Dokument-ID: 899950

Vorschrift

Umgründungssteuerrichtlinien 2002

Inhaltsverzeichnis

1.1.4.3.2. Ratenzahlungskonzept ab 1.1.2016

44a
Für Verschmelzungen, die nach dem 31.12.2015 beschlossen oder vertraglich unterfertigt werden, gilt:

Insoweit es aufgrund einer Einschränkung des Besteuerungsrechts der Republik Österreich zu einer Liquidationsbesteuerung nach § 20 KStG 1988 kommt, kann die übertragende Körperschaft aufgrund von § 1 Abs. 2 UmgrStG idF AbgÄG 2015 bei Verschmelzung auf eine übernehmende

  • in der Anlage zum UmgrStG genannten Gesellschaft oder
  • eine den Kapitalgesellschaften vergleichbare Gesellschaft eines Mitgliedstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes (Norwegen, Liechtenstein und Island),

die den Ort der Geschäftsleitung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums haben, zwischen der sofortigen Entrichtung der festgesetzten Steuerschuld und der Entrichtung der festgesetzten Steuerschuld in Raten (Ratenzahlungskonzept durch die sinngemäße Anwendung des § 6 Z 6 lit. d bis e EStG 1988) wählen. Dies gilt sinngemäß für Einschränkungen des Besteuerungsrechtes gemäß § 1 Abs. 2 UmgrStG bei Auslandsverschmelzungen mit Inlandsbezug.

Ist die übertragende Körperschaft zum Zeitpunkt der Abgabe der Körperschaftsteuererklärung bereits erloschen, hat die übernehmende Körperschaft die Körperschaftsteuererklärung als Gesamtrechtsnachfolger der übertragenden Körperschaft abzugeben und darin den Antrag auf Ratenzahlung zu stellen. Wird die Verschmelzung erst nach einer bereits abgegebenen Körperschaftsteuererklärung wirksam, hat eine Korrektur dieser Erklärung (Antragstellung auf Ratenzahlung) zu erfolgen (für bis zum 31.12.2015 beschlossene oder unterfertigte Umgründungen gilt dies auch hinsichtlich des Nichtfestsetzungsantrages, siehe dazu Rz 44b).

Das Ratenzahlungskonzept wurde im Zuge der grundlegenden Neuregelung der Entstrickungsbesteuerung mit dem AbgÄG 2015, BGBl. I Nr. 163/2015, in § 6 Z 6 EStG 1988 eingeführt und ersetzt im betrieblichen Bereich das bisherige Nichtfestsetzungskonzept im Verhältnis zu EU/EWR-Staaten. Die Neuregelung geht auf die jüngeren Entwicklungen der EuGH-Rechtsprechung zurück (EuGH 23.1.2014, Rs C-164/12, DMC und EuGH 21.5.2015, Rs C-657/13, Verder LabTec).

Das Ratenzahlungskonzept ersetzt daher in sämtlichen Artikeln des UmgrStG das Nichtfestsetzungskonzept für Umgründungen, die nach dem 31.12.2015 beschlossen oder vertraglich unterfertigt werden. Lediglich der für Kapitalanteilseinbringungen geltende Anteilstausch des § 16 Abs. 1a UmgrStG, bei dem die Steuerschuld nicht entsteht (Rz 860h) bzw. aufgrund von § 17 Abs. 1a UmgrStG nicht festgesetzt wird (Rz 860b), sieht aufgrund der Fusionsrichtlinie ein Sonderregime vor. Für Zwecke der Ratenzahlung verweist das UmgrStG auf § 6 Z 6 EStG 1988, soweit es nach den jeweiligen Bestimmungen des UmgrStG zu einer umgründungsbedingten Einschränkung des Besteuerungsrechtes kommt. Dabei sind insbesondere die folgenden in § 6 Z 6 EStG 1988 geregelten Bestimmungen zur Ratenzahlung sinngemäß anzuwenden:

  • Im Verhältnis zu EU/EWR-Staaten kann die Steuerschuld auf Antrag in Raten entrichtet werden (§ 6 Z 6 lit. c EStG 1988):
  • Bei Umgründungen mit Stichtag nach dem 31.12.2018 kann die Steuerschuld für das Anlagevermögen nach § 6 Z 6 lit. d EStG 1988 idF JStG 2018 auf fünf Jahre verteilt entrichtet werden.
  • Bei Umgründungen mit Stichtag bis zum 31.12.2018 kann die Steuerschuld für das Anlagevermögen nach § 6 Z 6 lit. d EStG 1988 idF AbgÄG 2015 auf sieben Jahre verteilt entrichtet werden. Diese auf § 6 Z 6 EStG 1988 idF vor JStG 2018 basierenden Ratenzahlungen laufen unverändert weiter (Fälligkeitstermin der weiteren Raten jeweils zum 30. September der Folgejahre).
  • Für das Umlaufvermögen kann eine auf zwei Jahre (§ 6 Z 6 lit. e EStG 1988) verteilte Entrichtung der Abgabenschuld zur Anwendung kommen.

Beispiel:

Die inländische A-AG (Holding) hält eine 60-prozentige Beteiligung an der ebenfalls inländischen T-GmbH. Im Zuge einer Exportverschmelzung der A-AG auf die deutsche Kapitalgesellschaft X-AG zum 31.12.19 geht auch die Beteiligung an der T-GmbH über. Der Buchwert der Beteiligung an der T-GmbH zum 31.12.19 beträgt 4.000, der gemeine Wert 5.400.

Verschmelzungsbedingt kommt es zu einer Einschränkung des Besteuerungsrechtes Österreichs hinsichtlich der Anteile an der inländischen T-GmbH. Da die übernehmende X-AG eine in der Anlage zum UmgrStG genannte Gesellschaft eines EU-Staates ist (§ 1 Abs. 2 erster Teilstrich UmgrStG), stellt die A-AG gemäß § 1 Abs. 2 zweiter Satz UmgrStG in ihrer Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 19 einen Antrag auf Ratenzahlung der auf die stillen Reserven des Anteils (1.400) entfallenden Steuerschuld (* 0,25 = 350). Dabei ist gemäß § 1 Abs. 2 UmgrStG die Entstrickungsbestimmung des § 6 Z 6 lit. d bis e EStG 1988 sinngemäß anzuwenden, weshalb die Steuerschuld in fünf Jahresraten zu entrichten ist (je 70).

Im Hinblick auf das Ausscheiden des Vereinigten Königreiches aus der EU („Brexit“) ist zu beachten: Der Austritt des Vereinigten Königreiches aus der EU erfolgte mit Ablauf des 31.1.2020. Nahtlos daran anschließend begann eine einjährige Übergangsfrist (bis 31.12.2020), innerhalb der das Vereinigte Königreich in jeglicher Hinsicht – und somit auch für ertragsteuerliche Zwecke – nach wie vor wie ein Mitgliedstaat zu behandeln war (vgl. Art. 127 des Austrittsabkommens). Umgründungen, die nach dem Ablauf dieser Übergangsfrist (also nach dem 31.12.2020) beschlossen oder vertraglich unterfertigt werden, führen im Falle der Einschränkung des Besteuerungsrechtes zur sofortigen Aufdeckung stiller Reserven, ohne dass die Möglichkeit auf Ratenzahlung gemäß § 6 Z 6 EStG 1988 oder auf Nichtfestsetzung gemäß § 17 Abs. 1a UmgrStG besteht. Wurde für Umgründungen, die bereits vor oder noch während dieser Übergangsfrist beschlossen oder vertraglich unterfertigt wurden (also bis einschließlich 31.12.2020), ein Antrag auf Ratenzahlung oder Nichtfestsetzung (einschließlich solcher nach der Rechtslage idF vor AbgÄG 2015) gestellt, bleiben diese Anträge auch nach dem Auslaufen der Übergangsfrist aufrecht. Dh. das Auslaufen der Übergangsfrist bewirkt keine sofortige Fälligstellung noch offener Raten bzw. keine Festsetzung der Steuerschuld.

  • Werden einzelne Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, Betriebe oder Betriebsstätten vor Ablauf von fünf (bzw. sieben) Jahren
    • veräußert,
    • scheiden sie auf sonstige Weise aus oder werden sie
    • in einen „nicht begünstigten“ Staat (dh. außerhalb des EU/EWR-Raumes) überführt,
      sind noch offene Raten insoweit vorzeitig fällig zu stellen, wobei den Steuerpflichtigen oder dessen Rechtsnachfolger eine Anzeigepflicht über den Eintritt eines dieser Umstände trifft (§ 6 Z 6 lit. d EStG 1988). Für Umgründungen mit einem Stichtag nach dem 31.12.2018 führen zudem folgende Umstände zu einer vorzeitigen Fälligstellung der offenen Raten (§ 6 Z 6 lit. d EStG 1988 idF JStG 2018):
  • Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung der die Raten schuldenden Körperschaft in einen Staat außerhalb des EU/EWR-Raumes,
  • Anmeldung der Insolvenz des die Raten schuldenden Steuerpflichtigen oder dessen Abwicklung,
  • die Nichtentrichtung einer Rate binnen zwölf Monaten ab Eintritt der Fälligkeit oder die Entrichtung in zu geringer Höhe.

Hinsichtlich des Umlaufvermögens kommt es bei Veräußerung vor Ablauf von zwei Jahren nicht zu einer vorzeitigen Fälligstellung noch offener Raten.

Die in § 6 Z 6 lit. d EStG 1988 idF JStG 2018 genannten Umstände sind auch für eine vorzeitige Fälligstellung noch offener Raten im UmgrStG maßgeblich; lediglich im Falle der Einschränkung des Besteuerungsrechts aufgrund einer Einbringung nach Art. III UmgrStG unter Anwendung des Ratenzahlungskonzepts sind neben den in § 6 Z 6 lit. d EStG 1988 genannten Umständen die Sonderregelungen über eine vorzeitige Fälligstellung noch offener Raten gemäß § 16 Abs. 1 dritter und fünfter Satz UmgrStG zu beachten (siehe dazu Rz 860g).

Beispiel Fortsetzung Variante 1:

Wird die Beteiligung an der T-GmbH von der übernehmenden deutschen X-AG als Gesamtrechtsnachfolgerin der A-AG später veräußert, sind sämtliche noch offene Ratenzahlungen hinsichtlich der übertragenen Beteiligung bei der X-AG vorzeitig fällig zu stellen.

Im Falle einer bloß anteiligen Veräußerung der Beteiligung an der T-GmbH kommt es nur insoweit zu einer Fälligstellung, als die noch offenen Raten auf die veräußerten Beteiligungsquoten entfallen (anteilige Fälligstellung).

Neben der (teilweisen) Veräußerung des übertragenen Vermögens durch die übernehmende Körperschaft können insbesondere Folgeumgründungen – als sonstiges Ausscheiden – zu einer vorzeitigen Fälligstellung noch offener Raten führen.

Beispiel Fortsetzung Variante 2:

Wird die deutsche X-AG als Gesamtrechtsnachfolgerin der A-AG später auf die in einem Drittstaat ansässig X-Corp verschmolzen (grenzüberschreitende Auslandsverschmelzung), sind sämtliche noch offene Ratenzahlungen hinsichtlich der übertragenen Beteiligung bei der X-AG vorzeitig fällig zu stellen.

Scheidet ein verschmelzungsbedingt unter Anwendung des Ratenzahlungskonzepts übernommenes Vermögen aus der übernehmenden ausländischen Körperschaft auf Grund einer Folgeumgründung nach ausländischem Abgabenrecht ohne Gewinnverwirklichung aus, gehen noch offene Ratenzahlungen auf den Rechtsnachfolger dieser Folgeumgründung über, sofern es sich bei diesem um eine in der Anlage zum UmgrStG genannte EU-Gesellschaft oder eine vergleichbare Gesellschaft eines EWR-Staates (Norwegen, Liechtenstein und Island) handelt.

Beispiel Fortsetzung Variante 3:

Bringt die übernehmende deutsche X-AG den Anteil an der T-AG später nach ausländischem Umgründungssteuerrecht zu Buchwerten in eine im selben Staat ansässige Kapitalgesellschaft ein, liegt kein Umstand vor, der zu einer vorzeitigen Fälligstellung noch offener Raten bei der X-AG führt.

Wird eine inländische Körperschaft, die eine optierte internationale Schachtelbeteiligung hält, exportverschmolzen und ist die Beteiligung nach der Verschmelzung auch keiner inländischen Betriebsstätte zuzurechnen, geht das Besteuerungsrecht Österreichs hinsichtlich der stillen Reserven in der internationalen Schachtelbeteiligung verloren. Im Falle der Einschränkung des Besteuerungsrechtes gegenüber einem EU/EWR-Staat kann ein Antrag auf Ratenzahlung gestellt werden. Wird in weiterer Folge die Körperschaft, an der die übertragene internationale Schachtelbeteiligung bestand, up-stream auf die im Zuge der Erstverschmelzung übernehmende ausländische Körperschaft verschmolzen, liegt ein sonstiges Ausscheiden des vormals übertragenen Vermögens vor, das zur Fälligstellung noch offener Raten führt.

  • Im Ratenzahlungskonzept sind nach der Umgründung im Ausland eintretende Wertveränderungen des übertragenen Vermögens – anders als im Nichtfestsetzungskonzept (dazu Rz 44b) – unbeachtlich, weil bereits anlässlich der Einschränkung des Besteuerungsrechtes eine Realisierung der in der österreichischen Besteuerungshoheit entstandenen stillen Reserven und damit eine „Trennung“ der Besteuerungshoheiten erfolgt. Aus diesem Grund erfolgt auch ein späterer Reimport des Vermögens – wie bei jedem Vermögen, hinsichtlich dessen das Besteuerungsrecht der Republik Österreich entsteht – zum gemeinen Wert (§ 3 Abs. 1 Z 2 Teilstrich 1 UmgrStG, siehe Rz 160b und 160d). Tritt das betreffende Vermögen vor Ablauf von fünf (bzw. sieben) Jahren wieder in die österreichische Besteuerungshoheit ein, laufen noch offene Raten weiter, solange keine Gründe für eine vorzeitige Fälligstellung eintreten.