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Dokument-ID: 488779

Lukas Schenk - Florian Linder | News | 09.11.2012

Zur Reichweite eines Aufgriffsrechts bei exekutiver Verwertung eines gepfändeten GmbH-Geschäftsanteils

Die Gastautoren Dr. Lukas Schenk (Foto) und Dr. Florian Linder beantworten in ihrem Beitrag ausführlich anhand jüngster OGH-Judikatur Fragen zum Aufgriffsrecht in einer GmbH und geben Vorschläge für die Gestaltung des Gesellschaftsvertrages.

In der Entscheidung vom 22.02.2012, 3 Ob 223/11g hat sich der OGH mit der exekutiven Verwertung eines GmbH-Geschäftsanteils auseinandergesetzt. Dabei war die Frage zu beurteilen, ob ein im Gesellschaftsvertrag verankertes Aufgriffsrecht zu berücksichtigen ist. Im konkreten Fall konnte sich ein Mitgesellschafter im Ergebnis nicht erfolgreich auf das Aufgriffsrecht stützen. Ausgehend von dieser Entscheidung stellt sich die Frage, wie im Gesellschaftsvertrag effektiv für den Fall der exekutiven Verwertung eines Geschäftsanteils vorgesorgt werden kann.

Im vom OGH entschiedenen Sachverhalt war im Gesellschaftsvertrag ein Aufgriffsrecht vorgesehen. Im Fall der Veräußerung oder sonstigen Übertragung eines Geschäftsanteils waren die übrigen Gesellschafter berechtigt, den Geschäftsanteil im Verhältnis ihrer Stammeinlagen aufzugreifen. Das Aufgriffsrecht sollte gemäß der gesellschaftsvertraglichen Regelung auch „im Falle einer exekutiven Verwertung eines Geschäftsanteils“ gelten.

Eine Vinkulierung iSd § 76 Abs 2 GmbH, wonach die Übertragung von Geschäftsanteilen von der Zustimmung der Gesellschaft abhängig gemacht wird, war im Gesellschaftsvertrag hingegen nicht vorgesehen.

In der Folge erwirkte ein Gläubiger eines Gesellschafters aufgrund eines rechtskräftigen Versäumungsurteils eine Bewilligung zur exekutiven Verwertung des Geschäftsanteils dieses Gesellschafters.

Ein Mitgesellschafter stellte beim Exekutionsgericht unter Berufung auf sein Aufgriffsrecht den Antrag, den gepfändeten Geschäftsanteil gegen Bezahlung des Schätzwerts zu übernehmen.

Der Antrag wurde – letztlich vom OGH bestätigt – zurückgewiesen. Der OGH trifft in seiner Begründung eine Unterscheidung zwischen den gesellschaftsvertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten Vinkulierung, Vorkaufsrecht und Aufgriffsrecht.

Bei der Vinkulierung iSd § 76 Abs 2 GmbHG bedarf die Übertragung eines Geschäftsanteils der Zustimmung der Gesellschaft. Die Gesellschaft – und nicht einzelne Gesellschafter – haben somit ein Zustimmungsrecht. Nur für diesen Fall sieht § 76 Abs 4 GmbHG eine Sonderregelung vor, wenn auf den Geschäftsanteil eines Gesellschafters Exekution geführt wird. Vereinfacht gesagt, wird die Gesellschaft von der beabsichtigten exekutiven Verwertung verständigt und hat binnen 14 Tagen das Recht, einen Erwerber namhaft zu machen, der den Geschäftsanteil gegen Bezahlung eines den Schätzwert (Übernahmspreis) erreichenden Kaufpreises übernimmt. Wird kein Käufer namhaft gemacht, kann der Geschäftsanteil ohne Zustimmung der Gesellschaft exekutiv verwertet werden.

Bei einem Vorkaufsrecht hat der Vorkaufsberechtigte gemäß § 1072 ABGB bloß das Recht, den vom verkaufswilligen Gesellschafter angebotenen Geschäftsanteil zu dem Preis zu erwerben, den ein gesellschaftsfremder Dritter zahlen würde. Das Vorkaufsrecht setzt somit ein konkretes Geschäft voraus. Nach wohl zutreffender Ansicht des OGH hat der Vorkaufsberechtigte kein Recht, den Geschäftsanteil im Zuge der exekutiven Verwertung zum Schätzpreis zu erwerben. Die Regelung des § 76 Abs 4 GmbHG ist nicht analog anzuwenden.

Ein Aufgriffsrecht ermöglicht hingegen, die Kontrolle über den künftigen Gesellschafterbestand zu sichern, indem der Verkauf an gesellschaftsfremde Personen erschwert wird, was mit der Angebotsverpflichtung zu einem vorbestimmten Preis an den Mitgesellschafter sichergestellt ist.

Der OGH geht nun davon aus, dass ein Aufgriffsrecht nicht einem satzungsmäßigen Zustimmungsrecht iS einer Vinkulierung gleichzuhalten ist. Mit dem Aufgriffsrecht kann nämlich – im Gegensatz zur Vinkulierung – nicht der Verkauf des Geschäftsanteils verhindert werden, ohne dass vom Berechtigten Geld in die Hand genommen werden müsste. Der OGH verneint daher eine analoge Anwendung des § 76 Abs 4 GmbHG auf den Fall eines satzungsmäßigen Aufgriffsrechts. In diesem Fall hat das Exekutionsgericht daher nicht die Gesellschaft von der beabsichtigten Verwertung zu verständigen und es besteht kein Recht des aufgriffsberechtigten Gesellschafters, den Geschäftsanteil zum Schätzpreis zu übernehmen. Der OGH lehnt damit entgegenstehende Lehrmeinungen ab (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 76 Rz 32; vgl Hager-Rosenkranz, wbl 20006, 256). Im konkreten Fall war die Frist zur Ausübung des Aufgriffsrechts zudem bereits abgelaufen.

Aus der Entscheidung des OGH folgt allerdings nicht, dass das Aufgriffsrecht im Exekutionsfall überhaupt nicht eingreifen kann. Es obliegt vielmehr dem aufgriffsberechtigten Gesellschafter, selbst dafür Sorge zu tragen, dass er sein Recht entsprechend den gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen, insbesondere innerhalb der vorgesehenen Frist, geltend macht. In der Praxis kann freilich problematisch sein, wie und wann der aufgriffsberechtigte Gesellschafter vom Aufgriffsfall Kenntnis erlangt.

Um solche Zweifelsfragen zu vermeiden, ist zu empfehlen, im Gesellschaftsvertrag ausreichende Vorkehrungen für den Fall der exekutiven Verwertung eines Geschäftsanteils zu treffen. Soll ein Aufgriffsrecht auch für den Fall der Exekution eingreifen, ist zu empfehlen, den Aufgriffsfall präzise zu definieren und Vorkehrungen dafür zu treffen, dass das Aufgriffsrecht auch effektiv ausgeübt werden kann. Insbesondere sollte klar der Beginn des Fristenlaufes für die Geltendmachung des Aufgriffsrechts geregelt werden. Fraglich ist, ob für diesen Fall auch eine entsprechend längere Ausübungsfrist vereinbart werden kann. In der Lehre wird vertreten, dass im Fall der exekutiven Verwertung zwingend eine Frist von 14 Tagen für die Ausübung des Aufgriffsrechts einzuhalten ist (Frauenberger, GesRz 2009, 179; Frauenberger, GesRz 2012, 308). Der OGH hat diese Frage offen gelassen.

Eine andere Möglichkeit wäre es, im Gesellschaftsvertrag eine Vinkulierung iSd § 76 Abs 2 GmbH zu vereinbaren. In diesem Fall greift jedenfalls das Recht der Gesellschaft gemäß § 76 Abs 4 GmbHG, im Exekutionsfall einen oder mehrere Erwerber namhaft zu machen. Darüber hinaus könnte im Gesellschaftsvertrag für den Exekutionsfall geregelt werden, dass die übrigen Gesellschafter von der Gesellschaft als Erwerber iSd § 76 Abs 4 GmbHG namhaft zu machen sind und in welchem Verhältnis diese jeweils die Übertragung des gepfändeten Geschäftsanteils verlangen können. Im Ergebnis kann auch auf diese Weise erreicht werden, dass die Gesellschafter „unter sich“ bleiben, sofern sie zur Übernahme des gepfändeten Geschäftsanteils gegen Bezahlung des Schätzpreises bereit sind. Der Vorteil dieser Variante ist, dass die Gesellschaft jedenfalls vom Exekutionsgericht von der Exekutionsbewilligung zu verständigen ist und so die Gesellschafter idR rechtzeitig von der Pfändung des Geschäftsanteils Kenntnis erlangen können.

Autoren

Dr. Lukas Schenk:

Dr. Lukas Schenk ist Partner bei Viehböck Breiter Schenk & Nau Rechtsanwälte, Wien/Mödling. Er war als Universitätsassistent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien sowie bei der Europäischen Kommission in Brüssel tätig. Dr. Lukas Schenk ist ständiger Vortragender an der Akademie der Wirtschaftstreuhänder. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Unternehmenstransaktionen, Gesellschaftsrecht und Gesellschafterausschluss, Umstrukturierungen, Vergabe- sowie Arbeitsrecht.

Lukas.schenk@vbsn.at

MMag. Dr. Florian Linder:

MMag. Dr. Florian Linder ist Rechtsanwalt bei Viehböck Breiter Schenk & Nau Rechtsanwälte, Wien/Mödling. Er ist als Lektor an der Wirtschaftsuniversität Wien tätig sowie ständiges Redaktionsmitglied der Zeitschrift für Finanzmarktrecht. Dr. Florian Linder war Universitätsassistent am Institut für Zivil- und Unternehmensrecht der Wirtschaftsuniversität Wien. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Unternehmensrecht, Kapitalmarktrecht, Insolvenzrecht, allgemeines Zivil- und Vertragsrecht sowie Litigation.

Florian.linder@vbsn.at