch kann nur dann angenommen werden, wenn eine Klage von keinem berechtigten Anspruch getragen ist oder der Aktionär bloß den sog Lästigkeitswert seiner Klage ablösen lassen möchte. Ersteres trifft nicht zu, da der Anspruch des Aktionärs auf § 196 Abs 1 Z 1 AktG gestützt ist und auch für Zweiteres gab es im konkreten Fall keine Hinweise.

Auch eine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht hindert den Aktionär hier nicht an einer Klage, da die Existenz der Gesellschaft nicht bedroht ist und dementsprechend nicht auf das Argument der Pflicht von Gesellschaftern zur Überlebensfähigkeit der Gesellschaft für die Thesaurierung von Gewinnen zu stimmen, eingegangen werden muss.

Wie schon zur Einschränkung von Gesellschafterrechten in Zusammenhang mit einer GmbH judiziert wurde, sind solche aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht nur unter ganz besonderen Umständen anzunehmen. Das Ausschüttungsinteresse des Aktionärs kann jedenfalls nicht dem Gesellschafterinteresse untergeordnet werden.

Die Klage des Aktionärs gem § 196 Abs 1 Z 1 AktG war somit zulässig und gem § 104 Abs 4 AktG auch berechtigt.

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