Dokument-ID: 899951

Vorschrift

Umgründungssteuerrichtlinien 2002

Inhaltsverzeichnis

1.1.4.3.3. Nichtfestsetzungskonzept bis 31.12.2015

44b
Für Umgründungen, die bis zum 31.12.2015 beschlossen oder vertraglich unterfertigt werden, gilt:

Insoweit es aufgrund einer Einschränkung des Besteuerungsrechtes der Republik Österreich zu einer Liquidationsbesteuerung kommt, kann die übertragende Körperschaft aufgrund von § 1 Abs. 2 UmgrStG idF vor AbgÄG 2015 in der Körperschaftsteuererklärung einen Antrag auf Nichtfestsetzung der Steuerschuld stellen.

Dabei wird zum Verschmelzungsstichtag die Körperschaftsteuerschuld der auf das in das Ausland transferierte Vermögen entfallenden stillen Reserven bescheidmäßig festgestellt, aber bis zur tatsächlichen Realisierung der stillen Reserven des Vermögens (Veräußerung, Liquidation, sonstiges Ausscheiden aus der Körperschaft) nicht festgesetzt; die tatsächliche Realisierung der Steuerschuld gilt als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO. Analog zu den Regelungen im EStG 1988 idF vor AbgÄG 2015 erstreckt sich die dabei einsetzende Besteuerung auf die bescheidmäßig festgestellten stillen Reserven, Werterhöhungen nach dem Verschmelzungsstichtag bleiben unberücksichtigt, Wertminderungen nach dem Verschmelzungsstichtag, berechnet nach inländischem Abgabenrecht, sind zu berücksichtigen, soweit sie nicht im anderen Staat berücksichtigt wurden (Verbot der Doppelberücksichtigung). Weiters erfolgt eine Berücksichtigung höchstens im Umfang der Bemessungsgrundlage zum Verschmelzungsstichtag, dh. die steuerliche Berücksichtigung eines aus der Wertminderung resultierenden Verlustes ist ausgeschlossen.

Die absolute Verjährungsfrist des § 209 Abs. 5 BAO für die nachträgliche Abgabenfestsetzung aufgrund eines Nichtfestsetzungsantrages beginnt mit Eintritt des rückwirkenden Ereignisses zu laufen. Zur Durchbrechung der absoluten Verjährungsfrist betreffend eine nach dem 31.12.2005 entstandene aber nicht festgesetzte Steuerschuld siehe Rz 44c.

Beispiel:

Die inländische A-AG (Holding) hält eine 60-prozentige Beteiligung an der ebenfalls inländischen T-GmbH. Im Zuge einer Exportverschmelzung auf die ausländische Kapitalgesellschaft X-AG zum 31.12.2008 geht auch die Beteiligung an der T-GmbH über.

Die A-AG hat in ihrer Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 08 einen Antrag auf Nichtfestsetzung gemäß § 1 Abs. 2 zweiter Satz UmgrStG gestellt. Der Buchwert der Beteiligung an der T-GmbH zum 31.12.08 hat 4.000 und der gemeine Wert hat 5.400 betragen. Aufgrund des gestellten Antrages auf Steueraufschub wird bescheidmäßig eine Körperschaftsteuerschuld iHv 350 (25 % von 1.400) festgestellt.

Jahr 09:

Die übernehmende X-AG wertet die Beteiligung an der T-GmbH (nach ausländischen Steuerrecht steuerneutral) zum 1.1.09 auf 5.400 auf (Variante: Die X-AG übernimmt den Buchwert der Beteiligung an der T-GmbH).

Im Jahr 09 hat die X-AG auf die Beteiligung an der T-GmbH eine Wertberichtigung (nach österr. Ertragsteuerrecht: Teilwertabschreibung) iHv 300 vorgenommen, die nach dem ausländischen Steuerrecht den Gewinn gemindert hat (keine Gewinnminderung in der Variante).

Jahr 10:

Die X-AG veräußert die Beteiligung an der T-GmbH im Jahr 10 um 4.200, wobei ein Veräußerungsverlust aus der Beteiligungsveräußerung nach ausländischem Steuerrecht den steuerlichen Gewinn mindert (Variante: Veräußerungsgewinn von 200).

(Grundsachverhalt):

Die Beteiligung an der T-GmbH hat nach der Verschmelzung insgesamt 1.200 an Wert verloren, wobei die X-AG diesen Wertverlust nach ausländischem Steuerrecht berücksichtigen konnte (300 aus der Wertberichtung im Jahr 09 und 900 als Veräußerungsverlust im Jahr 10). Es ist daher für das Jahr 08 eine Körperschaftsteuer auf Basis von 1.400 (300 aus der Wertberichtigung 09, 900 aus dem Veräußerungsverlust 10 und 200 aus der verbliebenen stillen Reserve) festzusetzen.

Der Bescheid ergeht an die X-AG als Gesamtrechtsnachfolgerin der A-AG im Rahmen der umfassenden Amts- und Rechtshilfe, wobei gemäß § 1 Abs. 2 fünfter Satz UmgrStG die verfahrensrechtliche Rechtsgrundlage § 295a BAO ist.

(Variante):

Der nach der Verschmelzung eingetretene Wertverlust der Beteiligung an der T-GmbH konnte von der X-AG nach ausländischem Steuerrecht nicht geltend gemacht werden, weil es zur Buchwertübernahme gekommen ist. Es ist daher für das Jahr 08 lediglich eine Körperschaftsteuer auf Basis von 200 (aus der verbliebenen stillen Reserve) festzusetzen.

Bei Verschmelzungen unter Anwendung des Nichtfestsetzungskonzeptes geht der Nichtfestsetzungsantrag im Fall einer Folgeumgründung auf den Rechtsnachfolger über und es kommt erst bei Realisierung durch den Rechtsnachfolger zu einer Festsetzung der Steuerschuld, sofern es sich bei diesem um eine in der Anlage zum UmgrStG genannte Gesellschaft oder eine vergleichbare Gesellschaft eines EWR-Staates mit umfassender Amts- und Vollstreckungshilfe (bis 31.12.2015 waren das Norwegen und Liechtenstein) handelt.

Fortsetzung des Beispiels:

Die übernehmende X-AG bringt die von ihr verschmelzungsbedingt übernommene Beteiligung an der T-GmbH zum 31.12.11 nach ausländischem Umgründungssteuerrecht zu Buchwerten in eine im selben Staat ansässige Kapitalgesellschaft ein. Die Steuerhängigkeit bleibt weiter bestehen und der Nichtfestsetzungsantrag weiterhin aufrecht, bis die übernehmende Gesellschaft die Beteiligung an der T-GmbH veräußert.

Zur Rückübertragung des Vermögens siehe Rz 160d. Zur Behandlung der Anteilsinhaber in Fällen der sofortigen oder aufgeschobenen Besteuerung siehe Rz 264.

Sollten Vermögensteile nach dem Verschmelzungsvertrag in das Ausland übertragen werden, liegt ein unter § 6 Z 6 EStG 1988 idF vor AbgÄG 2015 fallender, nicht von der Rückwirkungsfiktion betroffener Transfer vor.

Eine Ausnahme vom Nichtfestsetzungskonzept besteht für den Fall der verschmelzungsbedingten Übertragung von nicht entgeltlich erworbenen unkörperlichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (vgl. EStR 2000 Rz 2517m) auf eine Gesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 2 UmgrStG. Kommt es aufgrund der Verschmelzung bei der übernehmenden ausländischen Körperschaft nach ausländischem Steuerrecht zum Ansatz eines Aktivpostens für die genannten Wirtschaftsgüter, hat eine Besteuerung der bisher im Inland steuerwirksam geltend gemachten Aufwendungen zu erfolgen, wenn die übertragende Körperschaft den Betrag der Aufwendungen nachweist. Erfolgt kein Nachweis der Aufwendungen auf die verschmelzungsbedingt ins Ausland transferierten unkörperlichen Wirtschaftsgüter, sind 65 % des Fremdvergleichswertes festzusetzen (vgl. EStR 2000 Rz 2517n). In beiden Fällen ist allerdings höchstens der im Ausland angesetzte Aktivposten Basis für die Festsetzung.

Beispiel:

Die inländische X-GmbH ist auf dem Gebiet der Forschung tätig. Zum 31.12.08 wird die X-GmbH auf die Y-Ges. verschmolzen, die in einem EU-Mitgliedstaat ansässig ist, dessen Steuerrecht die Aktivierung der Forschungsaufwendungen vorsieht (das durch die Forschungstätigkeit geschaffene immaterielle Wirtschaftsgut verbleibt nicht im Inland).

Weist die X-GmbH die Höhe der Forschungsaufwendungen nicht nach, sind 65 % des Fremdvergleichswertes für die aktivierten Forschungsaufwendungen nachzuversteuern.

44c
Wurde aufgrund der ertragsteuerlichen Regelungen idF vor dem AbgÄG 2015 ein Antrag auf Nichtfestsetzung der Steuerschuld gestellt (siehe Rz 44b) und kam es mangels tatsächlicher Realisierung bis zum 31.12.2015 noch nicht zu einer Festsetzung der Steuerschuld, ist die Änderung des § 209 Abs. 5 BAO idF AbgÄG 2015 zu beachten:

Die absolute Verjährungsfrist von 10 Jahren wurde für sämtliche Nichtfestsetzungen durchbrochen, denen eine nach dem 31.12.2005 entstandene Steuerschuld zu Grunde liegt. Das sind jene Nichtfestsetzungsfälle, für die die absolute Verjährungsfrist mit 1.1.2016 (= Inkrafttreten § 209 Abs. 5 BAO idF AbgÄG 2015) noch nicht abgelaufen war. Das Recht auf Festsetzung verjährt gemäß § 209 Abs. 5 BAO idF AbgÄG 2015 erst 10 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem das rückwirkende Ereignis (zB Veräußerung) eintritt. Es kann daher im Falle einer nach dem 31.12.2005 entstandenen, aber nichtfestgesetzten Steuerschuld künftig noch zu einer Festsetzung kommen, auch wenn das rückwirkende Ereignis erst nach Ablauf der bisherigen absoluten Verjährungsfrist (10 Jahre ausgehend vom damaligen Entstrickungszeitpunkt) eintritt.

Allerdings besteht für auf der Rechtslage idF vor AbgÄG 2015 basierende Nichtfestsetzungen – losgelöst von der tatsächlichen Veräußerung oder vom sonstigen Ausscheiden des übertragenen Vermögens – die Möglichkeit, einen Antrag auf vorzeitige Festsetzung der Steuerschuld zu stellen; auch die vorzeitige Festsetzung stellt ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO dar (3. Teil Z 30 UmgrStG idF StRefG 2020). Die Möglichkeit, einen Antrag auf vorzeitige Festsetzung zu stellen, wurde jedoch mit dem AbgÄG 2022 (BGBl. I Nr. 108/2022) zur Vermeidung unerwünschter Gestaltungen abgeschafft, sodass derartige Anträge nur bis zum 19.7.2022 gestellt werden konnten (vgl. 3. Teil Z 30 UmgrStG idF AbgÄG 2022). Dasselbe gilt hinsichtlich einer nach dem 31.12.2019 im Rahmen eines Anteilstausches entstandenen, aufgrund von § 17 Abs. 1a UmgrStG nicht festgesetzten Steuerschuld (siehe dazu Rz 860gb).

Randzahlen 44d und 44e: entfallen