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Vorschrift

Umgründungssteuerrichtlinien 2002

Inhaltsverzeichnis

2.3.7. Ausschüttungsfiktion (Gewinnkapitalbesteuerung)

544
§ 9 Abs. 6 UmgrStG knüpft nicht mehr wie dessen Vorgängerbestimmung (siehe dazu Rz 544 idF des UmgrStR 2002-Wartungserlasses 2012 vom 13. Februar 2012, BMF-010201/0016-VI/6/2012, AÖF Nr. 74/2012) an den unternehmensrechtlich ausschüttungsfähigen Gewinn an, sondern orientiert sich am steuerlichen Gewinnkapital. Da dieses nach einer Umwandlung auf einkommensteuerpflichtige Rechtsnachfolger steuerneutral entnommen werden kann, wird der über die Jahre des Bestandes der Kapitalgesellschaft saldierte, bisher nur mit 25 % (ab 1.1.2023 mit 24 %; ab 1.1.2024 mit 23 %) besteuerte steuerliche Gewinn am Ende der Körperschaftsteuerpflicht der umgewandelten Kapitalgesellschaft dem Kapitalertragsteuerabzug unterzogen. Dies erfolgt durch die Fiktion der Ausschüttung des Gewinnkapitals anlässlich der Umwandlung und gewährleistet, dass vom Rechtsnachfolger grundsätzlich nur „vollständig“ besteuerte Gewinne der Kapitalgesellschaft entnommen werden können. Für körperschaftsteuerpflichtige Rechtsnachfolger unterbindet § 10 KStG 1988 eine Mehrfachbesteuerung.

545
Mit dem Tag der Anmeldung des Umwandlungsbeschlusses zur Eintragung in das Firmenbuch gilt das Gewinnkapital der übertragenden Körperschaft als offen an die Rechtsnachfolger ausgeschüttet. Gewinnkapital ist die Differenz zwischen dem Umwandlungskapital (Rz 546) im Sinne des § 8 Abs. 5 UmgrStG und den Einlagen im Sinne des § 4 Abs. 12 EStG 1988 (Rz 547). Der fiktive Ausschüttungsbetrag erhöht sich um den negativen steuerlichen Buchwert eines Vermögens, das im Zuge einer der Umwandlung vorgelagerten Umgründung übernommen wurde (Rz 548). Somit ergibt sich folgendes Berechnungsschema für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage des fiktiven Ausschüttungsbetrages:

 

Umwandlungskapital (Rz 546)

Einlagen iSd § 4 Abs. 12 EStG 1988 (Rz 547)

=

Gewinnkapital

+

Negativer steuerlicher Buchwert aus Vorumgründungen (Rz 548)

=

Fiktiver Ausschüttungsbetrag

546
Ausgangsgröße für die Berechnung des Gewinnkapitals ist das in der Umwandlungsbilanz zum Umwandlungsstichtag ausgewiesene steuerliche Eigenkapital (Umwandlungskapital) der Körperschaft. Die Umwandlungsbilanz enthält die steuerlichen Werte nach § 8 Abs. 1 UmgrStG (Buchwerte) bzw. nach § 8 Abs. 2 UmgrStG (Teilwerte) der Wirtschaftsgüter aufgrund rückwirkender Maßnahmen iSd § 8 Abs. 4 UmgrStG (Rz 477 ff).

Permanente Differenzen zwischen dem unternehmensrechtlichen und dem steuerlichen Ergebnis führen zu keiner Veränderung des Umwandlungskapitals. Daher sind weder Forderungen in Zusammenhang mit steuerbefreiten Erträgen vom Umwandlungskapital abzuziehen noch Passivposten in Zusammenhang mit nicht abzugsfähigen Aufwendungen dem Umwandlungskapital zuzuschlagen. So wird das Umwandlungskapital beispielsweise durch Körperschaftsteuerrückstellungen und Repräsentationsaufwendungen nicht erhöht und durch steuerfreie Beteiligungserträge und Körperschaftsteuervorauszahlungen nicht vermindert.

 Das Umwandlungskapital wird ebenfalls nicht um Sanierungsgewinne gemäß § 23a KStG 1988 vermindert; für Zwecke der Ausschüttungsfiktion sind sie somit zu berücksichtigen.

547
Vom Umwandlungskapital abzuziehen sind Einlagen im Sinne des § 4 Abs. 12 EStG 1988, deren Stand auf dem Evidenzkonto zum Umwandlungsstichtag erfasst ist. Gemäß § 4 Abs. 12 Z 3 EStG 1988 sind auch Einlagen und Einlagenrückzahlungen des Rückwirkungszeitraumes (zwischen Umwandlungsstichtag und Umwandlungsbeschluss) zu berücksichtigen.

Beispiel 1:

Die X-GmbH wird zum Stichtag 31.12.01 umgewandelt. Vor Berücksichtigung der Maßnahmen iSd § 8 Abs. 4 UmgrStG beträgt das Umwandlungskapital 110.000, das Evidenzkonto weist einen Einlagenstand von 50.000 aus. Am 15.3.02 werden 15.000 des unternehmensrechtlichen Gewinnes ausgeschüttet. Die Ausschüttung wird steuerrechtlich als Einlagenrückzahlung iSd § 4 Abs. 12 EStG 1988 behandelt (ohne KESt-Abzug).

Die Ausschüttung mindert einerseits durch Ansatz einer Passivpost iHv 15.000 in der Umwandlungsbilanz zum 31.12.01 das Umwandlungskapital, andererseits reduziert sie den Stand der Einlagen iSd § 4 Abs. 12 EStG 1988 im gleichen Ausmaß. Das fiktiv ausgeschüttete Gewinnkapital von 60.000 (95.000 – 35.000) wird nicht verändert, die Ausschüttung ist als Einlagenrückzahlung nicht mit Kapitalertragsteuer belastet. Ob sie als solche einkommensteuerpflichtig ist, hängt von der Höhe der Anschaffungskosten des Anteilsinhabers ab.

Beispiel 2:

Die X-GmbH wird zum Stichtag 31.12.01 umgewandelt. Vor Berücksichtigung der Maßnahmen iSd § 8 Abs. 4 UmgrStG beträgt das Umwandlungskapital 110.000, das Evidenzkonto weist einen Einlagenstand von 50.000 aus. Am 15.3.02 werden 15.000 des unternehmensrechtlichen Gewinnes ausgeschüttet. Die Ausschüttung wird steuerrechtlich als offene Ausschüttung iSd § 8 Abs. 2 KStG 1988 behandelt (mit KESt-Abzug).

Die Ausschüttung mindert durch Ansatz einer Passivpost iHv 15.000 in der Umwandlungsbilanz zum 31.12.01 das Umwandlungskapital und damit das fiktiv ausgeschüttete Gewinnkapital auf 45.000 (95.000 – 50.000). Eine Doppelerfassung wird damit vermieden.

Zum Stand der auf dem Evidenzkonto erfassten Einlagen sowie der Veränderung des Evidenzkontenstandes aufgrund von vorgelagerten Umgründungen siehe

  • den Einlagenrückzahlungs- und Innenfinanzierungserlass des BMF vom 27. September 2017, BMF-010203/0309-IV/6/2017, BMF-AV Nr. 155/2017
  • Rz 363 ff (Verschmelzung)
  • Rz 626 (Umwandlung)
  • Rz 1255 ff (Einbringung)
  • Rz 1794 ff (Spaltung nach dem SpaltG)
  • Rz 1867 (Steuerspaltung)

Ein Betrag, der aufgrund von § 9 Abs. 6 UmgrStG als ausgeschüttet gilt, wirkt sich nicht auf die Innenfinanzierung des Rechtsnachfolgers aus (§ 2 Abs. 2 vorletzter Satz IF-VO). Damit soll eine Doppelberücksichtigung verhindert werden. Zu den weiteren Auswirkungen von Umwandlungen auf die Innenfinanzierung aufgrund der IF-VO siehe Rz 628 f. Zu den allgemeinen Auswirkungen der IF-VO siehe Rz 379.

548
Wurde im Zuge von Umgründungen innerhalb von zehn Jahren vor der Umwandlung Vermögen mit negativen Buchwerten übernommen, erhöht sich das Gewinnkapital um diesen Betrag, soweit er nicht im Rahmen des § 18 Abs. 2 UmgrStG als ausgeschüttet gilt. Berücksichtigt werden nur Vorumgründungen mit Stichtagen nach dem 31.12.2007 (3. Teil Z 23 zweiter Satz UmgrStG).

Beispiel:

Die X-GmbH wird zum Stichtag 31.12.2012 umgewandelt. Die Umwandlung wurde am 10.9.2013 beschlossen und am 25.9.2013 zur Eintragung in das Firmenbuch angemeldet. Das Umwandlungskapital beträgt 110.000, das Evidenzkonto weist einen Einlagenstand von 50.000 aus. Zum 31.12.2010 wurde ein Betrieb mit einem steuerlichen Buchwert von -40.000 nach Art. III UmgrStG in die X-GmbH eingebracht. Die Einbringung wurde am 20.9.2010 zur Eintragung in das Firmenbuch angemeldet. Anlässlich der Einbringung wurde gemäß § 16 Abs. 5 Z 2 UmgrStG eine Entnahme iHv 25.000 vorbehalten. Zum Umwandlungsstichtag haftet die diesbezügliche Verbindlichkeit noch mit einem Betrag von 10.000 aus, 15.000 wurden bereits unter Berücksichtigung der KESt-Abfuhrverpflichtung des § 18 Abs. 2 UmgrStG getilgt.

Der fiktiven Ausschüttung iSd § 9 Abs. 6 UmgrStG unterliegt ein Betrag von 75.000. Das Gewinnkapital von 60.000 (110.000 – 50.000) ist um den negativen Buchwert des eingebrachten Betriebes zu erhöhen, der allerdings um den am 20.9.2010 iSd § 18 Abs. 2 UmgrStG fiktiv ausgeschütteten Betrag zu reduzieren ist. Somit ergibt sich eine Gewinnkapitalerhöhung von 15.000 (40.000 – 25.000).

Die Kapitalertragsteuer für die am Umwandlungsstichtag noch nicht getilgte vorbehaltene Entnahme iHv 10.000 ist spätestens am 17.9.2013 (eine Woche nach dem Umwandlungsbeschluss) abzuführen.

Die Kapitalertragsteuer für das fiktiv ausgeschüttete Gewinnkapital iHv 75.000 ist spätestens am 2.10.2013 (eine Woche nach Anmeldung des Umwandlungsbeschlusses zur Eintragung in das Firmenbuch) abzuführen.

Die Hinzurechnung negativer Buchwerte aus Vorumgründungen im Rahmen der Ausschüttungsfiktion soll eine korrekte Einmalbesteuerung auf beiden Besteuerungsebenen sicherstellen.

Beispiel 1:

Die natürliche Person A ist Gesellschafter der X-GmbH, die über ein Eigenkapital in Höhe von 1 Mio. verfügt; das Einlagenevidenzkonto der X-GmbH weist einen Stand von 0 auf. A bringt seinen Betrieb mit einem negativen steuerlichen Buchwert in Höhe von 300.000 in die X-GmbH ein (kein Anwendungsfall des § 18 Abs. 2 UmgrStG); es liegen keine vortragsfähigen Verluste vor.

In der Folge wird die X-GmbH umgewandelt. Das Umwandlungskapital beträgt 700.000, das Einlagenevidenzkonto 0, sodass sich – ohne Berücksichtigung der negativen Buchwerte aus Vorumgründungen – ein Gewinnkapital von 700.000 ergäbe.

Durch den Zuschlag gemäß § 9 Abs. 6 dritter Satz UmgrStG in der Höhe von 300.000 wird eine korrekte Einmalbesteuerung der erzielten Gewinne auf beiden Besteuerungsebenen sichergestellt.

Die Hinzurechnung negativer Buchwerte aus Vorumgründungen im Rahmen der Ausschüttungsfiktion soll jedoch nicht zu einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung oder zu einer Besteuerung von „Scheingewinnen“ führen.

Beispiel 2:

Die Y-GmbH wird auf die Z-GmbH verschmolzen. Während die Y-GmbH Gewinne in Höhe von 1 Mio. erzielt hat, sind bei der Z-GmbH Verluste in eben dieser Höhe angefallen. Die Einlagenevidenzkonten beider Gesellschaften weisen einen Stand von 0 auf.

In der Folge wird die Z-GmbH umgewandelt. Das Umwandlungskapital beträgt (in Folge der Verschmelzung) 0, das Einlagenevidenzkonto 0, sodass sich ein Gewinnkapital in Höhe von 0 ergibt.

Ein Zuschlag gemäß § 9 Abs. 6 dritter Satz UmgrStG kommt nicht in Betracht, weil im Zuge der Verschmelzung keine negativen Buchwerte von der Z-GmbH übernommen wurden.

Beispiel 3 (Variante zu Beispiel 2 – Änderung der Verschmelzungsrichtung):

Die Z-GmbH wird auf die Y-GmbH verschmolzen. Während die Y-GmbH Gewinne in Höhe von 1 Mio. erzielt hat, sind bei der Z-GmbH Verluste in eben dieser Höhe angefallen. Die Einlagenevidenzkonten beider Gesellschaften weisen einen Stand von 0 auf.

In der Folge wird die Y-GmbH umgewandelt. Das Umwandlungskapital beträgt (in Folge der Verschmelzung) 0, das Einlagenevidenzkonto 0, sodass sich ein Gewinnkapital in Höhe von 0 ergibt.

Ein Zuschlag gemäß § 9 Abs. 6 dritter Satz UmgrStG der im Zuge der Verschmelzung von der Y-GmbH übernommenen negativen Buchwerte hat zu unterbleiben, weil in einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung keine Gewinne erzielt wurden.

Die Hinzurechnungsvorschrift des § 9 Abs. 6 dritter Satz UmgrStG gilt auch dann, wenn die Vorumgründung ein anderes Rechtssubjekt betroffen hat und das im Zuge der Vorumgründung übertragene Vermögen erst durch eine Folgeumgründung auf die umzuwandelnde Kapitalgesellschaft transferiert wurde; dabei kommt es jedoch nicht zu einer „Kumulierung“ der Hinzurechnungsbeträge.

Beispiel 4:

Die natürliche Person A bringt ihren Betrieb in die X-GmbH ein. Das eingebrachte Vermögen hat einen steuerlichen Buchwert von -100.000; es liegen keine vortragsfähigen Verluste vor.

Nach der Einbringung erzielt die X-GmbH einen Gewinn in Höhe von 50.000.

In der Folge wird die X-GmbH auf die „leere“ Y-GmbH verschmolzen. Dabei wird ein Verschmelzungskapital in Höhe von -50.000 auf die Y-GmbH übertragen.

Wird die Y-GmbH sodann umgewandelt, beträgt der Zuschlag gemäß § 9 Abs. 6 dritter Satz UmgrStG 100.000; die nach der Einbringung und vor der Umwandlung vorgenommene Verschmelzung beeinflusst die Höhe des Zuschlages (für die im Zuge der Einbringung übertragenen negativen Buchwerte) nicht, allerdings ist darüber hinaus kein zusätzlicher Zuschlag für die im Zuge der Verschmelzung (weiter)übertragenen negativen Buchwerte anzusetzen.

549
Die fiktive Ausschüttung nach § 9 Abs. 6 UmgrStG ist auf Ebene der Kapitalgesellschaft sowie beim Anteilsinhaber steuerrechtlich wie eine offene Ausschüttung zu behandeln. Hinsichtlich der Besteuerung des Anteilsinhabers bzw. der Erhebung der Kapitalertragsteuer gelten die allgemeinen Regeln, die Befreiungstatbestände des § 94 EStG 1988 sowie des § 10 KStG 1988 kommen zur Anwendung. Bei ausländischen Anteilsinhabern ist die Verteilung der Besteuerungsrechte nach den entsprechenden DBA zu beachten. Die Ausschüttungsfiktion kommt auch im Falle der verschmelzenden Umwandlung auf eine ausländische Körperschaft (siehe Rz 440) zum Tragen, wenn die Jahresfrist gemäß § 94 Z 2 EStG 1988 nicht gegeben ist. Der umwandlungsbedingte Wegfall der Beteiligung des ausländischen Hauptgesellschafters an der übertragenden operativen Kapitalgesellschaft innerhalb der Jahresfrist hindert allerdings nicht die Erstattung der zunächst abgeführten KESt, wenn das die weggefallene Beteiligung ersetzende Vermögen der umgewandelten Kapitalgesellschaft im restlichen Zeitraum bis zum Ablauf der Jahresfrist gehalten wird.

Randzahlen 550 bis 556: derzeit frei