Dokument-ID: 900085

Vorschrift

Umgründungssteuerrichtlinien 2002

Inhaltsverzeichnis

3.17.1.2. Zeitpunkt der Einbringung von Vermögen im Sinne § 12 Abs. 2 UmgrStG

1277
§ 6 Z 14 lit. b EStG 1988 normiert eine Ausnahme vom sonst allgemein gültigen steuerrechtlichen Rückwirkungsverbot von Parteienvereinbarungen. Wird Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 2 UmgrStG eingebracht und fällt diese Einbringung trotzdem nicht unter die Bestimmung des Art. III UmgrStG, gilt der Austausch der Wirtschaftsgüter mit dem maßgeblichen Einbringungsstichtag im Sinne des § 13 UmgrStG (siehe Rz 761 ff) als erfolgt. Das Aufrechterhalten der Rückwirkungsfiktion dient der Verwaltungsökonomie, da regelmäßig die maßgebende Bilanz auf diesen Stichtag vorliegt und damit das Erstellen einer Bilanz auf den sonst für den Tausch maßgeblichen Tag (siehe EStR 2000 Rz 2594) nicht erforderlich ist.

1278
Wird begünstigtes Vermögen iSd § 12 Abs. 2 UmgrStG übertragen, ist der im Einbringungsvertrag festgelegte Stichtag maßgeblich, wenn die Einbringung rechtzeitig bei der zuständigen Behörde angemeldet oder gemeldet wurde. Liegt neben dem Fehlen einer Anwendungsvoraussetzung des § 12 UmgrStG auch eine Fristverletzung des § 13 UmgrStG vor, kommt der Tag des Abschlusses des Einbringungsvertrages als Zeitpunkt der Gewinnverwirklichung zur Anwendung.

1279
Von § 6 Z 14 lit. b zweiter Satz EStG 1988 sind nach dem Gesetzeswortlaut nur Einbringungen (Einlagen) von Betrieben, Teilbetrieben, Mitunternehmeranteilen und Kapitalanteilen betroffen, bei denen bestimmte andere Anwendungsvoraussetzungen des UmgrStG nicht gegeben sind. Als solche kommen insb. in Betracht:

  • Fehlen eines schriftlichen Einbringungsvertrages (siehe Rz 662) oder einer Einbringungsbilanz (siehe Rz 664)
  • Unzulässiges Fehlen einer Gegenleistung (siehe Rz 1040 ff)
  • Unzulässige Form der Gegenleistung wie etwa überhöhte Zuzahlungen, Überlassung von Wirtschaftsgütern usw. (siehe Rz 1004)
  • Einbringung von steuerpflichtigem Vermögen in eine steuerbefreite Körperschaft, ohne dass es dort zur (partiellen) Steuerpflicht kommt (siehe Rz 745)
  • Nichtvorhandensein eines positiven Verkehrswertes oder Fehlen des Nachweises des positiven Verkehrswertes, obwohl Gründe für Zweifel gegeben sind (siehe Rz 676 ff).

1280
§ 6 Z 14 lit. b EStG 1988 überträgt den Tauschgrundsatz des § 6 Z 14 lit. a EStG 1988 auf die Einlage oder die Einbringung von Wirtschaftsgütern und sonstigem Vermögen in eine Körperschaft. Damit wird für die am Tausch beteiligten Partner jeweils ein Veräußerungs- und ein Anschaffungsvorgang bewirkt.

Der Einbringende hat dabei als Veräußerungspreis für das übertragene Vermögen und als Anschaffungspreis für die Gesellschaftsrechte jeweils den gemeinen Wert der hingegebenen Wirtschaftsgüter anzusetzen. Der gemeine Wert des eingebrachten Betriebes umfasst auch einen etwa vorhandenen Firmenwert.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 KStG 1988 gelten diese Grundsätze auch für unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften als Einbringende, mit der Einschränkung, dass im Falle einer Einbringung ohne Anteilsgewährung beim Einbringenden gemäß § 20 Abs. 2 Z 2 zweiter Satz KStG 1988 der Teilwert der Wirtschaftsgüter einschließlich selbstgeschaffener unkörperlicher Wirtschaftsgüter anzusetzen ist.

Nach § 6 Z 14 EStG 1988 wäre bei der übernehmenden Körperschaft das eingelegte Wirtschaftsgut oder sonstige Vermögen mit dem gemeinen Wert der hingegebenen Gesellschaftsrechte zu bewerten. Es bestehen jedoch aus Gründen der einfacheren Handhabung keine Bedenken, wenn auf beiden Seiten der gemeine Wert des eingelegten Wirtschaftsgutes oder sonstigen Vermögens angesetzt wird („Wertverknüpfung“).

Für Einbringungen zwischen unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften außerhalb des Geltungsbereiches des UmgrStG sieht § 20 Abs. 3 KStG 1988 die Wertverknüpfung ausdrücklich vor (KStR 2013 Rz 498).

Da der Gesetzgeber mit der Rückbeziehung den Regelungsrhythmus des Art. III UmgrStG aufrecht erhalten will und nur an die Stelle der Buchwertfortführung eine Gewinnverwirklichung setzt, bleiben die umgründungssteuerrechtlichen Rechtsfolgen des Zeitpunktes der Übernahme des Vermögens durch die übernehmende Körperschaft aufrecht, wie dies ausdrücklich in § 20 Abs. 3 KStG 1988 für die Einbringung von Körperschaften geregelt ist. Damit muss auch die tauschbedingte Gegenleistung für den Einbringenden mit Beginn des dem Einbringungsstichtag folgenden Tages angenommen werden.

Beispiel:

A bringt einen Betrieb in die in seinem Alleineigentum stehende und mit ausreichendem Eigenkapital ausgestattete A-GmbH ohne Kapitalerhöhung ein. Der Einbringungsvertrag bestimmt den 31.12.00 als Einbringungsstichtag, wird am 8.8.01 unterfertigt und sofort dem zuständigen FA gemeldet. An diesem Tag gehen die Aktiva und Passiva auch tatsächlich auf die B-GmbH über. Der eingebrachte Betrieb hat einen Gesamtbuchwert (Aktiva minus Passiva) von minus 500.000. Der Verkehrswert des Betriebes beträgt minus 300.000, der auch dem gemeinen Wert entspricht siehe auch EStR 2000 Rz 2590 ff). Es liegt damit kein positiver Verkehrswert vor. Aus Vereinfachungsgründen wird davon ausgegangen, dass sich dieser Wert zwischen dem 31.12.00 und dem 8.8.01 nicht verändert hat.

 

Buchwert

Verkehrswert

 

Buchwert/Verkehrswert

Aktiva

500.000

700.000

Passiva

1.000.000

Kapital

500.000

300.000

 

 

 

1.000.000

1.000.000

 

1.000.000

Da Art. III UmgrStG mangels eines positiven Verkehrswertes nicht anwendbar ist, kommt es zur Behandlung der Einbringung als Tauschvorgang. Auf Grund der rechtzeitigen Meldung und der Einlage eines Betriebes gilt der 31.12.00 als Tag des Vermögensüberganges (§ 6 Z 14 lit. b EStG 1988 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 UmgrStG).

Der Tauschvorgang führt auf Seite des Einbringenden zu einer Betriebsveräußerung zum 31.12.00 und ist nach den Regeln des § 24 EStG 1988 zu behandeln. Bei der Ermittlung des Veräußerungserlöses ist der „Preis“ der betrieblichen Einheit (unter Ansatz der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter und eines allfälligen Firmenwertes) iHv minus 300.000 dem Kapital iHv minus 500.000 gegenüberzustellen, sodass sich daraus ein Veräußerungserlös iHd stillen Reserven im Ausmaß von 200.000 ergibt, der gemäß § 24 iVm § 37 EStG 1988 zu versteuern ist. Da die A-GmbH einen Überhang an Passiva in Höhe von 300.000 (fremdunüblich von ihrem Gesellschafter) übernommen hat, die nicht durch den Wert der Aktiva gedeckt sind, findet neben einem Veräußerungsvorgang auch eine Bereicherung des A auf Kosten der A-GmbH in Höhe von 300.000 statt, die als verdeckte Ausschüttung zu berücksichtigen ist. Der Zufluss der verdeckten Ausschüttung findet am Tag der tatsächlichen Bereicherung statt. Das ist der 8.8.01, da an diesem Tag die Passiva tatsächlich übergehen, damit eine Entschuldung des A stattfindet und hinsichtlich des Zeitpunktes des Zuflusses von Kapitaleinkünften im Sinne § 27 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 keine Sonderregeln existieren (siehe EStR 2000 Rz 6116 ff und KStR 2013 Rz 565 ff).

Auf Seite der übernehmenden Körperschaft gilt die Einlage als Anschaffungsvorgang an dem dem Einbringungsstichtag folgenden Tag (1.1.01) und führt zur Übernahme der beim Einbringenden aufgedeckten Werte. Die übernommenen Passiva in Höhe von 700.000 stellen die Gegenleistung für die Übernahme des Betriebes dar. Die restlichen Passiva in Höhe von 300.000 stellen eine fremdunübliche Bereicherung dar. Ab dem dem Einbringungsstichtag folgenden Tag (1.1.01) ist der Betrieb steuerlich mit allen Konsequenzen der A-GmbH zuzurechnen.

Die Gegenleistung für A gilt mit dem gleichen Tag (1.1.01) als gewährt. Im Hinblick auf die Erfassung des Passivaüberhangs in Höhe von 300.000 als verdeckte Ausschüttung ergibt sich ein Sacheinlagewert von 0 und werden die vor der Einbringung bestehenden Anschaffungskosten der Beteiligung nicht geändert.

1280a
Erfolgt die Vermögensübertragung ohne erkennbare Vereinbarung, ist zu überprüfen, ob es sich um eine

  • Vermögensüberlassung handelt, die mangels Entgeltvereinbarung eine Nutzungsüberlassung darstellt, oder
  • eine Vermögensübertragung vorliegt, die zu einer Entnahme der Wirtschaftsgüter zu Teilwerten in das Privatvermögen und nachfolgender Einlage gemäß § 6 Z 14 lit. b EStG 1988 in die Kapitalgesellschaft führt. Im Umgründungsjargon liegt in diesem Fall ein als „kalte Einbringung“ bekannter Vorgang vor.

Beispiel:

Ein Tischlereibetrieb wird in Form eines Einzelunternehmens betrieben. Da der Einzelunternehmer seinen Betrieb zukünftig in Form einer GmbH zu führen beabsichtigt, gründet er eine GmbH, meldet Dienstnehmer und betriebszugehörige KFZ auf die GmbH um, tätigt fortan seinen Wareneinkauf über die GmbH und erstellt Ausgangsrechnungen mit der GmbH als leistende Unternehmerin.

Da dieser faktischen Übertragung weder eine rechtsgeschäftliche noch eine gesellschaftsrechtliche Vereinbarung zugrunde liegt, liegt eine sog. „kalte Einbringung“ mit der Konsequenz der Subsumierung der Vermögensübertragung unter das allgemeine Ertragsteuerrecht vor (Aufdeckung der stillen Reserven und eines allfälligen Firmenwertes und Einlage gemäß § 6 Z 14 lit. b EStG 1988 in die GmbH).

Der Unterschied in der Behandlung des Sachverhalts als „verunglückte Umgründung“ (siehe Rz 1280) oder bei grundsätzlicher Unanwendbarkeit des Umgründungssteuergesetzes liegt darin, dass im Fall der „verunglückten Umgründung“ (wenn also Anwendungsvoraussetzungen des Art. III UmgrStG nicht erfüllt sind) es bei rechtzeitiger Anmeldung/Meldung zu einer rückwirkenden Gewinnverwirklichung auf den Einbringungsstichtag kommt, sofern begünstigtes Vermögen iSd § 12 Abs. 2 UmgrStG vorliegt.

Bei grundsätzlicher Unanwendbarkeit des UmgrStG ist diese Rückwirkung nicht gegeben.

1280b
Werden im Fall einer verunglückten Umgründung rückwirkende Vermögenskorrekturen gemäß § 16 Abs. 5 UmgrStG vorgenommen, können diese keine Rückwirkung auf den Einbringungsstichtag entfalten, da ein derartiges Rückprojizieren im allgemeinen Ertragsteuerrecht nicht vorgesehen ist. Am Einbringungsstichtag ist daher der gemeine Wert des zu übertragenden Vermögens ohne rückbezogene Maßnahmen als Bemessungsgrundlage für die Tauschbesteuerung heranzuziehen.

Tatsächlich getätigte Entnahmen und Einlagen wandeln sich daher nach der Vermögensübertragung zu Verrechnungsforderungen und Verrechnungsverbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern und gelten durch die Rückwirkungsfiktion des Vermögensüberganges gemäß § 6 Z 14 lit. b EStG 1988 generell bereits bei der übernehmenden Körperschaft als bewirkt. Damit kommen die allgemeinen Grundsätze über rechtsgeschäftliche Beziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter zur Anwendung, bei deren Nichteinhaltung eine verdeckte Ausschüttung vorliegt.

Desgleichen stellt die Tilgung vorbehaltener Entnahmen in Folge einer verunglückten Einbringung eine verdeckte Ausschüttung dar und ist der Kapitalertragsteuer zu unterwerfen, da es der geleisteten Zahlung an einem steuerlich beachtlichen Rechtsgrund fehlt.

Werden Wirtschaftsgüter (zB eine Liegenschaft) im Zuge einer missglückten Einbringung zurückbehalten, können Nutzungsvereinbarungen frühestens ab der Existenz der übernehmenden Körperschaft und dem Abschluss einer dem Fremdvergleich standhaltenden vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Gesellschafter und der Körperschaft anerkannt werden. Entgelte vor diesem Zeitpunkt, die für die Überlassung der Wirtschaftsgüter geleistet werden, stellen verdeckte Gewinnausschüttungen dar.